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Zigeunermärchen

Herausgegeben von Walther Aichele und Martin Block

EUGEN DIEDERICHS VERLAG


59. Der junge Graf und die Tochter der Hexe

Einst lebte ein Graf, der hatte drei Söhne und besaß einen schönen Garten, darinnen stand ein schöner Birnbaum. Aus dem Himmel aber kamen die drei Töchter der Hexe und stahlen jede Nacht eine von den Birnen. Als der Graf merkte, daß in jeder Nacht seine Birnen weniger wurden, sprach er zu seinen Söhnen, jede Nacht sollte immer einer von ihnen bis zwölf Uhr wachen, damit er sehe, wer der Dieb sei. In



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der ersten Nacht wachte nun einer der Söhne bis elf Uhr, dann wurde er schläfrig und legte sich hin. Als nach dieser Nacht nun wieder eine Birne fehlte, beauftragte der Graf in der nächsten Nacht den zweiten Sohn. Auch dieser wachte bis elf Uhr und legte sich dann nieder. In der dritten Nacht ließ er den jüngsten Sohn wachen. Der sah die Tochter der Hexe. Und als er sie sah, wurde er wahnsinnig ihretwegen, und er machte sich eiserne Stiefel und zog von dannen. Als er ein halbes Jahr unterwegs war, da begegnete ihm ein alter Mann. Der fragte ihn, wohin er gehe. Der Jüngling erwiderte, er folge dem und dem Mädchen. Da sprach der Greis zu ihm: »Weißt du auch, wo du die Mädchen treffen wirst?« Da antwortete der Jüngling, das sei ihm alles einerlei. Wenn er dabei zugrunde gehen sollte, möge es geschehen. Da begann der Greis also: »Höre mein Sohn, was ich dir sage. Jene drei Mädchen kommen alljährlich hierher in dieses Gebirge, um zu baden. Wenn du siehst, daß sie baden, dann gehe heimlich hin und nimm einer von ihnen das Hemd weg. Alsdann kann sie nicht mehr fliegen, die beiden anderen jedoch werden davonfliegen.« Der Jüngling tat so und brachte das Mädchen, deren Hemd er genommen hatte, nach Hause. Sieben Jahre lebte er bereits mit ihr zusammen, als ein Krieg ausbrach und auch der Jüngling in den Kampf ziehen mußte. Zuvor aber legte er des Mädchens Hemd in eine Lade und verschloß die Stube. Dann sprach er zu seiner Frau: »Nimm die Schlüssel an dich, aber öffne nie die letzte Türe«, und fuhr fort: »Liebe Frau, wenn ich nun gehe, so hänge eine schwarze Fahne heraus, wenn du mich aber wiederkommen siehst, dann hänge eine rote Fahne heraus.« Kaum war er aber fortgezogen, da machte sich seine Frau auch schon daran, die letzte Türe zu öffnen. Und sie hatte sie kaum richtig geöffnet, da flog ihr schon ihr Hemd entgegen. Sie nahm's und flog davon. Als sie weggeflogen war, kam auch ihr Gatte wieder heim und sah, daß die rote Fahne nicht heraushing. Vor seinem Hause sprang er vom Pferd und eilte zu der Stube, wo



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das Hemd aufbewahrt war. Als er nun sah, daß jenes Hemd nicht mehr da war, fertigte er sich wieder eiserne Schuhe und einen eisernen Stock an und wanderte ein halbes Jahr lang, bis er zum Gebirge kam. Dort traf er drei Räuber. Die verhandelten wegen eines Sattels und eines Zaumes. Der Grafensohn fragte sie: »Was tut ihr hier?« Sie antworteten, sie hätten einen Streit miteinander. Da fragte er weiter: »In welcher Sache?« und sie erzählten es ihm. Da fragte er sie: »Was ist denn das für ein Sattel und ein Zaum?« Sie erwiderten: »Er ist so beschaffen, daß, wenn du sagst >Bring mich dahin, wohin ich will<, er es ausführt.« Da sprach er zu ihnen, sie sollten einen Wettlauf zum Gebirge machen; wer es zuerst erreiche und zuerst wieder zurückkomme, dem sollten Sattel und Zügel gehören. Da begannen sie zu laufen. Der Jüngling aber setzte sich in den Sattel und sprach: »Bring mich dahin, wohin ich will.« Und schon stand er vor des Mädchens Fenster.

Als das Mädchen ihn erblickte, nahm sie ihn in ihre Stube und meinte: »Was nutzt es, daß du gekommen bist. Wenn du auch 100 Köpfe hättest, meine Mutter würde doch suchen, wie sie dich umbrachte.« Als der Jüngling gekommen war, roch die Hexe, daß ein Mensch da sein müsse, und durchsuchte das ganze Haus, konnte ihn aber nicht finden. Da rief die Hexe: »Junge, wo bist du? Umsonst versteckst du dich, ich mache dir doch den Garaus.« Und noch einmal schrie sie: »Junge, wo bist du?« Er antwortete: »Ich bin in deiner Stube.«

Als sie hinging und schaute, war niemand darinnen. Da rief er: »Ich bin im Speicher.« Als sie aber hinging, war niemand da. Wieder rief er: »Ich bin im Keller.« Aber auch da war er nicht, als die Hexe kam.

Da ging der Jüngling zu dem Mädchen in die Stube. Und sie erzählte ihm nun: »Morgen sollst du vor meiner Mutter eine Probe ablegen: Einen Sack Korn wird sie auf die Felder streuen. Den sollst du wieder sammeln, daß auch nicht ein Körnchen fehlt.« Die Hexe ging und streute einen



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Sack aus. Aber die Geliebte des jungen Mannes sammelte wieder alle Körner ein und sagte dann zu ihrer Mutter, der Jüngling habe es wieder eingesammelt, genau wie es war, und nicht ein einziges Körnchen sei verlorengegangen. Da sprach die Hexe, morgen werde sie dem Jungen auftragen, er solle zwei Pferde vor den Wagen spannen. Wenn er dann aufsitze, würde er in Sand verwandelt. Als seine Geliebte hörte, was ihre Mutter vorhatte, sprach sie zu ihm, er solle nur einspannen, aber ja nicht aufsteigen. Als nun andern Tages die Hexe den Jüngling einspannen hieß, da spannte er auch ein. Dann befahl sie ihm dreimal, er solle aufsteigen. Aber er stieg nicht in den Wagen, sondern nahm das Mädchen und setzte sich mit ihr in den Sattel und sprach: »Bring mich dahin, wohin ich will.« Da war er auch schon auf seinem Gut.

Andern Tages wollte ihn nun die Hexe umbringen. Als sie aber in die Stube trat, sah sie, daß niemand darinnen war. Da befahl sie ihren Töchtern, ihn und ihre Schwester zu verfolgen. Und die eine der beiden machte sich auf den Weg. Aber das Mädchen des Jünglings wußte, daß ihre Schwester sie verfolge, um sie zu töten. Sie verwandelte sich deshalb in ein kleines Häuschen und den Jüngling in einen alten Mann. Als die Verfolgerin nun herankam und einen alten Mann traf, fragte sie ihn: »Alter, hast du nicht einen Jüngling und ein junges Mädchen gesehen?« Der Greis erwiderte, er habe niemanden gesehen. Die Schwester suchte nun weiter, konnte aber niemanden finden und flog nach Hause. Da fragte ihre Mutter: »Hast du sie nicht gefunden?« — »Nein.« — »Wen hast du denn getroffen?« — »Einen alten Mann, der stand bei einem kleinen Häuschen.« Da sprach die Hexe: »Das war der Jüngling, und das Häuschen war deine Schwester.« Da schickte sie ihre andere Tochter. Das Mädchen des Jünglings wußte aber wieder, daß ihre Schwester ihnen nachsetzte, und verwandelte sich selbst in ein Korn und den Jüngling in einen Baum. Als nun ihre Schwester herankam, sah sie nichts anderes



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als nur das Korn und den Baum und flog wieder nach Hause. Als ihre Mutter sie fragte, wen sie gefunden oder was sie gesehen habe, sagte sie: »Niemanden, nur einen Baum und ein Korn.« Da sprach ihre Mutter: »Der Baum war der Jüngling und das Korn deine Schwester. Nun, jetzt muß ich die beiden verfolgen. Wenn sie auch 100 Köpfe hätten, ich würde sie doch umbringen.« Die Geliebte des Jünglings meinte zu diesem: »Jetzt sind wir sowieso verloren, denn meine Mutter kommt. Hör nun, was wir machen werden: Ich verwandle mich in einen großen Teich und dich in ein Wasserhuhn.« Als nun die Hexe kam, da schwamm der Junge auf dem Wasser hin und her. Die Hexe rief vergeblich, er solle herauskommen, denn sie wußte ja, daß der Jüngling das Wasserhuhn und ihre Tochter der Teich war. Da legte sie sich hin, um den ganzen Teich auszutrinken. Und sie hatte ihn schon beinahe leergetrunken, da konnte sie nicht mehr und zerplatzte, und der Junge und das Mädchen fielen aus ihr heraus. Die Hexe aber starb.

60. Der schlaue Alte

E s war einmal ein alter Mann und seine Frau. Die wohnten zwei Stunden von der Stadt entfernt, und eines Tages fuhren sie in die Stadt auf den Wochenmarkt. Auf dem Wege zur Stadt kamen sie an drei Gasthäusern vorbei. Als sie beim ersten anlangten, stiegen sie ab, traten ein und bestellten zu trinken und zu essen und bezahlten im voraus. Bei ihrer Rückkehr solle dann alles bereitstehen. Sie fuhren von da bis zum zweiten Wirtshaus und bestellten auch hier zu essen und zu trinken und bezahlten. Bei ihrer Rückkehr solle das Mahl bereit sein. Von da ging es zum dritten Gasthaus, und sie taten auch hier so. Dann fuhren sie in die Stadt auf den Markt und kauften sich Essen und Fleisch und fuhren nach Hause. Als sie beim ersten Gasthaus ankamen, fuhren sie zur



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Seite und kehrten ein, aßen und tranken; und es waren noch drei Metzger drinnen. Als der Alte dann hätte bezahlen sollen, nahm er seinen Hut vom Kopfe und fragte den Kellner, was er zu bezahlen habe. Der Kellner erwiderte: »Nichts. Es ist bezahlt.« Dann ging der Alte hinaus, setzte sich auf den Wagen und fuhr weg.

Als er weggefahren war, sprachen die drei Metzger zusammen, jener Hut, den der Alte habe, würde für sie gut sein, da sie noch jung wären. Sie folgten also dem Alten und holten ihn in der zweiten Wirtschaft ein. Auch hier aß und trank er, nahm seinen Hut vom Kopfe und drehte ihn dreimal und fragte dann den Kellner, was er zu zahlen habe. Der Kellner antwortete: »Nichts, es ist bezahlt.« Die drei Metzger lasen einander vom Gesichte ab, daß jener Hut ihnen gefallen würde. Von da fuhr der Alte zum dritten Gasthause, und die drei Metzger gingen ihm nach und trafen ihn in der Wirtschaft. Auch hier aß er mit seiner Frau, nahm seinen Hut vom Kopfe, drehte ihn dreimal und fragte, was er zu zahlen habe. Er bekam zur Antwort: »Nichts, es ist ja bezahlt.« Dann fuhr der Alte weg. Die drei Metzger aber hielten sich hinter ihm und liefen und holten ihn auch ein. Als sie ihn eingeholt hatten, fragten sie ihn, was er für den Hut verlange. Er entgegnete, er verkaufe ihn nicht, er brauche ihn selbst. Aber sie redeten so lange auf ihn ein, bis er mit ihnen den Handel abschloß. Sie gaben ihm 300 Gulden dafür und einen Hut, der besser war als seiner. Die Metzger brachen auf und gingen zum größten Kaffeehaus und bestellten sich zu essen und zu trinken. Dann nahm der eine den Hut vom Kopfe, drehte ihn dreimal und fragte den Kellner, was er zu bezahlen habe. Der Kellner erwiderte: »100 Gulden.« Da meinte sein Gefährte: »Gib mir den Hut, du verstehst es nicht«, und drehte den Hut dreimal und fragte, was sie zu zahlen hätten. Aber wieder antwortete der Kellner: »100 Gulden.« Darauf sprach der dritte: »Gib ihn mir, du verstehst es nicht«, und auch dieser drehte den Hut dreimal



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und fragte, was sie bezahlen sollten. Der Kellner blieb aber dabei: »100 Gulden.« Und ob sie wollten oder nicht, sie mußten bezahlen. Dann aber folgten sie dem Alten, um ihn in den Sack zu stecken und in den Brunnen zu werfen. Da der Alte aber wußte, daß jene ihn verfolgten, um ihn zu töten, machte er sich daran, sich einen Sarg zu zimmern, und legte sich mit dem Gesicht nach unten hinein. Seine Frau aber nahm eine Rute und wehrte die Fliegen von ihm ab. Nun kamen die drei Metzger herbei und sahen, daß der Alte im Sarge lag, und sie sprachen zu seiner Frau: »Es ist gut, daß er tot ist, wir hätten ihn sowieso totgeschlagen.« Sobald sie sich dann entfernten, nahm die Frau die Rute und schlug damit auf den Alten, der im Sarg lag. Da richtete er sich auf. Als die drei Metzger das sahen, sprachen sie: »Ach, jene Rute würde uns nützen, um die Toten ins Leben zurückzurufen.« Sie fragten also den Alten und seine Frau, was er für die Rute verlange. Der Alte jedoch erwiderte, er verkaufe sie nicht. Aber sie setzten ihm so lange zu, bis er sie ihnen verkaufte. Sie gaben ihm 300 Gulden und einen neuen Stock. Dann nahmen sie die Rute und legten sie sich über die Schulter. So zogen die drei Gesellen miteinander durch die Städte und Dörfer und riefen, wer einen Toten habe, dem gäben sie das Leben wieder, wer einen Kranken habe, den machten sie wieder gesund. Die Leute in den Dörfern und Städten aber schauten ihnen nach. Als sie am Palast des Königs vorüberkamen, hörte der König sie rufen, daß sie Verstorbene und Kranke ins Leben rufen würden, und er schickte seinen Diener zu ihnen und ließ ihnen sagen, sie sollten zurückkommen. Als sie zurückkamen, fragte der König, was sie verständen. Sie antworteten, sowohl Verstorbene wie Kranke könnten sie wieder zum Leben erwecken. Hierauf sprach der König: »Wenn ihr aber meine Gattin nicht genesen lasset!« — »Wenn wir sie nicht gesund machen, magst du uns erschießen.« Dann fragten sie, wo seine Gemahlin sei, und traten in ihr Gemach und schlossen die Tür hinter sich zu. Nun nahm der erste die



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Rute und schlug sie dreimal auf sie. Da meinte der zweite: »Gib sie mir, du verstehst es nicht.« Als auch er auf die Königin einschlug, starb sie. Dann gingen sie hinaus zum König und sprachen, seine Gemahlin wäre genesen. Da sie aber schlafe, solle er noch nicht zu ihr hineingehen. In einer Stunde würde sie aufgestanden sein. Und sie setzten hinzu, in einer Stunde würden sie wiederkommen, damit er ihnen bezahle. Alsdann gingen sie hinter dem Alten her, ergriffen ihn und steckten ihn in den Sack, nahmen ihn auf die Schulter und trugen ihn zu einem Brunnen, um ihn hineinzuwerfen. Unterwegs aber begann er zu rufen, er wäre der Thronfolger. Als sie nun beim Brunnen anlangten, meinte der eine: »Wie wäre es, wenn wir zuerst seinen Leichentrunk veranstalteten, alsdann wollen wir ihn hineinwerfen.« Sie gingen also ins Wirtshaus und legten den Alten im Sack draußen hin. Der aber schrie, er wäre des Königs Nachfolger. Als nun die Schafe, Rinder und Pferde des Pastors vorbeikamen, da hörte der Mann, der die Pferde und Rinder trieb, jemanden rufen, er sei der Thronfolger, und er merkte auf, konnte aber nichts sehen. »Wo bist du?« fragte er dann den Alten. »Ich bin im Sack«, kam die Antwort. Da ging er zu ihm und fragte ihn: »Wer bist du?« — »Ich bin der Kronprinz.« Und er setzte noch hinzu: »Hättest du keine Lust, Kronprinz zu werden, denn ich bin zu alt dazu?« Da befreite jener den Alten aus dem Sack. Der Alte aber steckte nun ihn hinein und meinte: »Solange sollst du nun rufen, du seiest der Thronfolger, bis du es werden wirst.« Alsdann kamen die Metzger aus dem Wirtshaus und warfen ihn in den Brunnen. Der Alte aber nahm die Schafe, Rinder und Pferde und trieb sie vor sich her nach Hause. Da kam gerade dort der Pastor vorbei und sah die Pferde, Rinder und Schafe. Der Pastor erkannte sie als die seinigen und redete den Alten an: »Du Räuber, wo hast du diese Pferde, Schafe und Rinder aufgegriffen?« Da erzählte der Alte, man hätte ihn in einen Brunnen geworfen, und er wäre dann in eine andere Welt gefallen. Dort gäbe es



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umsonst, was man nur begehrte. Von dort unten führe der Weg in diese Welt. Darauf erwiderte der Pastor, es wäre nicht wahr, denn die Tiere gehörten ihm. Da meinte der Alte: »Wir wollen wetten!« Der Pastor fragte: >'Wie denn?« Da sprach der Alte: »Wer morgen früh zuerst aufgestanden sein wird, dem sollen die Pferde, Rinder und Schafe gehören.« Der Pastor sagte: »Gut!« Als der Alte nach Hause ging, fragten ihn die Leute: »Alter, woher hast du das Vieh?« Der Alte erwiderte: »Da und da ist ein Brunnen, wer hineinspringt, gelangt in eine Welt, wo man alles umsonst bekommt.« Da brachen die Leute aus zwei Dörfern auf und sprangen in den Brunnen. Als der Alte sah, daß der Brunnen voll war, nahm er einen großen Steinblock und warf ihn darauf. —Der Pastor nun legte sich, um früh wach zu sein, zeitig zum Schlafe nieder. Der Alte aber nahm seinen Mantel und stieg in des Pastors Garten auf den Birnbaum gerade vor des Pastors Fenster und rauchte seine lange Pfeife. Um sechs Uhr aber stand die Dienstmagd des Pastors auf und weckte ihren Herrn. Dann machte sie Feuer im Ofen. Als ein Scheit Holz herunterfiel, bückte sich das Mädchen, und der Pastor erblickte ihre... Da fragte der Pastor das Mädchen: »Was ist das?« Das Mädchen antwortete: »Der Meßjunge!« Als der Alte das hörte, ging er nach Hause und legte sich nieder. Da kam auch schon der Pastor zu dem Alten und erklärte ihm, er habe gewonnen. Darauf sagte der Alte: »Gut, du hast gewonnen, doch wo ist der Meßjunge und der Schiebkarren?« Als der Pastor das hörte, sprach er zum Alten: »Damit du das nie und nimmer sagst, gebe ich dir zwei Wagen voll Gold.« Da gab er dem Alten zwei Wagen voll Gold, und dieser behielt auch die Pferde, die Rinder und die Schafe. Die Leute wunderten sich aber über ihn, daß er so reich geworden war. Er hatte auch zwei Brüder, der eine von ihnen fragte ihn: »Bruder, woher hast du das viele Geld?« Er antwortete ihm: »Nun, woher hat der König seinen Hof? Frag mich nicht. Gott hat es mir gegeben.« Dann sprach er zu seinem



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Bruder weiter: »Du fährst mit zwei Pferden, aber ich fahre vierspännig.« Darüber erzürnte sein Bruder und drohte: »Heute nacht um zwölf schneide ich dir den Hals ab.« Da brach der Alte auf und ging nach Hause. Als er heimkam, sprach er zu seiner Frau, er habe Kopfschmerzen, er könne in seinem Bett nicht schlafen, sie solle doch in seinem Bette schlafen. Da legte sich seine Frau in sein Bett und er in das ihrige. Um zwölf Uhr kam sein Bruder mit der Axt, ging hinein und schlug mit der Axt der Frau den Kopf ab. Dann ging er nach Haus in der Meinung, seinem Bruder den Hals abgeschnitten zu haben. Als am Morgen der Alte aufgestanden war, sah ihn sein Bruder und verwunderte sich: »Wie geht das zu, ich habe ihm gestern den Hals abgeschnitten, und jetzt ist er wieder aufgestanden. Das ist ein Teufel.« Der Alte aber nähte nun den Kopf seiner toten Frau fest, spannte ein und fuhr in die Stadt. Die Leiche aber setzte er zu sich vorn auf den Bock. Ihr Gesicht aber hatte er so zurechtgezogen, als ob sie lache. Dann fuhr er weg, vor dem Wirtshaus aber hielt er an, kehrte ein und trank zwei Flaschen Wein. Der Wirt jedoch sagte zu ihm: »Alter, warum kommt deine Frau nicht herein, sie ist doch bisher immer gekommen?« Der Alte entgegnete: »Sie will nicht herein, sie geniert sich.« Dann sprach er zum Kellner: »Geh, bring ihr zwei Flaschen Wein hinaus!« Der Kellner brachte sie hinaus mit den Worten: »Nimm, Alte, trink.« Als er es bereits zum drittenmal gesagt hatte, dachte der Kellner, die Alte lache ihn aus, und er nahm eine Flasche und schlug sie ihr gegen den Kopf, so daß ihr Kopf herabfiel. Nun wußte der Kellner vor Furcht nicht, was er anfangen sollte, und bat den Mann flehentlich, er solle ihn nicht anzeigen, er bezahle ihm, soviel er fordere, und sprach: »Vergräbt sie hier in der Wirtschaft, daß niemand davon erfährt!« Dann gab er dem Alten zwei Wagen voll Gold. Der Alte fuhr nach Hause und war der Reichste im ganzen Lande.


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