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Hans Friedrich Blunck

Märchen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaels

Th. Knaur Nachf. Verlag Berlin


Dummerhans

Es war einmal ein Bursch, der wurde Dummerhans geheißen, weil er bei allem der Letzte blieb, sogar beim Heiraten. Seine beiden Brüder waren längst über Land gefahren und hatten schöne Frauen heimgebracht; Dummerhans allein kam in die Jahre und hatte immer noch nicht die Rechte gefunden. Endlich ging auch er zu seinem Vater und bat ihn um ein Pferd und etwas Geld, um auszureiten und ein Weib zu wählen.

"Wen willst du wohl heiraten?" hieß es. "Wer sollte dich nehmen?

"Ach", antwortete er, "ich weiß noch nicht, wen ich mir suche. Aber so bescheiden wie meine Brüder werde ich nicht sein, unter einer Königstochter tu ich's nicht.

"Gut", lachte der Vater, "dann versuch dein Glück!" Und er gab Dummerhansen etwas Geld auf den Weg und freute sich, daß der Junge auf dem Hof kein Unheil mehr anrichten konnte.

Dummerhans ging also schnurstracks zum König, ließ sich vor ihn führen und sagte, er wolle eine seiner Töchter heiraten, und man möge ihm zeigen, welche die Schönste sei. Er ist aber rasch wieder draußen gewesen; niemals hätte er gedacht, daß hohe Herren so grob und unhöflich sein

Nun erzählt man ja, daß denen, welchen es an Klugheit fehlt, das Glück desto leichter zukommt. Alls Dummerhans sich noch alle Glieder rieb und den Staub vom Rock klopfte, lag da ein Hufeisen gerade unter seinem Sitz, das hob er auf.

Viele Leute haben wohl schon ein Hufeisen aufgehoben, und es gelingt ihnen nichts. Dummerhans hielt es anders. Er wartete nicht mehr auf das Glück, sondern überlegte sich, daß solch Eisen an der richtigen Stelle sitzen müsse, und schlug es sich unter die Hacke. Was meint ihr? Kaum hatte



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er es getan, da spürte er erst, daß er ein rechtes Zauberding gefunden hatte. Er konnte laufen wie ein feuriges Roß, hetzte gleich durch das ganze Königreich und sah sich alle Dörfer und alles Land an, über das er einst regieren wollte.

Einmal kam er dabei auch in Not hauste nämlich in einem Wildwald ein Eber, den die Jäger bisher nicht hatten erlegen können. Alls der unsern Helden so mir nichts, dir nichts durch sein Gehege rennen sah, griff er ihn an und dachte, bald mit ihm fertig zu werden. Dummerhans konnte indes laufen, —noch niemals hat jemand so rasch Reißaus genommen. Hin und her ging es, kreuz und quer. Schließlich aber verlor der Verfolgte den Weg, geriet in ein Dornendickicht und rettete sich in einen hohen Baum.

"Wo hast du nur das Laufen gelernt", fragte der Eber, er hatte doch viel Mühe gehabt, den Burschen zu stellen.

"Das ist ganz einfach, ich habe mir ein Hufeisen untergehauen", erklärte Hans und zeigte oben aus dem Gezweig seinen beschlagenen Schuh.

"Dein Hufeisen möchte ich wohl haben", sagte der Eber. Hor, ich weiß eine goldene Wiege, die werde ich dir verraten wenn du mit mir tauschen willst.

"Abgemacht", schrie der Junge, "und du tust mir nichts mehr an?

"Steig nur getrost herab, wir können Freunde werden. Dann wühlte das Tier die



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Erde auf, ganz nahe dem Baum, auf dem Dummerhans saß, und grub und grub, und richtig; es kam eine riesige Truhe zum Vorschein.

"Gib mir jetzt das Hufeisen", verlangte der Eber.

Das tat Dummerhans denn auch, kletterte vom Baum herab, hob den Deckel der Truhe auf und fand, wie es ihm versprochen war, eine wunderschöne Wiege darin, die war über und über mit Gold beschlagen. Und weil sie ihm nun zu eigen gehörte, nahm der Bursch sie auf den Rücken und ging damit fürbaß. Das Laufen fiel ihm allerdings saurer als vorher.

Auf einmal, nahe einem großen See, rief ihn jemand an. Er war erstaunt, daß man ihn bei Namen kannte, sah alle Bäume hinauf und hinunter, blinzelte in Schilf und Rohr und vergaß auch nicht, sich umzublicken. Da stand eine schöne Frau hinter ihm, die hatte einen feuchten Saum am Kleid. "Ach, Dummerhans, die goldene Wiege könntest du mir schenken."

"Ich denke nicht daran", sagte Dummerhans, "die will doch der jüngsten Prinzessin mitbringen.

"Oh", meinte die Frau aus dem Wasser, "da mußt du dich beeilen! Gerade hat der König ausschelten lassen, die Werber von weit her sollten bis morgen zusammenkommen und sich in allen ritterlichen Künsten miteinander messen. Und wer dem andern über sei, der solle die Prinzessin haben.

"Gut, daß ich's höre", sagte Dummerhans, "da wird es hohe Zeit, daß ich dabei bin. Kannst du mir einen Rat mitgeben?

"Gern", antwortete die Nixe, "gern will ich dir einen Rat geben, lieber Hans. Und wenn du mir die goldene Wiege hier läßt, will ich dir sogar ein Büchslein aus Edelstein mit einer herrlichen Salbe schenken; wen immer du damit berührst, der muß hüpfen und tanzen."

Nun, Dummerhans sah ein, mit der Wiege wäre er wohl noch ein wenig zu früh gekommen. Er nahm also lieber die edelsteinene Büchse mit der Fliegabsalbe und eilte, so rasch er konnte, zum Königsschloß.

Da waren inzwischen schon hohe Werber um die Prinzessin eingetroffen. Am meisten Ruhm aber hatte ein Ritter aus Wallonien gewonnen, der



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hatte manchen Herrn in den Sand geworfen, ritt eben wieder auf seinem Rappen vors Tor und verlangte hochfahrend, daß sich ihm ein anderer stelle.

"Ich bin da", meldete sich Dummerhans und ließ sich Pferd und Lanze bringen. Und er tat an die Spitze der Lanze ein wenig von der Fliegabsalbe, dann sprengte er frischen Mutes gegen den Hochmütigen. Was glaubt ihr? Kaum hatte er ihn berührt, da mußte der Ritter mit einem Hupf über ihn hinweg und schmählich zu Boden.

Nun, diesmal hatte Hans gewonnen, und alles Volk gönnte es dem Fremden, daß er vor einem solchen Tölpel hatte absitzen müssen. Aber da war weiterhin ein Herr aus Caribien, der hatte bisher die beste Musik machen können, dem kam gewiß niemand über. Man führte die beiden also einander zu, und Hans mußte dulden, daß der andere mit Händen und Füßen zugleich auf Kesseln und Trommeln paukte, einen Höllenlärm vollführte und dafür die Königstochter haben wollte. Die Leute am Hof hatten dergleichen noch nicht erlebt und meinten, das sei vielleicht die schönste Kunst, viel schöner als alles, was sie in ihrem eignen Land gehört hatten.

Dummerhans hatte aufmerksam zugesehen, wie der Fremde seine Musik machte, er schnitt sich drei noch dickere Taktstöcke, tauchte sie eben in die Fliegabsalbe und ließ sie über Kessel, Trommeln und Pauken zugleich so fürchterlich tanzen, es schwirrte, polterte und dröhnte durch das ganze Königsschloß von oben bis unten. Da mußten die Leute zugeben, daß er das Lärmen doch besser als sein Nebenbuhler verstünde, und der Musikant aus Caribien war geschlagen; Dummerhans sah sich schon nach der Braut um.

Es waren aber einige hochmütige Schwestern des Königs im Haus, die wollten die Prinzessin durchaus nicht an einen Mann aus dem Volk hergeben. Sie hatten nämlich einen Papagei, der sei, sagten sie, ein verzauberter Prinz aus Indien, dem könne der Werber in seinen Künsten gewiß nicht überkommen.

Der Junge war nicht bange, er wußte nur nicht recht, ob es noch ein guter Wettkampf sei und wie er sich jetzt erweisen sollte. Die hohe Ver



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wandtschaft wünschte indes, daß er's versuchte. Im Anfang, als der Papagei zu schreien begann, brüllte er also dagegen an. Aber die Leute hatten doch ihre Bedenken, sie meinten, der andere könne mehr. Danach flog der Papagei dreimal durch den Königssaal. Auch Dummerhans tat sich ein wenig Fliegabsalbe unter die Achseln, schwang die Arme und flatterte wie ein Rabe. Aber der fremde Vogel konnte schneller mit den Flügeln schlagen, die Leute schüttelten traurig den Kopf. Wenn das ein richtiger Prinz aus Indien märe, dann sei er dem andern über, sagten sie.

Da wurde Dummerhans so zornig, daß er mit Papageien um die Wette kämpfen sollte, er stampfte auf den Boden vor Grimm. Und er vergaß die Spielregeln, griff zum Büchslein mit Fliegabsalbe, betupfte alle Dinge damit, die er erreichen konnte, ließ Thronsessel und Teppiche hochgehen und Lichter und Spiegel schweben und Tische und Stühle dazu. Und er nahm einfach die Königstochter in den Arm, und als die Ritter und Diener ihm zu Leibe wollten, strich er gleich an sieben von ihnen mit seiner Salbe entlang und dann an jedem, der sich weiterhin näherte. Sogar der König bekam davon zu spüren und hüpfte wie ein Spatz; ja, der ganze Saal geriet ins Springen, solchen Zorn hatte Dummerhans auf die Leute.

Aber die Muhmen ließ er am ärgsten tanzen und zappeln, mit den Füßen über die Decke laufen oder verkehrt auf dem Stuhl sitzen und über den Kronleuchter hopsen. Und er setzte ihnen so lange zu, bis alle Menschen laut und schreiend die Wettkämpfe abschwuren und Vater und Mutter und der ganze Hof Hans die Königstochter zusprachen. Da war er endlich zufrieden, wischte jedem einzelnen sorgfältig die Fliegabsalbe wieder fort und tat sie fürsorglich in sein Näpfchen zurück; er war nun einmal ein sparsamer Bursch. Dann versöhnte er sich mit den Leuten, schüttelte jedermann die Hand und befahl, gleich nach seinem Vater und seinen Brüdern zu schicken und eine herrliche Hochzeit zu rüsten. Nur die alten Frauen und ihren Papagei setzte er auf ein Schiff nach Indien; da sollten sie warten, bis ihr Prinz sich entzaubert hätte. Und er hat auch, sosehr die Merbannten ihn baten, an dem Beschluß nichts mehr geändert, solchen Zorn hat er gehabt, daß er mit einem Papagei hatte um die Wette schreien müssen.


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