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Märchen und Sagen


Mit 100 Bildern nach Aquarellen von Ruth Koser-Michaëls


Die schlimme Nachtwache

Es war einmal eine Gastwirtin, die taugte sehr wenig; sie wog falsch, sie maß falsch, sie log und trog. Wer in ihr Haus kam, kam nicht ungerupft wieder heraus. Nach Geld stand all ihr Sinn, um Geld hätte sie dem Bösen ihre Seele verkauft, wenn der sie gemocht hätte.

In dem Hause dieser Wirtin geschah manche Untat, die nicht an den Tag kam. Endlich war das Maß ihrer Sünden voll.

Ein vornehmer Herr kam zugereist, der über Nacht bleiben wollte. Er ass und trank und sagte vor dem Schlafengehen zur Kellnerin: "Es muß



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jemand vor meiner Tür wachen; ich zahle dafür hundert Gulden und mehr. Magst du die verdienen, Kellnerin?

"Nein!" antwortete die Kellnerin. "Zur Nacht schlaf ich, am Tage wach' ich, und abends bin ich müde genug. Ich will's aber meiner Frau sagen, daß die dem Herrn jemand zur Nachtwache anschafft.

"Denkt Euch, Frau!" sprach zur Wirtin die Kellnerin, "der fremde Herr will hundert Gulden und mehr zahlen, wenn jemand vor seiner Tür wacht. Ich hab mich dafür bedankt.

"So?" sagte die Wirtin. "Nun, so gehe du schlafen, ich will schon jemand anschaffen."

Die Wirtin gönnte das Wachtgeld niemand als sich selbst. Sie ging zum Fremden und sagte ihm: "Es ist niemand da, der Euch wachen will; ich muß es schon selbst tun, Ihr müßt aber noch was drauflegen.

"Schon recht, Frau Wirtin! Ich lege noch etwas darauf. Wacht nur fein." — Dann verschloß er sein Zimmer, und die Wirtin blieb draußen auf der Flur und wachte und zählte in Gedanken schon das leicht verdiente viele Geld.

Um Mitternacht war es der Kellnerin, als höre sie ein winselndes Gestöhne auf dem Vorsaal, aber es gruselte ihr darob, und sie blieb hübsch unter ihrer Bettdecke.

Als es Tag war, saß die Frau Wirtin vor des Fremden Tür und hatte einen Beutel voll Geld in der Hand; sie sah aber jämmerlich aus, und mit Entsetzen sah das Gesinde, daß nur die Kleider und die Haut der Wirtin noch da waren. Das andere hatte der Teufel mitgenommen,


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