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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSEND UND EIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BANDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 3

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE VON DEM STROLCH UND DEM KOCH

Ein Strolch sah sich eines schönen Morgens mittellos; da ward die Welt ihm eng, und in seiner Verzweiflung legte er sich nieder zu schlafen und schlief so lange, bis die Sonne ihn stach und der Schaum ihm vor den Mund trat. Nun erhob er sich wieder, mittellos, wie er war, ohne auch nur einen einzigen Dirhem



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zu besitzen. Als er beim Laden eines Garkochs vorbeikam, der seine Töpfe zurechtgestellt hatte, war das Fett gerade ganz klar, und die Gewürze dufteten herrlich. Der Koch aber säuberte nun seine Waage, wusch seine Schüsseln, fegte und besprengte seinen Laden. Da trat der Strolch zu ihm heran, begrüßte ihn und ging in den Laden. Dann sprach er zu dem Koch: ,Wäge mir für einen halben Dirhem Fleisch ab, für einen viertel Dirhem Hirsebrei und für ebensoviel Brot!' Der Koch wägte es ihm ab, und der Strolch ging weiter in den Laden hinein. Als der Koch ihm das Gericht vorgesetzt hatte, begann er zu essen, bis er alles verschlungen hatte; er leckte noch die Schüssel aus, aber dann blieb er ratlos stehen, da er nicht wußte, wie er es wegen der Bezahlung für sein Essen mit dem Koche machen sollte. Er ließ seine Augen überall umherschweifen, und wie er sich so hin und her wandte, sah er plötzlich eine Tonschüssel, die umgekehrt dalag. Er hob sie auf und entdeckte darunter einen frischen Pferdeschwanz, von dem noch das Blut träufelte. Daran erkannte er, daß der Garkoch das Fleisch mit Pferdefleisch fälschte. Als er diese Gemeinheit bemerkte, war er froh, wusch sich die Hände und ging gesenkten Kopfes wieder hinaus. Doch wie der Koch sah, daß er ging, ohne ihn zu bezahlen, rief er: ,Halt, du Schächer, du Hauseinbrecher!' Der Strolch wandte sich nach ihm um und fragte ihn: ,Schreist du mich an und rufst mir solche Worte zu, du Hühnrei du ?' Nun sprang der Koch wütend aus seinem Laden hervor und schrie: ,Was meinst du mit deinen Worten, du Fleisch- und Hirsefresser, du Brot- und Zukostesser? Willst du unbehelligt gehen, als wäre nichts geschehen, und läßt mich mein Geld nicht sehen?' Der Strolch rief: ,Du lügst, du Bastard!' Aber der Koch schrie noch lauter, packte den Mann am Kragen und rief: ,Ihr Muslime, dieser Kerl war heute mein



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erster Kunde; er hat von meiner Speise gegessen und mir nichts bezahlt!' Da umringten die Leute die Streitenden, machten dem Landstreicher Vorwürfe und sprachen zu ihm: ,Bezahl ihm doch den Preis für das, was du gegessen hast!' Aber er sagte: ,Ich habe ihm ja einen Dirhem gegeben, ehe ich den Laden betrat!' Der Koch rief dagegen: ,'Wenn er... ja, alles was ich heute verkaufe, will ich verlieren, wenn er mir etwas gegeben hat, bei dem auch nur die Rede von Geld sein kann! Bei Allah, er hat mir gar nichts gegeben, er hat von meiner Speise gegessen und ist so hinausgegangen, ohne weiteres; nichts hat er mir bezahlt!' Der Strolch wiederholte: ,Ich habe dir doch einen Dirhem gegeben!' Und er beschimpfte den Koch; doch wie der ihm in gleicher Weise erwiderte, versetzte er ihm einen Schlag. Da packten die beiden einander, hielten sich fest und würgten sich. Als die Leute das sahen, traten sie herzu und riefen: ,Was soll diese Prügelei zwischen euch, die hat doch keinen Grund!' Nun rief der Landstreicher: ,Ja, bei Allah, sie hat einen Grund; und mit dem Grunde ist ein Schwanz im Bunde!' Jetzt sprach der Koch: ,Wahrhaftig, bei Allah, du hast mich an dich selbst und an deinen Dirhem erinnert! Ja, ja, bei Gott, er hat mir einen Dirhem gegeben; und es kommt ihm noch ein viertel Dirhem weniger ein achtel zu. Kehr um und nimm das übrige Achtel deines Dirhems in Empfang!' Dem Koch ward nämlich der Grund durch die Nennung des Schwanzes kund. *

Auch ich, o mein Bruder, habe einen Grund für meine Geschichte, den will ich dir erzählen.' Da lachte der Kalif und sagte: ,Bei Allah, das ist ja eine lustige Geschichte! Nun erzähl du mir deine Geschichte und den Grund!' ,Herzlich gern,' erwiderte



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Abu el-Hasan; ,wisse denn, o Beherrscher der Gläubigen', mein Name ist Abu el-Hasan der Schalk. Mein Vater ist gestorben und hat mir großen Reichtum hinterlassen. Den teilte ich in zwei gleiche Hälften: die eine legte ich beiseite, und die andere Hälfte gab ich für die Freunde aus, für die Gefährten und Genossen beim Schmaus und für die Söhne der Kaufleute; mit allen ohne Unterschied zechte ich, und sie zechten mit mir. So ward aber all das Geld auf die Freunde und auf den Verkehr verschwendet, und mir blieb von jenem Teile nichts mehr übrig. Da wandte ich mich an die Gefährten und Zechgenossen, für die ich doch mein Gut ausgegeben hatte, ob sie vielleicht nun für mich sorgen würden. Ich ging zu ihnen und machte bei allen die Runde, aber ich fand bei keinem einzigen von ihnen Hilfe, ja, nicht einer von ihnen wollte auch nur einen Laib Brotes mit mir brechen. Da weinte ich über meine Not und ging zu meiner Mutter und klagte ihr mein Leid. Die sprach zu mir: ,So geht's mit den Freunden; wenn du etwas hast, so kommen sie zu dir und verzehren dein Geld; hast du aber nichts, so schütteln sie dich ab und jagen dich fort in die Welt!' Da holte ich mir die andere Hälfte meines Geldes und schwor mir einen Eid, ich wolle nie mehr länger als eine einzige Nacht mit einem zusammen sein; dann wollte ich seinen Gruß nicht mehr kennen und ihn nicht mehr bei Namen nennen. Das ist der Grund, weshalb ich zu dir sagte: Fern sei es, fürwahr, daß wiederkehre, was vergangen war! Nach dieser Nacht werde ich nie wieder mit dir zusammen sein.' Als der Kalif das hörte, lachte er von neuem laut auf, und er rief: ,Bei Allah, mein Bruder, du bist hierin und zu dieser Stunde entschuldigt, da ich den Grund erfahren habe und



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weiß, daß mit dem Grunde ein Schwanz im Bunde. Trotzdem aber möchte ich mich, so Gott will, nicht von dir trennen.' Doch Abu el-Hasan erwiderte: ,Lieber Gefährte, habe ich dir nicht gesagt: Fern sei es, fürwahr, daß wiederkehre, was vergangen war? Ich bin nie mit jemandem zum zweiten Male zusammen!' Darauf brachte Abu el-Hasan dem Kalifen eine Schüssel gebratener Gans und einen Laib Feinbrot, setzte sich nieder, zerlegte und reichte seinem Gaste die Bissen. Sie aßen so lange, bis sie gesättigt waren; dann brachte der Wirt Becken, Kanne und Pottasche, und sie wuschen sich die Hände. Schließlich aber entzündete er drei Kerzen und drei Leuchten, breitete den Tisch des Weines aus und holte reinen, klaren, alten Wein, der süß duftete wie starker Moschus. Nachdem er den ersten Becher gefüllt hatte, sprach er: ,Lieber Genosse, nun seien mit deiner Erlaubnis die Förmlichkeiten zwischen uns abgetan! Dein Knecht ist bei dir; möge er nie den Schmerz erleben, dich zu verlieren!' Er trank den Becher, füllte einen zweiten und reichte ihn dem Kalifen voll Ehrfurcht. Da sein Tun und die Feinheit dessen, was er sagte, dem Beherrscher der Gläubigen behagte, so sprach er bei sich selber: ,Bei Allah, ich will es ihm vergelten!' Abu el-Hasan füllte wieder den Becher und reichte ilm dem Kaufen; und nachdem jener ihn genommen hatte, sprach der Wirt diese Verse:

Hätten wir dein Kommen geahnt, wir hätten das Blut des Herzens
Und das Schwarze der Augen freudig hingebreitet;
Wir hätten auch unsere Wangen für deinen Empfang gerüstet,
Damit dein Weg dich über die Augenlider geleitet!'

Als der Kalif seine Verse hörte, küßte er den Becher, den er aus seiner Hand entgegengenommen hatte, und trank ihn aus.



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Dann reichte er ihn dem Wirte zurück, der sich verbeugte, wieder füllte und trank. Darauf schenkte er von neuem ein, küßte den Becher dreimal, reichte ihn dem Kalifen hin und sprach die Verse:

Dein Kommen ist uns eine Ehre:
Dazu bekennen wir uns frei.
Gehst du, so gibt's an deiner Stelle
Nicht einen, der Ersatz uns sei!

Nachdem der Kalif den Becher genommen hatte, sprach Abu el-Hasan zu ihm: ,Trink, zum Wohle und zur Gesundheit! Er heilt das Leiden, macht Krankheit scheiden und läßt die Bäche der Genesung strömen.' So tranken sie in frohem Zusammensein bis Mitternacht. Da sprach der Kalif zu ihm: ,Lieber Bruder, hast du in deinem Herzen einen Wunsch, den du erfüllt sehen möchtest, oder einen Kummer, den du gestillt sehen möchtest?' ,Bei Allah,' erwiderte er, ,ich habe nur einen einzigen Kummer im Herzen, und der ist, daß mir nicht die Macht gegeben ist zu befehlen und zu verbieten, um auszuführen, was mir am Herzen liegt!' Da rief der Kalif: ,Rasch, rasch, mein Bruder, sag mir, was dir am Herzen liegt!' Und Abu el-Hasan fuhr fort: ,Ich wünsche zu Gott, daß ich mich an meinen Nachbarn rächen könnte. In unserer Nähe ist nämlich eine Moschee, und in dieser Moschee leben vier Scheiche, die sich belästigt fühlen, wenn ein Gast zu mir kommt; die reden schlecht von mir und kränken mich mit Worten und drohen mir, sie wollten mich bei dem Beherrscher der Gläubigen verklagen, ja, sie haben mich schon viel gequält. Nun wünsche ich mir von Allah dem Erhabenen, nur einen Tag Macht zu haben, auf daß ich einem jeden von ihnen vierhundert Peitschenhiebe verabfolgen könnte, und ebenso dem Imam der Moschee; dann würde ich sie in der Stadt Baghdad



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herumführen und vor ihnen ausrufen lassen: ,Dies ist die Strafe, und zwar die geringste Strafe, für den, der Übles redet und den Menschen feind ist und ihnen ihre Freuden verdirbt!' Dies ist der einzige Wunsch, den ich habe.' Darauf sagte der Kalif: ,Allah gewähre dir, was du wünschest! Nun laß uns noch einen letzten Becher leeren, und danach wollen wir uns erheben, ehe der Morgen anbricht. Am Abend will ich dann wieder bei dir speisen.' ,Das sei ferne!' rief Abu el-Hasan. Der Kalif aber füllte einen Becher, legte ein Stück von kretischem Bendsch hinein und reichte ihn dem Abu el-Hasan mit den Worten: ,Bei meiner Seele, mein Bruder, trink diesen Becher aus meiner Hand!' ,Ja, bei deiner Seele,' gab Abu el-Hasan zurück, ,ich will ihn aus deiner Hand trinken!' Und er nahm ihn hin und trank; kaum aber hatte er den Trank geschlürft, da fiel er kopfüber und sank zu Boden wie einer, der erschlagen ward. Nun ging der Kalif hinaus und sprach zu seinem Diener Masrûr: ,Geh hinein zu dem Jüngling dort, dem Herrn des Hauses, und heb ihn auf; schließ beim Hinausgehen die Tür und bring ihn in den Palast!' Masrûr ging hin und trat hinein, hob Abu el-Hasan auf, schloß die Tür und folgte seinem Herrn; und er trug ilm immer weiter dahin, bis er mit ihm beim Schlosse ankam, als schon die Nacht zu Ende ging und die Hähne zu krähen begannen. Dann trat er, mit Abu el-Hasan auf den Schultern, in den Palast ein und legte den Jüngling vor dem Beherrscher der Gläubigen nieder; der aber lachte seiner. Dann sandte der Kalif nach dem Barmekiden Dscha'far; und als dieser vor ihm stand, sprach der Herrscher zu ihm: ,Merke dir diesen Jüngling, und wenn du ihn morgen siehst, wie er an meiner Stelle, auf dem Throne meiner Herrschaft, sitzt, angetan mit meinem Gewande, so warte ihm auf und befiehl den Emiren, den Großen, den Mannen meiner Herrschaft und den



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Würdenträgern meines Reiches, vor ihm zu dienen und seinen Befehlen zu gehorchen! Und auch du, wenn er dir irgend etwas sagt, tu es, gehorche ihm und widersprich ihm nicht während des kommenden Tages!' Dscha'far beteuerte seinen Gehorsam mit den Worten: ,Ich höre und gehorche!' und zog sich zurück. Dann ging der Kalif zu den Dienerinnen des Palastes hinein, und als die vor ihn traten, sprach er zu ihnen: ,Wenn dieser Schläfer am Morgen aus seinem Schlafe erwacht, so küsset den Boden vor ihm und bedient ihn; schart euch um ihn, kleidet ihn an, tut Dienste vor ihm wie vor dem Kalifen. verleugnet die Würde, die er dann hat, nicht im geringsten, sondern sprecht zu ihm: Du bist der Kalif!' Nachdem er ihnen nochmals eingeschärft hatte, was sie zu ihm sagen und wie sie mit ihm umgehen sollten, begab er sich in ein verstecktes Gemach, ließ einen Vorhang davor nieder und legte sich schlafen.

Sehen wir nun, was mit Abu el-Hasan geschah! Der schlief und schnarchte unentwegt, bis es hell ward und die Sonne dem Aufgang nahe war. Da trat eine Dienerin zu ihm und sprach: ,O unser Herr, das Morgengebet!' Als er die Worte der Dienerin vernahm, begann er zu lachen, machte die Augen auf und ließ seinen Blick im Palast umherschweifen. Und nun sah er sich in einem Saale, dessen Wände mit Gold und Lazur bekleidet waren und dessen Decke mit Sternen aus rotem Gold verziert war. Ringsum waren Kammern, vor deren Türen Vorhänge aus goldgestickter Seide herabgelassen waren; und überall standen Geräte aus Gold, Porzellan und Kristall. Decken und Teppiche waren ausgebreitet, die Lampen brannten, Kammerfrauen, Eunuchen, Mamluken, Diener, Pagen, Sklavinnen und Knaben standen umher. Da ward Abu el-Hasan wirr in seinem Sinn, und er rief aus: ,Bei Allah, entweder ich



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träume, oder dies ist das Paradies und die Stätte des Friedens!' Und sogleich schloß er die Augen wieder und wollte weiterschlafen. Aber der Eunuch sprach zu ihm: ,Mein Gebieter, das ist nicht deine Gewohnheit, o Beherrscher der Gläubigen.' Darauf kamen all die Sklavinnen des Palastes insgesamt zu ihm und richteten ihn empor, so daß er aufrecht saß, und er entdeckte, daß er sich auf einem Ruhelager befand, das eine Elle über den Boden erhöht und ganz mit Flockseide gestopft war. Dann stützten sie ihn in seinem Sitze mit Kissen, und er blickte wieder in den Saal und sah, wie groß der war, und wie jene Eunuchen und Sklavinnen dienstbereit vor ihm und zu seinen Häupten standen. Da lachte er über sich selbst und rief: ,Bei Allah, mir ist nicht, als ob ich wache, und mir ist auch nicht, als ob ich träume!' Darauf erhob er sich und setzte sich wieder, während die Sklavinnen insgeheim über ihn lachten. Nun war er ganz ratlos und biß sich in den Finger'; aber da ihm das weh tat, so schrie er und wurde ärgerlich. Der Kalif, der ihm zusah, ohne daß jener ihn sehen konnte, fing an zu lachen. Da wandte Abu el-Hasan sich nach einer Sklavin um und rief sie; als sie kam, sprach er zu ihr: ,Beim Schutze Allahs, Mädchen, bin ich der Beherrscher der Gläubigen?' ,Ja, wahrlich,' erwiderte sie, ,beim Schutze Allahs, du bist jetzt der Beherrscher der Gläubigen!' Aber er fuhr sie an: ,Du lügst, bei Allah, du tausendfache Metze!' Dann sah er sich nach dem Obereunuchen um und rief ihn; der kam, küßte den Boden vor ihm und sprach: ,Zu Diensten, o Beherrscher der Gläubigen!' Abu el-Hasan fragte im: ,Wer ist denn hier der Beherrscher der Gläubigen?' Der Eunuch erwiderte: ,Du bist es!' Doch Abu el-Hasan fuhr auch im an: ,Du lügst, du tausendfacher



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Lump!' Danach wandte er sich an einen anderen Eunuchen und sprach zu ihm: ,Meister, beim Schutze Allahs, bin ich der Beherrscher der Gläubigen?' ,Ja, bei Allah,' gab der zur Antwort, ,du bist jetzt der Beherrscher der Gläubigen und der Statthalter des Herrn der Welten!' Wiederum mußte Abu el-Hasan über sich lachen; er verzweifelte fast an seinem Verstande, und verwirrt über das, was er erlebte, rief er: ,Kannich in einer einzigen Nacht zum Beherrscher der Gläubigen werden? War ich nicht gestern noch Abu el-Hasan? Und heute bin ich der Beherrscher der Gläubigen!' Der Obereunuch trat von neuem auf ilm zu und sprach: ,O Beherrscher der Gläubigen, Allahs Name umschirme dich, du bist wirklich der Fürst der Gläubigen und der Statthalter des Herrn der Welten!' Die Sklavinnen und Eunuchen standen um ihn, während er sich noch immer über sich selbst wunderte; und nun brachte ein Mamluk ihm Sandalen, die mit Rohseide und grüner Seide bedeckt und mit rotem Golde verziert waren. Abu el-Hasan nahm sie und steckte sie in seinen Ärmel; aber der Mamluk rief: ,O Gott! O Gott! Herr, das sind ja Sandalen, in die du mit deinen Füßen treten sollst, damit du ins Kämmerlein gehen kannst!' Da schämte Abu el-Hasan sich, schüttelte die Sandalen aus seinem Ärmel heraus und zog sie über seine Füße, während der Kalif sich fast zu Tode lachte. Der Mamluk schritt nun vorauf zum stillen Orte; Abu el-Hasan ging hinein, verrichtete sein Geschäft und kehrte in den Saal zurück. Dort brachten die Sklavinnen ihm ein goldenes Becken und eine silberne Kanne, und sie gossen ihm das Wasser über die Hände, so daß er die religiöse Waschung vollziehen konnte. Dann breiteten sie einen Gebetsteppich für ihn aus, und er begann, die Andacht zu verrichten. Aber er wußte gar nicht, wie er betete, und so fing er an, sich zu verbeugen und niederzuwerfen, bis



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er zwanzig Rak'as' gebetet hatte. Dabei sagte er sich immer in Gedanken: ,Bei Allah, ich bin wahrhaftig der Beherrscher der Gläubigen; sonst -dies kann doch kein Traum sein, im Traume geschehen doch alle diese Dinge nicht!' So ward er denn im Innern fest überzeugt, daß er der Beherrscher der Gläubigen wäre, und beendete sein Gebet. Dann umringten ihn die Mamluken und Sklavinnen mit zusammengelegten Gewändern aus Seide und Linnen, legten ihm die Gewandung des Kaufen an und gaben ihm das Kurzschwert in die Hand. Darauf schritt der Obereunuch vor ihm her, die kleinen Mainluken folgten ihm, und der Zug bewegte sich vorwärts, bis der Vorhang gehoben wurde, und er sich dort im Palaste, in der Kegierungshalle auf den Kalifenthron setzte. Da sah er die Vorhänge und die vierzig Türen, ferner die Hofmänner ei Idschli, er-Rakâschi, 'Abdân', Dschadîm und Abu Ishâk den Tischgenossen. Und weiter erblickte er Schwerter gezückt, Helme auf die Häupter gedrückt', Degen mit Gold überzogen und prächtig verzierte Bogen, Perser und Araber, Türken und Dailamiten, Völker aus allen Gebieten, Emire und Wesire, Krieger und Offiziere, die Würdenträger der Reichesmacht, Männer in Herrscherpracht, ja, da zeigte sich ihm der Abbasiden gewaltige Herrlichkeit und des Prophetenhauses ehrfurchtgebietende Erhabenheit. Nun saß er also auf dem Kalifen thron und legte das Kurzschwert auf seinen Schoß; und alle nahten ihm, küßten den Boden vor ihm und flehten zum Himmel um ein langes Leben für ihn und um das Bestehen seiner Herrschaft. Da trat der Barmekide Dscha'far vor, küßte den Boden und sprach: ,Allahs weite Welt sei der Grund für



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die Füße dein, das Paradies möge deine Wohnstatt sein, doch dein Feind kehre in die Hölle ein! Kein Nachbar möge sich wider dich erheben, mögest du immer im Feuerstrahlenscheine leben, o Kalif der Städte von Gottes Gnaden und Herrscher an allen Gestaden!' Abu el-Hasan aber schrie ilm an: ,Du Barmekidenhund, geh sogleich mit dem Wachthauptmann der Stadt zu dem und dem Hause in der und der Straße und überreiche der Mutter Abu el-Hasans des Schalkes hundert Dinare und entbiete ihr meinen Gruß. Dann laß die vier Scheiche und den Imam ergreifen und einem jeden von ihnen vierhundert Peitschenhiebe geben, setze sie rücklings auf Esel und fuhre sie in der ganzen Stadt umher und entferne sie aus dieser Stadt; dabei sollst du durch einen Ausrufer verkünden lassen: ,Dies ist die Strafe, und zwar die geringste Strafe, für den, der Übles redet und seine Nachbarn belästigt und ihnen ihre Freude, ihr Essen und Trinken verkürzen will!' Dscha'far nahm den Befehl entgegen und beteuerte seinen Gehorsam, dann verließ er Abu el-Hasan den Schalk, ging in die Stadt hinab und führte den Befehl aus. Derweilen saß Abu el-Hasan auf dem Kalifenthrone, nahm und gab, gebot und verbot und ließ seine Worte ausführen, bis der Tag zur Rüste ging. Dann gab er Urlaub und Erlaubnis, sich zurückzuziehen, und die Emire und Großen des Reiches gingen an ihre Geschäfte. Darauf traten die Diener zu ihm ein, flehten zum Himmel um Bestand und langes Leben für ihn und schritten in seinem Dienste vor ihm her; nachdem sie den Vorhang emporgehoben hatten, trat er in die Halle des Harems ein, und er fand dort angezündete Kerzen und brennende Leuchten und Sängerinnen, die ihre Lauten schlugen. 'Wiederum ward sein Verstand wie verwirrt; doch er sagte sich: ,Ich bin, bei Allah, wahrhaftig der Beherrscher der Gläubigen!' Als er näher kam, erhoben sich die Mädchen



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vor ihm und führten ilm auf die Estrade hinauf; dort setzten sie ihm einen großen Tisch mit den prächtigsten Speisen vor, und er aß davon mit aller Macht und Gewalt, bis er gesättigt war. Nun rief er eine der Sklavinnen und fragte sie: ,Wie heißest du?' ,Mein Name ist Miska', erwiderte sie. Dann fragte er eine andere: ,Wie heißest du?' und sie antwortete: ,Ich heiße Tarka.' Und weiter fragte er eine dritte: ,Wie heißest du?' Diese erwiderte: ,Mein Name ist Tuhfa."Und so fragte er alle Sklavinnen nach ihren Namen, eine nach der anderen. Danach ging er aus dieser Halle fort, begab sich ins Trinkgemach und entdeckte in ihm einen herrlichen Ort; er sah zehn große Tafeln mit allerlei Früchten und Köstlichkeiten und vielen Arten von Süßigkeiten. So setzte er sich denn dort nieder und aß davon. soviel er vermochte; und als er dann drei Scharen von Sängerinnen erblickte, erstaunte er und ließ auch sie essen. Danach setzte er sich abseits, und auch die Sängerinnen ließen sich nieder, während die Sklavinnen, Mamluken, Eunuchen, Diener, Pagen und Kammerfrauen teils auf dem Boden saßen und teils aufrecht vor ihm standen. Nun begannen die Sängerinnen zu singen und ließen vielerlei Weisen erklingen, so daß der Raum widerhallte von dem lieblichen Klang, der dort erschallte: die Flöten klagten und einten sich mit den Lauten dort, so daß Abu el-Hasan nun wähnte, er sei am Paradiesesort. Da ward sein Herz wohlgemut und voller Fröhlichkeit, er scherzte und schwamm in Seligkeit; und er verlieh den Mädchen Ehrengewänder, verteilte Gaben und Geschenke, rief der einen zu, küßte die andere, scherzte mit dieser, gab jener zu trinken, einer dritten zu essen, bis es tiefe Nacht war. All das geschah, während der Kalif ihm zuschaute und lachte.



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Doch als nun die finstere Nacht gekommen war, befahl der Kalif einer von jenen Sklavinnen, ein Stück Bendsch in den Becher zu tun und ihn Abu el-Hasan zu trinken zu geben. Die Sklavin führte den Befehl aus und reichte dem Schalke den Becher; kaum aber hatte er ihn getrunken, so stürzte er kopfüber zu Boden. Da trat der Kalif lachend hinter dem Vorhang hervor und rief dem Diener, der Abu el-Hasan gebracht hatte, zu: ,Trag diesen Mann in sein Haus!' Der Diener trug ihn darauf in seine Wohnhalle und legte ihn dort nieder; dann verließ er ihn, schloß die Tür des Saales hinter ihm zu und kehrte zum Kalifen heim, der nunmehr bis zum Morgen schlief.

Abu el-Hasan aber blieb in tiefem Schlummer liegen, bis Allah der Erhabene den Morgen anbrechen ließ. Dann wachte er auf und begann zu rufen: ,Tuff'âha! Rihat el-Kulûb!' Miska! Tuhfa!' So rief er in einem fort nach den Sklavinnen. bis seine Mutter hörte, daß er nach fremden Mädchen rief; und sie erhob sich, ging zu ihm hin und sprach zu ihm: ,Der Name Allahs umschirme dich! Steh auf, mein Sohn. Abu el-Hasan, du träumst!' Da machte er die Augen auf, und als er eine alte Frau zu seinen Häupten erblickte, schaute er sie groß an und fragte sie: ,Wer bist du?' ,Ich bin deine Mutter', gab sie ihm zur Antwort. Doch er rief: ,Du lügst! Ich bin der Beherrscher der Gläubigen, der Statthalter Allahs!' Da schrie seine Mutter auf und rief: ,Gott schütze deinen Verstand, mein Sohn! Schweig, setze unser Leben nicht dem Tode, deine Habe nicht der Plünderung aus, wenn jemand diese Worte hört und sie dem Kalifen hinterbringt!' Nun erhob er sich aus seinem Schlafe, und als er seine Mutter und sich in seiner eigenen Halle sah, ward er an sich irre und rief: ,Bei Allah, liebe Mutter, ich habe mich im Traume in einem Palast gesehen,



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und da standen die Sklavinnen und Mamluken um mich und warteten mir auf; und ich saß auf dem Kalifenthron und regierte. Bei Allah, Mutter, das habe ich erlebt, das kann doch wahrlich nicht im Traum geschehen sein!' Darauf sann er eine Weile über sich selbst nach und sprach: ,Richtig, ich bin Abu el-Hasan der Schalk, und was ich erlebt habe, ist doch im Traum geschehen, wie ich zum Kaufen gemacht wurde und regierte und gebot und verbot.' Aber dann dachte er wieder nach und sprach: ,Nein, es war sicher doch kein Traum; ich bin niemand anders als der Kalif; ich habe doch auch Geschenke ausgeteilt und Ehrenkleider verliehen.' Seine Mutter jedoch hub an: ,Mein Sohn, du treibst ein Spiel mit deinem Verstande; du wirst noch ins Irrenhaus kommen und zum Gespötte werden! Was du erlebt hast, kommt nur vom Satan; das sind Irrgänge von Träumen. Der Satan spielt oft mit dem Verstande des Menschen auf mancherlei Arten.' Und dann fuhr sie fort: ,Mein Sohn, war gestern nacht jemand bei dir?' Abu el-Hasan überlegte und sagte darauf: ,Ja, einer verbrachte die Nacht bei mir, und ich erzählte ihm von mir und machte ilm mit meiner Geschichte bekannt. Das ist sicher ein Satan gewesen. Ich aber, liebe Mutter, ich bin, wie du richtig gesagt hast, Abu el-Hasan der Schalk.' ,Lieber Sohn,' rief nun die Mutter, ,lauter frohe Botschaft für dich! Wisse, gestern kam der Wesir Dscha'far der Barmekide, und er ließ den Scheichen und dem Imam der Moschee je fünfhundert Peitschenhiebe geben und ließ sie herumführen und aus der Stadt fortjagen und vor ihnen ausrufen: ,Dies ist die Strafe, und zwar die geringste Strafe, für den, der sich gegen seine Nachbarn schlecht aufführt und ihnen das Leben schwer macht.' Ferner sandte der Kalif mir hundert Dinare durch ihn und entbot mir seinen Gruß.' Da aber schrie Abu el-Hasan: ,Ha, du Unglücksalte, du



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willst mir widersprechen und vor mir behaupten, ich sei nicht der Beherrscher der Gläubigen? Ich bin's doch, ich, der dem Barmekiden Dscha'far befohlen hat, die Scheiche peitschen und in der Stadt umherführen und den Ausruf vor ihnen verkünden zulassen. Ich bin's, der dir die hundert Dinare geschickt hat und dir den Gruß hat entbieten lassen. Ich bin in Wirklichkeit der Beherrscher der Gläubigen, du Unglücksalte; du aber bist eine Lügnerin, und du hast mich zum Narren gehalten.' Mit diesen Worten erhob er sich wider seine Mutter und schlug sie mit einem Stabe aus Mandelholz, so daß sie rief: ,Zu Hilfe, ihr Muslime!' während er immer heftiger auf sie einhieb, bis die Leute ihr Schreien hörten; da kamen sie herbei und sahen. daß Abu el-Hasan seine Mutter schlug, indem er dabei rief: ,Du unselige Alte, bin ich nicht der Beherrscher der Gläubigen? Du hast mich verzaubert!' Als die Leute das hörten, sagten sie: ,Der Mann ist verrückt', und sie zweifelten nicht daran, daß er wahnsinnig sei. Deshalb fielen sie über ilm her, ergriffen ihn und fesselten ihm die Hände auf dem Rücken und brachten ihn ins Irrenhaus. Da fragte der Aufseher: ,Was ist's mit diesem Jünglinge' Die Leute erwiderten: ,Der ist verrückt!' Doch Abu el-Hasan rief: ,Bei Allah, sie lügen von mir; ich bin nicht verrückt, sondern ich bin der Beherrscher der Gläubigen!' Nun fuhr der Aufseher ihn an: ,Wer da lügt, das bist allein du, du unseligster der Narren!' Darauf zog er ihm seine Kleider aus, legte ihm eine schwere Kette um den Hals und band ihn an ein hohes Fenster, und von da an vollzog er an ihm zweimal am Tage und zweimal in der Nacht die Prügelstrafe. So blieb es zehn Tage lang. Da kam seine Mutter zu ihm und sprach zu ihm: ,Mein Sohn, mein Abu el-Hasan, nimm doch wieder Verstand an: dies ist ja ein Werk des Satans!' ,Du hast recht, liebe Mutter,' erwiderte Abu el-Hasan



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ihr, ,sei du nun mein Zeuge, daß ich dies Geschwätz bereue und daß ich von meinem Wahnsinn geheilt bin! Befreie mich; denn ich bin dem Tode nahe!' Seine Mutter ging also zu dem Aufseher und erwirkte, daß er befreit wurde; und nun konnte er mit ihr nach Hause gehen.

Das war zu Anfang des Monats geschehen; doch als der Monat zu Ende ging, sehnte Abu el-Hasan sich danach, Wein zu trinken, und so kehrte er zu seiner alten Gewohnheit zurück, ließ seinen Saal herrichten, Speisen bereiten und Wein herbeischaffen und ging wieder zu der Brücke. Wie er dort saß und auf jemand wartete, mit dem er wie früher zechen konnte, kam plötzlich der Kalif an ihm vorbei. Allein Abu el-Hasan grüßte ihn nicht, sondern rief: ,Kein Willkommen, kein Gruß den bösen Feinden! Ihr seid nichts anderes als Satane!' Da trat der Kalif auf ihn zu und sprach zu ihm: ,Lieber Bruder, habe ich dir nicht gesagt, ich würde wieder zu dir kommen?' Doch Abu el-Hasan erwiderte: ,Ich brauche dich nicht; denn das Sprichwort sagt:

Ein schöner Glück ist's mir, vom Freunde mich zu trennen;
Dann wird das Aug nicht schaun, das Herz kein Trauern kennen.

Wahrlich, mein Bruder, in der Nacht, als du zu mir gekommen warst und als wir beide, ich und du, mitsammen zechten, da war es, als sei der Teufel zu mir gekommen und flüstere mir Unheil ein!' ,Wer war denn der Teufel?' fragte der Kalif, und als Abu el-Hasan rief: ,Du!' begann er zu lächeln, setzte sich zu ihm und redete ihm freundlich zu, indem er sprach: ,Lieber Bruder, als ich dich verließ, da vergaß ich, daß die Tür offen blieb; vielleicht ist Satan durch sie zu dir gekommen.' Darauf entgegnete ihm Abu el-Hasan: ,Frage nicht nach dem, was mir widerfahren ist! Was fiel dir denn ein, die Tür offen zu lassen, sodaß der Satan zu mir eindringen konnte und mir von



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ihm das und das geschehen mußte?' Und nun erzählte Abu el-Hasan der Schalk dem Kalifen alles, was ihm begegnet war, von Anfang bis zu Ende -doch hier noch einmal zu erzählen, würde die Hörer nur quälen. Der Kalif mußte lächeln; aber er verbarg sein Lächeln. Dann sprach er zu Abu el-Hasan: ,Preis sei Allah, der das Widerwärtige von dir abgetan hat, so daß ich dich nun wieder wohlauf sehe!' Abu el-Hasan aber fuhr fort: ,Ich will dich nicht wieder zu meinem Tischgenossen und trauten Gefährten machen; denn das Sprichwort sagt: Wer über einen Stein stolpert und doch wieder zurück zu ihm kehrt, dem werden Tadel und Vorwürfe beschert. Also, lieber Bruder. ich werde dich nicht wieder bewirten und werde keine Gemeinschaft mehr mit dir haben; denn ich habe gesehen, daß dein Besuch nichts Gutes im Gefolge hatte!' Da suchte der Kalif ihn zu besänftigen, beschwor ihn und wiederholte: ,Ich bin doch dein Gast; weise den Gast nicht ab!' So nahm Abu el-Hasan ilm denn endlich mit, führte ilm in den Saal, setzte ihm Speisen vor und unterhielt ihn mit freundlichen Worten; dabei erzählte er ihm noch einmal alles, was er erlebt hatte, und der Kalif konnte sein Lachen kaum verbergen. Dann machte Abu el-Hasan den Speisetisch frei und holte den Tisch des Weines herbei, füllte einen Becher, küßte ihn dreimal und reichte ihn dem Kalifen mit den Worten: ,Lieber Zechgenosse, ich, dein Knecht, stelle vor dir; nimm kein Ärgernis an dem, was ich dir sagen will; fühle dich nicht verletzt und verletze mich nicht!' Und er sprach diese Verse:

Hör guten Rates Wort: das Leben wird zur Last,
Wenn du nicht trunken wirst und kein Vergnügen hast!
Ich trinke immerdar, wenn dunkle Nacht sich regt,
Bis Schlummer mir das Haupt auf meinen Becher legt.



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Im Wein ist meine Lust gleich heller Sonne Strahl,
Und er vertreibt durch Freuden die Sorgen allzumal.

Als der Kalif sein Gedicht mit den schönen Versen vernommen hatte, war er ganz entzückt davon, nahm den Becher und trank ilm; und dann tranken und plauderten die beiden so lange miteinander, bis ihnen der Wein zu Kopfe stieg. Da sprach Abu el-Hasan zum Kalifen: ,Lieber Zechgenosse, ich bin wirklich irre an mir selber. Es ist mir doch so, als ob ich der Beherrscher der Gläubigen gewesen wäre und regiert und Gaben und Geschenke verteilt hätte. Wahrhaftig, mein Bruder, das kann doch kein Traum gewesen sein!' ,Das waren Irrgänge von Träumen', erwiderte der Kalif, zerbröckelte ein Stück Bendsch in den Becher und rief: ,Bei meinem Leben, trink diesen Becher!' Da sagte Abu el-Hasan: ,Gern will ich ihn aus deiner Hand trinken!' nahm den Becher aus der Hand des Kalifen und trank ihn aus. Der Kalife hatte Gefallen an seinem Tun und Wesen, an seiner trefflichen Sinnesart und seiner Offenheit, und so sprach er bei sich: ,Den will ich zu meinem Tischgenossen und meinem Trautgesell machen!' Abu el-Hasan aber hatte kaum den Becher getrunken und den Rauschtrank in seinen Magen aufgenommen, da sank er schon kopfüber zu Boden. Sofort erhob der Kalif sich und rief dem Diener zu: ,Nimm ihn auf!' Der brachte ihn in den Kalifenpalast und legte ihn dort vor dem Herrscher nieder. Darauf gab der Kalif Befehl, die Sklavinnen und die Mamluken sollten den Schläfer umringen, während er sich selbst an einem Orte verbarg, an dem Abu el-Hasan ihn nicht sehen konnte. Ferner befahl er, eine der Sklavinnen sollte ihre Laute zur Hand nehmen und sie zu Häupten des Schalkes schlagen, und die übrigen Sklavinnen sollten ihre Instrumente spielen; und so spielten sie alle, bis Abu el-Hasan gegen Ende der Nacht erwachte.



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Als er nun den Klang der Laute und der Schellen und den Schall der Flöten und den Gesang der Sklavinnen hörte, machte er die Augen weit auf und sah sich mit einem Male wieder in dem Palaste, wo die Dienerinnen und Eunuchen um ihn standen. Da rief er: ,Es gibt keine Macht und es gibt keine Majestät außer bei Allah dem Erhabenen und Allmächtigen! Ich habe Angst vor dem Irrenhaus und vor dem, was ich dort das erste Mal ausgestanden habe; ich weiß jetzt nicht, ob nicht der Satan wieder wie damals zu mir gekommen ist. O Allah, lasse den Satan zuschanden werden!' Dann machte er die Augen wieder zu und legte seinen Kopf an die Brust; aber er mußte doch etwas lachen, und so hob er seinen Kopf wieder und sah den erleuchteten Saal und die singenden Sklavinnen. Einer von den Eunuchen setzte sich ihm zu Häupten und sprach zu ihm: ,Richte dich auf, o Beherrscher der Gläubigen, und schau auf deinen Palast und deine Sklavinnen!' Abu el-Hasan erwiderte ihm: ,Beim Schutze Allahs, bin ich in Wahrheit der Beherrscher der Gläubigen? Lügt ihr nicht? Gestern bin ich doch nicht hinausgegangen, um zu regieren, sondern ich habe getrunken und geschlafen; und nun kommt dieser Eunuch und heißt mich aufstehen!' Mit diesen Worten richtete Abu el-Hasan sich auf; dann begann er über alles, was er mit seiner Mutter erlebt hatte, nachzudenken, wie er sie geschlagen hatte und wie er ins Irrenhaus gekommen war; er sah auch noch die Spuren der Schläge, die der Aufseher des Irrenhauses ihm versetzt hatte. Er war ganz irre an sich selbst; und wie er von neuem bei sich nachsann, sagte er: ,Bei Allah, ich weiß wirklich nicht, was es mit mir auf sich hat und was über mich gekommen ist!' Dann wandte er sich an eine der Sklavinnen und fragte sie: ,Wer bin ich?' Sie gab zur Antwort: ,Der Beherrscher der Gläubigen.' Doch er rief: ,Du lügst, Unselige! Wenn



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ich der Beherrscher der Gläubigen bin, so beiß mich in den Finger!' Da trat das Mädchen heran und biß ihn heftig in den Finger. ,Das genügt', sprach er; dann fragte er den Obereunuchen: ,Wer bin ich?' ,Du bist der Beherrscher der Gläubigen', antwortete der. Abu el-Hasan aber ließ ihn stehen und versank wieder in Verwirrung und Darauf wandte er sich an einen kleinen Mamluken, befahl ihm: ,Beiß mich ins Ohr!' neigte den Kopf zu ihm herunter und legte ihm sein Ohr in den Mund. Der Mamluk war noch jung und unverständig, und er schlug seine Zähne mit aller Macht in Abu el-Hasans Ohr, so daß er es ihm beinahe abbiß. Auch verstand der Mamluk nicht richtig Arabisch, und sooft Abu el-Hasan sagte ,Genug!' glaubte er, das hieße: ,Beiß zu!' Darum biß er immer kräftiger und knirschte mit den Zähnen auf dem Ohre. Die Sklavinnen aber, die nur die Sängerinnen hörten, achteten seiner nicht, obgleich er rief, man solle ihn von dem Mamluken befreien. Da fiel der Kalif vor Lachen in Ohnmacht. Schließlich versetzte Abu el-Hasan dem Mamluken einen Schlag, so daß er das Ohr fahren ließ. Als nun der Mamluk endlich losgelassen hatte, zog Abu el-Hasan seine Kleider aus und stand nackten Leibes, vorn und hinten, zwischen den Sklavinnen, und begann zu tanzen; da banden sie ihm die Hände fest, er aber tollte zwischen ihnen umher, vorn und hinten unbedeckt, während die Mädchen sich fast zu Tode lachten; und der Kalif ward durch das viele Lachen wiederum ohnmächtig. Und als er wieder zu sich kam, trat er plötzlich hervor und rief: ,Weh dir, Abu el-Hasan, du bringst mich vor Lachen um!' Der aber blickte ihn an, und als er ihn erkannte, rief er: ,Bei Allah, du hast mich umgebracht, du hast meine Mutter umgebracht, du hast die Scheiche umgebracht, du hast den Imam der Moschee umgebracht!'



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Doch nun erwies der Kalif ihm seine Gunst. beschenkte ihn. vermählte ihn und ließ ihn bei sich im Palaste wohnen, ja, er nahm ihn unter seine vertrautesten Gefährten auf und machte ihn zum Ersten unter ihnen. Es waren nämlich zehn Tischgenossen dort, und der Kalif setzte ihn über die zehn; das waren el-'Idschli, er-Rakâschi, 'Abdân, Hasan, el-Farazdak, el-Lauz, el-Askar, 'Omar et-Tartîs, Abu Nuwâs, Abu Ishâk der Zechgenosse. Zu ihnen kam nun Abu el-Hasan der Schalk. Und ein jeder von ihnen hat eine besondere Geschichte, die in einem anderen Buche erzählt ist.

Abu el-Hasan aber stand beim Kaufen hoch in Gunst und Vertrauen, höher als alle anderen, so daß er gar bei ihm und bei der Herrin Zubaida Hint el-Kâsim sitzen durfte; deren Schatzmeisterin, Nuzhat el-Fuâd' geheißen, war seine Gemahlin geworden. Und Abu el-Hasan der Schalk lebte mit ihr zusammen, aß und trank und hatte ein herrliches Leben, bis alles, was sie besaßen, dahin war. Da rief er sie: ,Du, Nuzhat el-Fuâd!' ,Zu Diensten!' erwiderte sie; und er fuhr fort: ,Ich will dem Kalifen einen Streich spielen, und du sollst der Herrin Zubaida auch einen Streich spielen, und dadurch wollen wir ihnen alsbald zweihundert Dinare und zwei Stücke Seide abnehmen.' ,Tu, wie du willst,' gab sie ihm zur Antwort, ,doch sag, was willst du tun?' Er berichtete nun: ,Wir wollen uns zum Schein gegenseitig tot stellen. Ich will mich zuerst tot stellen und mich auf dem Boden ausstrecken; dann breite du ein seidenes Tuch über mich, löse meinen Turban auf, binde mir damit die Zehen zusammen und lege mir ein Messer und ein wenig Salz aufs Herz. Dann löse dein Haar auf, geh zu



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deiner Herrin Zubaida, mit zerrissenem Kleid und zerschlagenem Gesicht, und schrei laut! Wenn sie dich dann fragt: ,Was ist dir?', so antworte ihr: ,Möge dein Haupt Abu Hasan den Schalk überleben! Er ist tot.' Sie wird um mich trauern und weinen und ihrer Schatzmeisterin befehlen, dir hundert Dinare und ein Stück Seide zu geben, und zu dir sagen: ,Geh hin, bahre ihn auf und laß ihn forttragen!' Du nimm die hundert Dinare und das Stück Seide und komm zurück. Wenn du dann bei mir bist, so leg du dich an meine Stelle, während ich zum Kaufen gehe und zu ihm sage: ,Möge dein Haupt Nuzhat el-Fuâd überleben!' Dabei will ich mein Gewand zerreißen und den Bart raufen. Dann wird er um dich trauern und zu seinem Schatzmeister sagen: ,Gib Abu el-Hasan hundert Dinare und ein Stück Seide!' Und zu mir wird er sprechen: ,Geh hin, bahre sie auf und laß sie forttragen!' Danach komme ich wieder zu dir.' Erfreut rief Nuzhat el-Fuâd: ,Richtig! Dieser Streich ist vortrefffich.' Darauf schloß sie ihm die Augen, band ihm die Zehen zusammen und bedeckte ihn mit dem Tuch und tat alles, was ihr Herr ihr gesagt hatte. Dann zerriß sie ihr Gewand, entblößte ihr Haupt, löste ihre Haare auf und trat zur Herrin Zubaida ein, schreiend und weinend. Als die Herrin sie in diesem Zustand sah, fragte sie: ,Was bedeutet das? Was ist es mit dir? Warum weinest du?' Sie antwortete, indem sie weinte und klagte: ,Meine Herrin, möge dein Haupt am Leben bleiben, mögest du Abu el-Hasan den Schalk überdauern! Er ist tot.' Da war die Herrin Zubaida traurig um ihn, und sie sprach: ,Ach, der arme Schalk Abu el-Hasan!' Und nachdem sie eine Weile um ihn geweint hatte, befahl sie ihrer Schatzmeisterin, Nuzhat el-Fuâd hundert Dinare und ein Stück Seide zu geben, und sprach dann: ,Nuzhat el-Fuâd, geh hin, bahre ihn auf und laß ihn forttragen!' Jene nahm die hundert Dinare



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und das Stück Seide, ging erfreut zu ihrer Wohnung zurück, trat zu Abu el-Hasan ein und erzählte ihm, wie es ihr ergangen war. Da sprang er voller Freuden auf, gürtete sich den Leib und begann zu tanzen; und er nahm das Geld und die Seide und legte sie beiseite. Danach bahrte er Nuzhat el-Fuâd auf und tat mit ihr, wie sie mit ihm getan hatte. Und er zerriß sein Gewand, raufte sich den Bart, löste seinen Turban auf und lief eilends zum Kalifen, der in der Regierungshalle saß; dort stand nun der Schalk elend zugerichtet, wie er war, und schlug sich auf die Brust. Da rief der Kalif: ,Was ist dir, Abu ei-Hasan?' Weinend erwiderte der Schalk: ,O hätte dein Tischgenosse nie gelebt! O wäre diese Stunde nie gekommen!' ,Erzähle mir!' befahl der Kalif; und Abu el-Hasan antwortete: ,Möge dein Haupt, mein Gebieter, Nuzhat el-Fuâd überleben!' Da sprach der Kalif: ,Es gibt keinen Gott außer Allah!' und schlug die Hände zusammen. Dann aber begann er Abu el-Hasan zu trösten und sprach zu ihm: ,Sei nicht traurig! Ich will dir eine andere Gefährtin geben.' Und er befahl dem Schatzmeister, ihm hundert Dinare und ein Stück Seide zu geben. Nachdem der Schatzmeister den Befehl ausgeführt hatte, sagte Harûn er-Raschîd zu dem Schalk: ,Geh hin, bahre sie auf, laß sie forttragen und richte ihr ein schönes Begräbnis!' Abu el-Hasan aber nahm die Gaben des Herrschers und ging erfreut zu seiner Wohnung, trat zu Nuzhat el-Fuâd ein und sprach zu ihr: ,Steh auf, unser Ziel ist erreicht!' Da stand sie auf; und er legte die hundert Dinare und das Stück Seide vor sie hin, ihr zur Freude. Dann taten sie Gold zu Gold und Seide zu Seide, setzten sich und plauderten miteinander und lachten sich zu.

Sehen wir nun, was der Kalif tat! Als Abu el-Hasan ihn verlassen hatte und hingegangen war, gleichsam um Nuzhat el-Fuâd



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aufzubahren, da ward der Herrscher traurig um sie, und er entließ die Staatsversammlung. Dann erhob er sich, gestützt auf Masrûr, den Träger des Racheschwertes, und begab sich zur Herrin Zubaida, um sie über den Verlust ihrer Sklavin zu trösten. Er fand sie weinend dasitzen und auf ihn warten, um ihn über den Verlust seines Tischgenossen Abu el-Hasan des Schalkes zu trösten. Der Kalif sprach zu ihr: ,Möge dein Haupt deine Sklavin Nuzhat el-Fuâd überleben!' Doch sie erwiderte: ,Mein Gebieter, Gott schütze meine Sklavin! Mögest du am Leben bleiben und deinen Tischgenossen Abu el-Hasan den Schalk überleben!' Da lächelte der Kalif und sprach zu seinem Eunuchen: ,Masrûr, die Frauen sind wirklich kurz von Verstand. Sag mir, um Gottes willen, war nicht Abu el-Hasan soeben noch bei mir?' Aber die Herrin Zubaida sprach, indem sie zornigen Herzens auflachte: ,Willst du nicht von deinem Scherzen lassen? Ist es nicht genug, daß Abu el-Hasan gestorben ist, daß du auch noch meine Sklavin sterben lassen willst, damit wir alle beide verlieren, und nennest mich obendrein kurz von Verstand?' Der Kalif sagte: ,Nuzhat el-Fuâd ist gestorben.' Aber die Herrin Zubaida entgegnete: ,In Wirklichkeit ist er gar nicht bei dir gewesen; du hast ihn auch nicht gesehen. Niemand anders als Nuzhat el-Fuâd ist gerade eben bei mir gewesen; sie trauerte und weinte und hatte zerrissene Kleider, ich habe sie ermahnt, sich zufassen, und habe ihr hundert Dinare und ein Stück Seide gegeben. Ich wartete doch auf dich, um dich über den Tod deines Tischgenossen Abu el-Hasan des Schalkes zu trösten, ja, ich wollte gerade nach dir schicken.' Doch der Kalif lachte von neuem und sprach: ,Niemand anders als Nuzhat ei-Fuâd ist gestorben!' ,Nein, nein, mein Gebieter,' rief die Herrin Zubaida. ,niemand anders als Abu el-Hasan ist gestorben!' Nun ergrimmte der Kalif, und



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die Ader des Zornes, die den Haschimiten' eigen war, schwoll auf seiner Stirn, und er schrie Masrûr, den Schwertträger, an: ,Geh hinaus, eile zum Hause Abu el-Hasans des Schalkes und sieh zu, wer von beiden tot ist!' Masrûr lief eilends dorthin. Der Kalif aber sprach zur Herrin Zubaida: ,Willst du mit mir wetten?' ,Jawohl, ich wette,' antwortete sie, ,ich sage: Abu ei-Hasan ist tot.' Der Kalif dagegen: ,Und ich wette und sage: niemand anders als Nuzhat el-Fuâd ist tot. Und der Einsatz zwischen uns soll sein: der Lustgarten gegen dein Schloß und das Schloß der Bilder.' Dann setzten sie sich und warteten, bis Masrûr mit der Nachricht zurückkehren würde. Der aber lief ohne Verzug dahin, bis er in die Gasse kam, in der Abu el-Hasan der Schalk wohnte. Der Schalk saß geruhsam da und lehnte sich aus dem Fenster; zufällig schaute er sich um und sah, wie Masrûr in die Gasse gelaufen kam. Und er sprach zu Nuzhat el-Fuâd: ,Es ist mir, als ob der Kalif, als ich ihn verließ. die Staatsversammlung aufgelöst hat und zur Herrin Zubaida gegangen ist, um sie zu trösten. Dann hat sie ihn trösten wollen und gesagt: ,Allah schenke dir reichen Lohn um Abu e Hasans des Schalkes willen!' Der Kalif aber hat ihr entgegnet: ,Nuzhat el-Fuâd ist doch gestorben; möge dein Haupt sie überleben!' Doch sie hat gesagt: ,Niemand anders als dein Tischgenosse Abu el-Hasan der Schalk ist gestorben!' Er dagegen: ,Nein, nur Nuzhat el-Fuâd ist tot!' Dann werden sie miteinander gestritten haben, bis der Kalif zornig ward; danach haben sie gewettet, und jetzt ist Masrûr, der Schwertträger, entsandt, um zu sehen, wer gestorben ist. Nun wäre es das beste, wenn du dich hinlegtest, damit er dich so sieht und zurückkehrt, um dem Kaufen zu berichten, daß mein Wort wahr ist.' Da



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streckte Nuzhat el-Fuâd sich aus, während Abu el-Hasan sie mit ihrem Mantel bedeckte und sich weinend zu ihren Häupten niedersetzte. Plötzlich trat Masrûr, der Eunuch, herein und grüßte Abu el-Hasan; und da er sah, wie Nuzhat el-Fuâd ausgestreckt dalag, deckte er ihr Gesicht auf und sprach: ,Es gibt keinen Gott außer Allah! Unsere Schwester Nuzhat el-Fuâd ist tot! Wie schnell hat das Geschick sie ereilt! Allah erbarme sich deiner und spreche dich von aller Schuld frei!' Darauf kehrte er zurück und begann vor dem Kalifen und der Herrin Zubaida zu erzählen, was geschehen war; aber er lachte dabei. ,Verfluchter,' unterbrach ihn der Kalif, ,dies ist nicht die Zeit zum Lachen; sag uns gleich, wer von beiden ist tote' Da erwiderte Masrûr dem Kaufen: ,Bei Allah, mein Gebieter, Abu el-Hasan ist wohlauf; niemand anders als Nuzhat el-Fuâd ist tot.' Nun sprach der Kalif zur Herrin Zubaida: ,Du hast dein Schloß durch deinen Scherz verloren', und lachte sie aus und fuhr fort: ,Masrûr, erzähl ihr, was du gesehen hast!' Jener erzählte darauf: ,Wahrhaftig, meine Herrin, ich lief ohne Aufenthalt, bis ich zu Abu el-Hasan ins Haus eintrat. Dort sah ich Nuzhat el-Fuâd tot dahingestreckt, während Abu el-Hasan weinend zu ihren Häupten saß. Ich grüßte ihn und tröstete ihn und setzte mich zu ihm; dann entblößte ich das Antlitz deiner Sklavin und fand, daß sie tot und ihr Gesicht schon angeschwollen war. Ich sagte daher zu ihm: ,Laß sie hinaustragen, damit wir an ihrem Grabe beten können!' Wie er dann sagte: ,Das will ich tun', verließ ich ihn, damit er sie auf bahren könne, und kam zu euch, um euch die Sache zu melden.' Lachend rief der Kalif: ,Erzähl das deiner Herrin Kleinverstand immer wieder!' Doch als die Herrin Zubaida die Worte Masrûrs vernommen hatte, zürnte sie und sprach: ,Niemand anders ist klein von Verstand als der, so einem schwarzen Sklaven



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Glauben schenkt!' Und sie schalt über Masrûr, während der Kalif lachte. Aber der Eunuch fühlte sich verletzt und sagte zum Kalifen: ,Der sprach die Wahrheit, der da sagte: Die Frauen haben wenig Verstand und wenig Glauben.'1 Nun hub die Herrin wieder an: ,O Beherrscher der Gläubigen, du spielest und scherzest mit mir, und dieser Sklave verdächtigt mich, um dir zu gefallen. Jetzt will ich aber selbst jemanden entsenden, um nachsehen zu lassen, wer von beiden gestorben ist.' Der Kalif erwiderte ihr: ,Sende ruhig jemanden, der nachschaut, wer von beiden tot ist!' Da rief die Herrin Zubaida eine alte Wirtschafterin und sprach zu ihr: ,Geh zum Hause der Nuzhat el-Fuâd und sieh nach, wer gestorben ist; rasch und säume nicht!' und sie gab ihr harte Worte. Da lief die Alte eiligst fort, während der Kalif und Masrûr lachten; und sie lief ohn Unterlaß, bis sie in jene Gasse kam. Allein Abu el-Hasan sah sie und erkannte sie und sprach zu seiner Frau: ,Nuzhat el-Fuâd, es ist mir, als ob die Herrin Zubaida eine zu uns schickt, die nachsehen soll, wer gestorben ist. Sie wird dem Berichte Masrûrs, daß du tot seiest, nicht geglaubt haben und schickt nun die alte Wirtschafterin, um die Sache zu erforschen. Also kommt mir jetzt der Tod zu, damit du bei der Herrin Zubaida als glaubwürdig giltst.' Darauf streckte Abu el-Hasan sich auf den Boden hin, und Nuzhat el-Fuâd deckte ihn zu, legte ihm Binden um Augen und Füße und setzte sich ihm zu Häupten und weinte. Nun trat die Alte zu ihr ein und sah sie weinend und klagend zu Häupten Abu el-Hasans sitzen; die Trauernde aber schrie beim Anblick der Kommenden laut auf und sprach zu ihr: ,Schau, was mir widerfahren ist! Abu el-Hasan ist gestorben und hat mich mutterseelenallein zurückgelassen!'



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Dann schrie sie von neuem auf; zerriß ihre Gewänder und sprach zu der Alten: ,Mütterchen, ach, wie gut war er doch!' Die Alte sagte darauf: ,Wahrlich, dein Leid ist zu verstehen; denn du hingest an ihm, und er hing an dir.' Da die Alte wußte, was Masrûr dem Kalifen und der Herrin Zubaida berichtet hatte, so sprach sie zu Nuzhat el-Fuâd: ,Masrûr will Zwietracht säen zwischen dem Kaufen und der Herrin Zubaida.' Nuzhat el-Fuâd aber fragte: ,Was für Zwietracht, Mütterchen?' ,Meine Tochter,' antwortete die Alte, ,Masrûr ist zum Kalifen und zu der Herrin Zubaida gekommen und hat ihnen über dich berichtet, du seiest tot, Abu el-Hasan aber sei wohlauf.' Nuzhat el-Fuâd fuhr fort: ,Liebe Muhme, ich war ja noch soeben bei meiner Herrin, und sie gab mir hundert Dinare und ein Stück Seide. Sieh doch mein Elend und was über mich gekommen ist! Ich weiß nicht, was ich tun soll; ich bin mutterseelenallein. Wäre ich doch nur gestorben und er noch am Leben!' Dann hub sie an zu weinen, und die Alte weinte mit ihr. Aber nun trat die Alte auf Abu el-Hasan zu, entblößte sein Gesicht und sah seine verbundenen Augen, die durch die Binden aufgeschwollen waren. Darauf deckte sie ihn wieder zu und sprach: ,O Nuzhat el-Fuâd, du kannst wahrlich um Abu el-Hasan trauern.' Nachdem die Alte sie noch eine Weile getröstet hatte, ging sie von ihr und lief eilends zur Herrin Zubaida und erzählte ihr die Geschichte. Da rief die Herrin Zubaida lachend: ,Erzähle sie auch dem Kaufen, der mich kurz von Verstand und arm an Glauben nannte, als dieser schmutzige, verlogene Sklave mir widersprach!' Doch Masrûr schrie: ,Die Alte da lügt! Ich habe Abu el-Hasan wohlauf gesehen; Nuzhat el-Fuâd lag tot da!' Die Alte entgegnete ihm: ,Wer da lügt, das bist du! Du willst Zwietracht säen zwischen dem Kalifen und der Herrin Zubaida.' Aber wieder rief Masrûr:



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,Niemand als du lügt hier, du unselige Alte! Und deine Herrin glaubt dir in ihrer Torheit.' Da aber schrie die Herrin Zubaida ihn an, ergrimmt über ihn und seine Worte, und sie begann zu weinen. Schließlich sagte der Kalif: ,Ich lüge, und mein Eunuch lügt; du lügst, und deine Kammerfrau lügt. Also halte ich es für das beste, wenn wir alle vier hingehen, um festzustellen, wer von uns die Wahrheit sagt.' Da rief Masrûr: ,Auf, laßt uns gehen! Dann werde ich über diese Unglücksalte Unheil bringen und ihr für ihre Lügen eine Tracht Prügel versetzen können.' .Du Narr.' erwiderte die Alte. .ist dein Verstand etwa gleich meinem Verstand? Du hast soviel Verstand wie ein Huhn!' Masrûr geriet über ihre Worte in Wut und wollte schon gewaltsam Hand an sie legen; aber die Herrin Zubaida zog ihn fort von der Alten und rief: ,Sogleich wird es sich zeigen, ob sie oder du die Wahrheit gesprochen, ob sie oder du gelogen!' Nun machten sich die vier auf den Weg, nachdem sie noch vorher miteinander gewettet hatten; sie schritten durch das Tor des Palastes hinaus und gingen Weiter, bis sie zum Eingang der Gasse kamen, in der Abu el-Hasan der Schalk wohnte. Als der sie erblickte, sprach er zu seinem Weibe Nuzhat el-Fuâd: ,Wahrhaftig, nicht jeder Klebstoff ist ein Backwerk, und nicht alleweil bleibt der Krug heil! Jetzt ist wohl die Alte hingegangen und hat ihrer Herrin berichtet und ihr gemeldet, wie es um uns steht; dann wird sie mit dem Eunuchen Masrûr gestritten haben, und sie haben über unseren Tod gewettet. Nun kommen sie alle vier zu uns, der Kalif und der Eunuch, die Herrin Zubaida und die Alte.' Da fuhr Nuzhat el-Fuâd von ihrem Totenlager empor und rief: ,Was sollen wir jetzt beginnen?' Er antwortete ihr: ,Wir wollen uns beide zusammen tot stellen; wir wollen uns ausstrecken und den Atem anhalten.' Sie hörte auf sein Wort, und darauf streckten



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die beiden sich aus, banden sich die Zehen, schlossen ihre Augen, hielten den Atem an und deckten sich mit dem Mantel zu; so hielten sie ihr Mittagsschläfchen.' Nun traten der Kalif, Zubaida, Masrûr und die Alte herein; und als sie sich im Hause des Schalks Abu el-Hasan befanden, sahen sie ihn sowohl wie seine Frau tot dahingestreckt. Die Herrin Zubaida weinte bei ihrem Anblick und sprach: ,Sie haben mir solange Botschaften über meine Sklavin gebracht, bis sie wirklich gestorben ist; sie hat sich wohl so sehr um den Verlust Abu el- Hasans gegrämt, daß sie ihm im Tode gefolgt ist.' Doch der Kalif sprach: ,Komm mir doch nicht mit deinem Geschwätz und Gerede zuvor! Sie ist ja vor Abu el-Hasan gestorben; denn er kam zu mir mit zerrissenen Gewändern, zerrauftem Barte und schlug sich die Brust mit zwei Lehmziegeln; da gab ich ihm hundert Dinare und ein Stück Seide, und ich sagte ihm: Geh hin und laß sie forttragen, ich will dir eine andere Gefährtin geben, die noch schöner ist als sie, und die sie dir ersetzen wird. Aber es zeigt sich, daß er sich den Verlust zu sehr zu Herzen genommen hat und ihr im Tode gefolgt ist. Also habe ich gewonnen, und ich bekomme deinen Einsatz.' Da entgegnete die Herrin Zubaida dem Kalifen mit mancherlei Worten, und des Geredes ward viel zwischen den beiden. Schließlich setzte der Kalif sich zu Häupten der beiden nieder und rief aus: ,Beim Grabe des Propheten Allahs - Er segne ihn und gebe ihm Heil! —und bei den Gräbern meiner Väter und meiner Vorväter, jetzt ist mir ein Gedanke gekommen; wenn einer mir sagt, wer von den beiden vor dem andern gestorben ist, dem will ich tausend Dinare geben!' Sowie Abu el-Hasan die Worte des Kalifen hörte, sprang er in aller Eile auf und



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rief: ,Ich bin zuerst gestorben, o Beherrscher der Gläubigen, gib die tausend Dinare her! Erfülle den feierlichen Eid, den du geschworen hast!' Dann erhob sich auch Nuzhat el-Fuâd und trat vor den Kaufen und die Herrin Zubaida hin. Beide freuten sich über ihr Auferstehen und Wohlergehen; zwar schalt Zubaida ihre Sklavin, aber sie war doch erfreut, daß sie noch am Leben war. Und der Kalif sowohl wie die Herrin Zubaida wünschten den beiden Glück dazu, daß sie wieder auferstanden waren von den Toten; und sie erfuhren alsbald, daß dies Sterben nur eine List gewesen war, um das Gold zu erhalten. Doch die Herrin Zubaida sprach zu Nuzhat el-Fuâd: ,Du hättest mich um das, was du wünschtest, bitten sollen; dann hättest du mir nicht in dieser Weise das Herz um deinetwillen betrübt!' Nuzhat el-Fuâd gab ihr zur Antwort: ,Ach, ich schämte mich vor dir, meine Gebieterin!' Aber der Kalif sank vor Lachen beinahe in Ohnmacht und rief: ,O Abu el-Hasan, du bleibst immer ein Schalk und tust Dinge wunderbar und seltsam gar.' ,O Beherrscher der Gläubigen,' erwiderte Abu el-Hasan, ,ich habe ja diese List nur deshalb angewandt, weil das Geld aus deiner Hand, das du mir gegeben hattest, zu Ende war, und weil ich mich schämte, dich noch einmal zu bitten. Als ich noch allein war, konnte ich das Geld nie festhalten; aber seit du mich mit dieser Sklavin, die jetzt bei mir ist, vermählt hast, würde ich selbst all dein Gut, wenn ich es besäße, verschwenden. Als alles, was ich besaß, dahingegangen war, ersann ich diese List, um von dir die hundert Dinare und das Stück Seide zu erhalten. All das ist ein Almosen von unserem Gebieter. Nun beeil dich auch mit den tausend Dinaren und erfüll deinen Schwur!' Lachend kehrten der Kalif und die Herrin Zubaida in den Palast zurück, und der Kalif gab Abu el-Hasan die tausend Dinare mit den Worten: ,Nimm sie als



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Freudengabe für deine Auferstehung vom Tode!' Ebenso gab auch die Herrin Zubaida ihrer Sklavin Nuzhat el-Fuâd tausend Dinare mit den Worten: ,Nimm sie als Freudengabe für deine Auferstehung vom Tode!' Ferner mehrte der Kalif dem Abu el-Hasan seine Einkünfte und seinen Sold; und nun lebte er herrlich und in Freuden, bis Der zu ihnen kam, der die Freuden schweigen heißt, und der die Freundesbande zerreißt, der die Schlösser und Häuser vernichtet und die Gräber errichtet.

Ferner wird erzählt


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
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