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Kapitel 

VOLKSDICHTUNGEN AUS OBERGUINEA


I. BAND


FABULEIEN DREIER VÖLKER

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 4 BILDBEILAGEN

a) Allgemeines. Sprachverwandtschaft

Die Leute, die im Südosten der Bassariten, im Süden des Kabrelandes und nordwestlich der Waldstädtler wohnen, werden im allgemeinen Kotokolli genannt. Sie selbst aber bezeichnen sich als Sing. Timnu, Plural: Tim. Wir würden die Pluralbildung richtiger Timm, also mit zwei m schreiben, denn dem Singular suf fix nu entspricht der Plural suf fix ma. Häufig wird der a-Laut verschluckt, und so entstand auch hier aus Timma einfach Timm. Dies Wort Tim führt uns direkt in das Problem der Zugehörigkeit der Völkergruppe, die der von Norden kommende Forscher mit den Tim erreicht, hinein. Tim ist nämlich das Wort eines Mossidialektes, das soviel bedeutet wie "Heide"!

Die Frage der Zugehörigkeit der Tim ist schwer zu beantworten. Ihre wesentlichen Wohnsitze sind Tschautscho, die Timebene, das Sudo-Dako-Plateau und dann wohl noch das Ssemeregebiet auf französischer Seite. Aber ihre Sprache, das Kotokolli, greift viel weiter aus.

Die Kabre sprechen eine klare Kotokolli ohne wesentliche Dialektverschiedenheiten. Dr. Kersting hält sogar die Kabre für primitivere, will sagen reiner erhaltene Tim, denen gegenüber die Stämme vom Sudo -Dako -Plateau bis über Tschautscho eine durch islamischen und vielleicht noch anderweitigen Kulturzutrieb beeinflußte und entwickeltere Form gleich primitiven Ursprungs darstellen. Dieser mit den Landesverhältnissen so außerordentlich erfahrene Forscher stützt sich bei dieser Annahme zumal auf einen Fund, den der kaiserliche Stationsassistent Juriscka vor einigen Jahren im Tschautschogebiet machte. Im Boden fand er ein Hackenblatt, das genau dem heute noch im Kabregebiet üblichen Typus entsprach, der aber heute in den Timländern nicht mehr lebt. Wir werden im folgenden diesen Fingerzeig nicht übergehen dürfen, müssen aber einerseits auf die Unsicherheit solcher Einzelfunde, die noch mehr Lösungen zuläßt, und anderseits auf die ungemein energische und siegreich vordringende Kraft der Timsprache hinweisen, die z. B. im Lossogebiet in allen Dörfern mit einer einzigen Ausnahme die früher bei diesen Leuten gepflogene Mossisprache verdrängt hat.

Diese Timsprache nun - um deren Verwandtschaft nur einige Worte zu widmen -scheint mir Anknüpfungen nach den verschiedensten Richtungen zu bieten. Zunächst sticht die wesentliche Verwandtschaft mit der Mossisprache in die Augen. Das Pluralsuffix "si" ist beiden gemeinsam. Das Wort Kissi als "Verbot", das die Mossi im Sinne des Tannä (der Mande) anwenden, wird in dem



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Kotokolli durch "Makissi" "Ich will nicht" (ma im Kotokolli und Mossi = ich) gut erklärt.

Eine weitere Linie der Beziehung führt uns zu den Joruba-Evhe Sprachen. Schon das einfache Wort der Selbstbezeichnung im Singular = Timnu deutet in dieser Richtung. Nu geboren. Die Bezeichnung der Holzfiguren Lissa entspricht dem Jorubawort O-rissa usw.

Endlich möchte ich drittens auf die sehr eigenartige Verwandtschaft mit einem Mandedialekt hinweisen, nicht jenen, den die Wangara-Wattarawanderung vom Norden der Elfenbeinküste nach Mangu und Sugu trug, sondern mit dem Satakolli-Maskadialekt. Man scheut sich zunächst, über so große Strecken hinweg Verwandtschaft anzunehmen, aber besteht nicht die viel eigenartigere Beziehung zwischen Wolof und Mossi?

Soviel ist also sicher, daß das Kotokolli, die Timsprache, uns zunächst eine große Zahl von Rätseln aufgibt, daß aber anderseits dementsprechend ebenso viele Anhaltspunkte für Lösung von allerhand heute noch nicht zu übersehenden Verwandtschaftsproblemen gerade hier zu finden sein werden. Sicher ist, daß wir mit den Tim den sich von Nord nach Süd langhin erstreckenden Streifen der Diabasprachverbreitung verlassen und ein neues Territorium erreicht haben. Wesentlich wird es nun sein, aus dem allgemeinen Kulturgut heute schon allerhand Klarstellung gewinnen zu können.


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