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DIE ATLANTISCHE GÖTTERLEHRE

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1926

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

MIT EINER FARBIGEN TAFEL, 16 KARTEN

UND 87 ZEICHNUNGEN IM TEXT


WAS IST UNS ATLANTIS?


Die Atlanlisfabel. Hypothese oder Methode. "Feldwerk." "Heimarbeit." Einfügung der Funde. Das lebendige Monument.

Seit Platon in seinem Kritias die Sagen wiedergab, die der Vorfahre Solon bei den weisen Ägyptern kennen lernte - seitdem also der Name Atlantis wohl zum ersten Male in einem geistigen Kreise des europäischen Festlandes nachweisbar hohes Interesse erregte, seit damals hat in den verschiedensten Zeitungen, bei verschiedenen Völkern, diese alte Sage das Nachdenken der europäischen Menschheit in Anspruch genommen. Und in der Tat! Es ist eine merkwürdige Mär, die der griechische Weise verkündet hat. Eine Fabel aus einer Zeit, die für die alten Griechen schon eine ungeheuer weit zurückliegende war. Sie erzählt von einer Insel, die nach Westen hin, die weit draußen vor den Säulen des Herakles, also jenseits Gibraltars lag. Sie erzählt, daß in jener Periode, die der griechischen Kulturzeit voranging, Poseidons Söhne weit draußen im Meere, in einem Lande der Elefanten und Palmen eine Burg errichteten, die von strahlenden Messingplatten überzogen war. Sie erzählt von herrlichen Geschlechtern der Vergangenheit, von hohen Tugenden und vom Untergang.

Atlantis hat seit jener alten Zeit die Menschheit oft erregt, hat aber wohl niemals ein so merkwürdiges Echo hervorgerufen, als im letzten Jahrzehnt im Jahre 1910, nachdem ich dieses Wort von neuem aufgegriffen, und zwar diesmal in die Arena ethnologischer Kämpfe geworfen hatte.

Ich stellte die Hypothese auf, daß diese alte Fabel nicht nur Fabel sei. Ich behauptete, daß es möglich sein müsse, das Ganze aufzufassen als eine Erinnerung an eine vorgriechische Kulturzeit, in der man außerhalb des mittelländischen Beckens, also am Atlantischen Ozean, Schiffahrtsbetrieb und Kultur aussäte. Ich behauptete, daß dieses Atlantis die letzte rege Vorstellung von einem Kulturbereiche sein müsse, das vor der Zeit der Griechen an den Küsten Westafrikas entstanden sein müsse. Und als das Griechentum im östlichen Mittelmeer sich entfaltete, da drängte es Völker und Stämme auseinander, die schon lange vordem Handel und Schiffahrt im gesamten Mittelmeerbecken bis nach Tarschisch oder Tartessos hinaus getrieben hatten. Und diese Zeit vor den Griechen war die Periode des Poseidon, des Meeresgottes, dessen Sprossen ja eben die Burg Atlantis errichtet hatten.

Niemals sind wir auf den Gedanken gekommen, diese Burg selbst als eine alleinstehende Tatsache aufzufassen. Stets wurde der Standpunkt vertreten, daß das, was eine ganze Kulturregion bedeutet, in der Mitte etwa zum Begriff der Stadt zusammengeflossen sei. Also



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nicht ein einzelner Hort, sondern vielmehr eine einheitliche Kultur, die als Nachkommenschaft vorgriechischer Unternehmungslust und Handelstätigkeit draußen dem Weltmeere ihre Entstehung verdankt.

Welchen Weg meine Forschung genommen hat und bis zu welcher Tiefe, bis zu welcher Sicherheit der Resultate sie bis heute vorgedrungen ist, damit möchte ich mich hier in dem vorliegenden Band, der der "Atlantischen Götterlehre" gewidmet ist und der dem Wunsche des Verlages entsprechend der Gesamtausgabe meiner Märchen, Legenden, Fabeln, Sagen und Sammlung den Rahmen gegeben hat, kurz auseinandersetzen.

In den Jahren 1894-1 896 habe ich eine kartographische Methode für experimentelle Behandlung der wissenschaftlichen Ethnologie gegründet. Damals schien das wichtigste Resultat die kulturelle Beziehung zwischen den Erscheinungen des zentralen Pacifik und denen Westafrikas zu sein. Es wurde die Theorie einer malayonigritischen Kultur aufgestellt. In dieser Arbeit war wohl die weite Spannung der Einzäunung nennenswert. Charakteristisch für vielfältigen Eifer ist jedoch auch hier die Überschätzung der neuaufgedeckten Erscheinungswelt, gegen die alle andern zu stark in den Hintergrund traten. Besonders wurden ganz außerordentlich wichtige Kulturerscheinungen der Westküste Afrikas nicht genügend in Betracht gezogen. Diese fanden, trotzdem ich schon im Jahre 1892 in merkwürdigster Weise darauf aufmerksam gemacht worden war, noch keine Berücksichtigung.

In besagtem Jahr nämlich erzählte mir in Hamburg ein Neger der Westküste, ein Mann aus dem Joruba-Land: "In meinem Lande ist jeder Mann aus alter Zeit ein großer Stein."*Ich habe aber nicht weniger als 9-10 Jahre gebraucht, bis ich diesen Satz vollkommen begriff.

In den Jahren 1901-1904 war das Hauptinteresse unserer Studien in die Kulturwelt des pacifischen Ozeans zurückgekehrt. Dieses Mal war nun eine Vertiefung der Problematik fast selbstverständlich. Die Karten über die Kulturentwicklung des "solaren Zeitalters" und des "Zeitalters des Sonnengottes", die erst im Jahre 1923 in "Vom Kulturreich des Festlandes" veröffentlicht wurden, waren zum größten Teil damals fertig, und es hatte sich dabei das Bild herausgestellt: eine enorme Kultur-Evolution. An den Rändern des pacifischen Ozeans war ein Übergang erst nach Westasien, dann in das Mittelmeer, dann an die östliche Küste des Atlantischen Ozeans erfolgt, und diese Karten zeigten schon, daß das, was dermaleinst in ungeheuren Bildern mythischen Denkens im Pacifikum zum Ausbruch gelangt war, — daß dieses sich in einer leicht nach*



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Bahn, erst nach Westasien und dann durch das Mittelmeer hindurch auch bis nach Westafrika vorgeschoben hatte. Auf diesem Wege sich umbildend, neue Formen findend, neue Gestalten hervorbringend, aber doch immer sich haltend im gleichen Sinn, im gleichen Rahmen. Zuletzt nur noch als Epigonentum erscheinend.

Die selbstverständliche Folge war, daß ich bei einem Mangel eigener Anschauung und Sichertestate den Drang immer stärker empfand, der mich zuletzt zwingen mußte, jene westafrikanischen Länder durch eigene Forschungsreisen der Ethnologie, der Kulturforschung zu erschließen.

Zunächst führte der Weg in das Waldland des Kongostaates. In ein Gebiet, in das sich viele kleine Kulturreste verkrochen hatten, wo alter Stil gut geborgen war im Schutze der großen Wälder und des schwierigen Geländes, in denen die einzelnen Kulturen, von den verschiedenen Seiten des Erdteils kommend, gegeneinander gestoßen waren und derart mehr oder weniger scharf erkennbare Grenzen boten. Da trafen wir auf die Gruppe der Baluba-Kultur, die sehr leicht erkennbar aus dem Südosten stammt, und die Bakuba, die in ihrem ganzen Kulturgesetz ihre Verwandtschaft mit den Kulturen des alten Reiches Kongo zeigen. Bakuba und Baluba, zwei Worte für einen schroffen Gegensatz. Bakuba das Symbol für eine ungeheuer reiche Altwelt. Baluba Symbol für kraftvolle Kriegsvölker ohne ausgesprochenen Sinn für Pracht und wesentlichen Lebensschmuck. Unwillkürlich müssen wir daran denken, wie die ersten Entdecker der Westküste begeistert von der Pracht des Herrschers von Kongo berichteten. Herrliche Elfenbeinschnitzereien, wunderbare Stoffe, wie Seide und Samt, der Staat eine große und herrliche Organisation! Ach! Schon manches Jahrhundert ist vergangen seit dem Zusammenbruch dieses herrlichen alten Kongo. Europa hat es ermordet und zerstört. Nichts als ein Schemen heute noch, ein Name auf der Karte.

Hier aber zeigt sich nun bei den den Kongostämmen verwandten Bakuba reiches Leben, alles heute noch sichtbar! Hunderte und Tausende von Holzschnitzereien, alles altgewachsenes Kulturgut - Hunderte und Tausende von Plüschstoffen, herrliche Waffen, Stil! Oh, welcher einheitliche Stil - und doch alles alt -nichts neu sich bildend, alt, uralt, nichts, was hier selbst entstanden war, was hierselbst entstanden sein konnte. So das rechte Leben und Verkommen, das Vegetieren eines Sterbenden im Refugium.

Das mußte dazu zwingen, die Wurzeln solcher eigentümlichen Pflanze aufzusuchen. Unwillkürlich drängte sich mir wieder die Erzählung des schwarzen Schiffsjungen auf: Im Joruba-Land ". . . ist jeder Mann aus alter Zeit ein großer Stein". Aber nicht direkt ging es nunmehr in das Joruba-Land, sondern es wurde ein Umweg eingeschlagen.



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Die ersten Forschungen hatten ergeben, daß die Leute in der Heimat selbst nichts von der Heimat erzählen, daß sie erst dann den Mund öffnen, wenn sie weit entfernt von daheim zu der Überzeugung gekommen sind, nicht mehr wieder zurückkehren zu können und dann sich etwa wegen Plauderhaftigkeit verantworten zu müssen. Es galt also jene Länder aufzusuchen, in denen Sklaven aus Joruba-Land anzutreffen waren, von denen nähere Kunde zu erwarten war. Also führte die nächste Reise hinauf in den Sudan, hinauf nach Timbuktu, wo es wirklich gelang, Joruba-Skiaven, alte erfahrene Leute, zu sprechen, die auch nähere Auskunft gaben über die Stellen, in denen die alten Steinmenschen heute noch in der Erde ruhen.

Dann also erst (im Jahre 1910) begann die Forschung im Joruba-Land, in Ibadan, in Ife, dem alten Papstsitze dortiger Priesterschaft. Wir wurden vertraut mit den Eingeborenen. Das heilige Gerät strömte in Mengen bei uns zusammen, nachdem die Mitgliedschaft beim Heiligen Bund erworben war.

Alles was die Bakuba-Kultur ausgezeichnet hatte, ward hier wieder sichtbar. Nur war es stärker, größer, lebensfähiger, war mannhaft geblieben durch den Stoffwechsel der Völkerströme, war in diesem gediehen und hatte sich entfaltet.

War leicht nachweisbar als Einheit der Kultur, aufgewachsen aus Trümmern und Ruinen, die im Schutze der Mutter Erde leblos, aber beredter waren als jene Bakuba-Elemente, die unter dem Schutze des Urwaldes weiter vegetieren und doch keine Lebenskraft für die Zukunft mehr besitzen.

Andere Reisen folgten. Das Bild der einzelnen Kultur hob sich immer schärfer und klarer ab, so daß zuletzt wieder von der Feldarbeit zur Heimarbeit übergegangen werden konnte.



***
Die kartographische Methode der Kulturforschung beruht darin, daß jedes einzelne Vorkommnis gleicher Art in eine stumme Karte eingetragen wird. Das Material selbst stammt im Institut aus vier Quellen, nämlich: I aus der vorhandenen afrikanischen Literatur, und zwar sowohl Reiseberichten als Ethnographien, 2. aus den Sammlungen, die sich in den letzten 40 Jahren vor dem Weltkrieg in unseren Museen in ungeheuerlichem Reichtum angehäuft haben, 3. aus dem Material eigener Expeditionen des kulturmorphologischen Instituts und 4. aus den Mitteilungen, die auf etwa 350 belgischen, deutschen, englischen und französischen Stationen forschungsmäßig ausgearbeitet worden sind. Die Eintragung in die Karten zeigt bei genügendem Material nun jedesmal sehr schnell große Gegensätze und einheitliche Verbreitungsgebiete. In dem einen Gebiet und bis zu einer bestimmten Grenze werden z. B. Leichen in der Hockerstellung



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Ruinengebiet Atlantische Großstaaten vor der Entdeckung Korbflechterei durch die FrauMattenflechterei durch die Frau



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stellung bestattet, dort drüben dagegen in ausgestreckter Lage. Auf dieser Seite erben alle Besitztümer die Vatersöhne, auf der andern die Mutterbrüder und deren Kinder; bis hierher flechten die Frauen die Matten, von dort ab dagegen die Männer. Und so geht dies weiter. Die einzelnen Erscheinungen sozialer, technischer, kunstgewerblicher Natur zeigen gemeinsame Verbreitung, zeigen auch innerliche Zusammengehörigkeit. Demnach ist zweierlei immer im Auge zu behalten: einmal das rein äußerliche der Verbreitung und zum andern Male das sinngemäße Ineinandergreifen und das Elementare untereinander. An den Grenzen verwischen sich natürlich die Kulturen und gehen ineinander, so daß man den stilstarken und stilreinen Erscheinungen gegenüber stilschwache und stilarme erkennen kann.

Wenn wir davon absehen, was als typisch afrikanisches Kulturgut bezeichnet werden muß, so erhalten wir eine ganze Reihe von Kulturkomplexen, die sich als Erscheinungen von der Westküste des Kontinents aus in das Innere erstrecken. Sie berühren einander. Und an diesen Grenzen, Berührungs- und Übergangspunkten läßt sich dann der Unterschied, die gegenseitige Beeinflussung, am besten erkennen. Im wesentlichen sind es fünf Kulturen solcher Art, von denen hier vier gerade deshalb so besonders wichtig sind, weil wir durch die archäologische Forschung, durch die Arbeit der späteren Jahre den Sitz an der Küste beobachten konnten. Das sind der Reihe nach: I eine südlich von Sambesi mit der Symbaje-Ruinen-Welt einsetzende Kultur, die wir als süderythräische bezeichnen, 2. eine, die am Roten Meere bei Abessinien eine archäologische Fußbildung hat und die wir die norderythräische nennen, dann 3. die im nordwestlichen Afrika einsetzende und als syrtische bezeichnet wird, und endlich eine vierte, die von Gambia aus bis herauf nach San Paolo di Loanda in den Karten durch archäologische Stützpunkte sich nachweisen läßt. Diese vierte Kultur nennen wir entsprechend ihrer Lage am Atlantischen Ozean die Atlantische Kultur, und ihr wollen wir hier einige Zeilen kartographischer Erläuterung widmen.

Auf den beifolgenden Tafeln wurden 16 Kärtchen wiedergegeben, auf denen die Verbreitung einiger typischer Symptome der Atlantischen Kultur eingetragen ist.

Da haben wir zunächst I das Ruinengebiet. Hier werden die alten Terrakotten, Steinschnitte (Skulpturen), merkwürdige Gräber, bestimmte Perlenarten des Altertums (Glasperlen), Geibgüsse usw. gefunden. Das sind Wege archäologischer Natur.

Ihm schließt sich als 2. Kärtchen die Verbreitungsdarstellung der Atlantischen Großstaaten an, wie sie die ersten Entdecker noch fanden, wie sie die Erzählungen der Alten schildern und wie sie in ihrer eigenartigen Weise konstruiert sind. Die nächsten beiden



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Karten 3 und 4 zeigen die merkwürdige Erscheinung, daß nur in diesen Gebieten die Frauen Körbe und Matten besonderer Art flechten, während im Hinterland nach äthiopischem Typ die Männer dies ausführen. Eine der hübschesten Erscheinungen ist die Bedeutung des Atlantischen Bogens (Karte 5). Die merkwürdige Form der Waffe ist dadurch ausgezeichnet, daß die Sehne über die Stirn des Bogens hinwegläuft. Nachfolgend wird gerade auf diese Erscheinung ganz besonders zurückzukommen sein. Unter 6 die Verbreitung der Mundwinkeltätowierung. Ähnlich wie die Schnurrhaare der Katze oder des Leoparden gehen drei Linien Winkel bildend von den Mundwinkeln aus. Die Verbreitung der Gesichtsbecher und Gesichtsurnen, die ja auch in Europa zu einer bestimmten Zeit Einlaß fanden und auf bestimmte Bedeutung hinwiesen, ist im Kartenblättchen 7 wiedergegeben,
t 2. 3. 5. 6.I Swastika, Schnitzerei auf Holzdose der Bangongo. (Nach Torday et Yoyce, Les Bushongo) 2. Swastika, Stickerei auf Ledertasche, Salaga. (Nach Schurtz, Urgeschichte der Kultur) 3. Hand auf der Unterseite eines Löffels. Loango (Museum Leiden). 4. Hand auf Untersatz eines sog. "Richtblocks", Benin. (Nach y. Luschan, Altertümer y. Benin) 5. Rosette auf Kupferkästchen, Benin. (Nach Ling-Roth, Great Benin) 6. Rosette auf Holzbank. Bamum, Westafrika. (Nach Meinhof, Afrikan. Märchen)während auf der 8. Darstellung eine sehr merkwürdige Erscheinung verbreitungsgemäß von Interesse ist. Während nämlich sonst in Afrika im allgemeinen die Schlange gewissermaßen Symbol des Todes, des Zerstörens, des Gespenstes ist, geht hier im Westen die Anschauung davon aus, daß dieses Tier phallische Natur besitzt, daß die Frau, wenn sie darauf tritt, schwanger werde, daß sie Urkraft des Seins der Erde bedeute.

Noch weiter in die geistigen Zusammenhänge der Weltverbreitung blicken wir mit den nachfolgenden Karten.

Eine eigentümliche Bestattung. Die Leiche wird über einem Leichenfeuer gedörrt. Manchmal tagelang, öfter wochen- und sehr oft (Könige) jahrelang. Dann wird die Leiche mit unendlichen Massen von Stoffen umgeben, in einen Sarg aus Matten oder Holz gelegt und eingegraben (Karte 9).

Eigenartig gegenüber der schlichten Einfachheit afrikanischer Ornamentik im Innern wirkt allerhand reiche Verzierung, unter der drei Symbole besondere Beachtung finden. Die Verwendung der Hand,



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Bogen Mundwinkeltätowierung Gesichtsbecher Phallische Geburtsschlange



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die Verwendung der Svastika, des Hakenkreuzes, die Verwendung der Achterrosette (siehe Karte 10 und Abbildung). Gerade für diejenigen, die mit einer heute nicht mehr erlaubten Leichtfertigkeit von jedem Kulturelement als Bürger jedes Winkels der bewohnten Erde sprechen und die davon reden, daß z. B. die Svastika ein allgemein menschliches Schmuckstück sei, ist diese Karte lehrreich. Wie tiefe Entwicklung des Kultursinnes, wie strenge Formgebung der Gedanken und Vorstellung, wie ernst und würdig das Wachstum der einzelnen Kulturelemente ist, das kann man gerade an der Bedeutung dieser uns so harmlos erscheinenden Symbole erkennen, die erst am Ende einer langen Entwicklung ihre Form und Anwendung gefunden haben. Ein schauerliches Bild für uns: das Orakel aus der Schau der Eingeweide und der Leber eines den Göttern geopferten Menschen! (Karte II.) Kannibalische Menschenfresserei! Menschenopfer entstammen der höchsten Imaginität, die eine längst verflossene Kulturperiode besessen hat. Sie sind weit verbreitet und auf verschiedenen Linien auch in Afrika heimisch geworden. Aber die Berücksichtigung der Eingeweideschau und der Leber beschränkt sich klar und scharf auf den Raum und den Rahmen der Atlantischen Kultur. Nachfolgend ist die Verbreitung des andern Orakels, des sog. Oquelle-Orakels dargestellt. Es ist eine Schnur, die in der Mitte gefaßt wird und an derenEnden nach zwei Seiten je vier halbe Früchte in einiger Entfernung voneinander angebracht sind (Karte 12, siehe auch S. 188 und Abbildung S. 179). Diese Vier oder Acht ist die Grundlage der Zahlensymbolik der jorubischen Weltanschauung. So wie bei uns in jedem Märchen drei Brüder, drei Helden, drei Abenteurer vorkommen, so hier immer vier. Die Vier entsprach dem Sinne der Kardinalpunkte der vier Weitgegenden. Und die Vier ist gesteigert bis zur Sechzehn. Sechzehn Götter wohnen jenseits des Meeres am hohen Horizonte. Der Wurf der acht Zahlen geht aus von dem Gedanken, die Richtung göttlichen Willens oder Unwillens zu er-1. Holzlöffel der Buschong Ibanschi, Kongo. Museum Hamburg.2. Elfenbeinlöffel aus Etrurien. Antiquarium München.



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forschen. Derart ist in ihr also das ganze sog. templare Weltsystem symbolisiert.

Mit der Bedeutung der Zahlen kommen wir aber unwillkürlich zu dem Kartenblättchen 13, auf dem die Verbreitungsweise dargestellt ist, die wir innerlich nicht mehr verstehen. Nach der mythologischen Philologie vergangener Zeiten bergen die Zahlen Geschlechtssinn. Nun ist die allgemeine Verbreitung, die in Afrika großen Raum gefunden hat, die, daß die Drei einen männlichen und die Zwei und die Vier einen weiblichen Sinn haben. Damit wird gerade das Atlantische Element besonders scharf beleuchtet, denn hier ist die Anschauung umgekehrt. Die Vier ist hier männlich, die Drei weiblich, eine Tatsache, die historische Aufklärung direkt erfordert.

Eine große Menge von Mythen ist in Afrika uns erhalten in diesem Westkulturkomplex, so z. B. die Ureimythe (Karte 14). Ebenso die Auffassung, daß die Sonne männlich und der Mond weiblich sei (Karte 15). Das ist sehr eigentümlich. Denn im gesamten Zentralafrika ist der Mond männlich und seine Geliebte ist die Venus.

Endlich gebe ich als letztes Blättchen (Karte 16) die Verbreitung des Wortes "sika" für Gold nach Angaben von Herrn Dr. Bernhard Struck in Dresden, die er mir freundlichst auf meinen Wunsch hin machte. Welche Bedeutung die Verbreitung dieses Wortes hat, werden wir im nachfolgenden sehen.



***
Die Auffindung der verschiedenen Kulturkomplexe der geschlossenen Kulturformen, die oben als süderythräische, norderythräische, syrtische und atlantische bezeichnet wurden, könnte für uns natürlich nicht den Abschluß einer Arbeit bedeuten, sondern müßte naturnotwendig in ein neues Arbeitsbereich führen. Die Tatsache, daß die Kulturregionen in bestimmten Gegenden der afrikanischen Küste lagen, wies den Weg der weiteren Forschung. Es trat die Frage auf, von wo diese Beeinflussungen gekommen seien.

Für uns, die wir aus der Zeit des Studiums im "Zeitalter des Sonnengottes"kommen, für uns, die wir uns daran gewöhnt hatten, die Gesamtheit der Kulturen der ganzen Erde als eine Einheit, als Flüssigkeit mit bestimmten Strömungen aufzufassen, für uns war es selbstverständlich, zurückzukommen zu der alten Basis, zu dem Bestreben, die vorgeschichtlichen Kulturbestrebungen und Entwicklungsformen aufzufinden. Das will nicht heißen: in irgendeine beliebige Periode hineingreifen, sondern d. h. einen Weg rückwärts zu finden in ihre Gebiete, aus denen die Quellen der Kultur zu den Keimen unserer weitgeschichtlichen Kenntnis flossen oder bis Ägypten und Babylon strömten. Woher kam die Kultur nach dem westlichen Asien und in das Niltal?

Derart gelangte die Forschung in das große Becken der mythologischen



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Sarg- und DörrbestattungSymbolische Zeichen. Hand, Swastika, Achterrosette Orakel aus MenschenopfernOquelle-Orakel



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logischen Periode, in die Länder des pacifischen Ozeans. Das Bild, das sich hier ergab (siehe "Vom Kulturreich des Festlandes", 1923*), zeigte deutlich, wie im zentralen Pacifik ein enormes Werden der Kultur geschehen ist, wie sich dann durch die kaschitischen Seitengewässer zwischen Afrika und Arabien die Kultur hineingeschlängelt hat nach Babylon und nach Ägypten. Es zeigt, wie dieses Gebilde dann durch Westasien hinsickert, in das Mittelmeer eintritt und nach Italien, Spanien, Frankreich und England weiterwandert. Die einzelnen Phasen seit dem Ausgang vom pacifischen Meer habe ich letzthin in der neuesten Ausgabe des Paideuma (,,Erlebte Erdteile" Band 4) charakterisiert. Ich gebe im beifolgenden Kartentext die Verbreitung solarer Kulturelemente, wie sie uns die Dokumente der Periode der alten Geschichte überliefert haben. Da sehen wir die Elemente des Pacifischen Ozeans, sehen das Hereinragen in das Mittelländische Meer - damit aber kommen wir wieder auf unsere Atlantische Kultur -, dann erfolgt eine Übertragung von Westasien aus quer durch das Mittelländische Meer hinaus zu den Säulen des Herakies (Gibraltar), um Afrika herum, bis an dessen mittlere Westküste.



***
Das Interessante hieran ist, daß diese Erscheinungen ziemlich direkt Westafrika mit Westasien verknüpfen, daß die Spuren der Verbindung auf dem Punkte der Mythologie außerordentlich selten sind. Die Bindeglieder am westlichen Mittelmeere sind so gut wie ausgestorben. Die Kultur der Indogermanen, der Kelten, der Griechen, der Umbrier hat die alten Testate hinweggespült. Aber in vielem ist der Anschluß an Westasien sehr deutlich. In der Festlandkultur habe ich kartenmäßig gezeigt, daß die Verbreitungen sinngemäß: Sonne männlich, Mond weiblich (Karte 6 und 9 dort); der Welteimythe (Karte 11 dort); der tetrassischen Raumgliederung (Karte 14 dort); des sakralen Turnus (Karte 16 dort); der Svastika (Karte 15 dort); der Farbensymbolik (Karte 17 dort); der Sexualität der Zahlen (Karte 19) und der Sänfte (Karte 12) diesen Weg genommen haben. Die Beispiele könnten um das Vielfache vermehrt werden. Es handelt sich hier aber nicht um statistische Behauptung. Hier soll ja nur gezeigt werden, wie das Wesen einer einzelnen Kultur in seiner Zeitaufstellung als Ausdruck der einzelnen Strömungen in einem wogenden Gesamtfließen auftritt.

Die Atlantische Kultur ist also ein Sproß der solaren Periode, ein Sproß, der durch Westasien und das Mittelmeer herauf sich bis hierher gefunden und festgesogen hat. Die Atlantische Kultur ist damit eingegliedert im großen und ganzen, so daß es sich jetzt erübrigt, noch im einzelnen die Feinheiten dieser Beziehungen festzustellen. * Das schon kurz nach Erscheinen vergriffene Werk wird demnächst vermehrt als Bd. VI der "Erlebten Erdteile" zum Abdruck kommen.



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I. Westasien-Lydien.2. Tyrrhenisches Meer.3. Tartessus.4. Atlantisches Kulturgebiet -Westafrika



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Derartig betrachtet, stellt also die Atlantische Kultur gewissermaßen einen Außenposten von Umbildung dar, der ursprünglich aus dem Pacifikum kommend, im Mediterraneum Eigengestaltung gewann. So erklärt sich nun, wenn wir im Kulturbesitze der atlantischen Sphäre eine Unmenge von Eigentümlichkeiten finden, die gerade im Mittelmeere ihre ausgesprochene Verbreitung haben. Da ist der Bogen, von dem oben schon die Rede war. Er ist ursprünglich klein und über die Stirn besehnt. Es ist der trianguläre Bogen der Assyrier und der alten etruskischen Zeit. Daran schließt sich
I Bogen aus Vorderasien, Sendschirli. (Ebert, Reallexikon, nach einem Relief um 730 V. Chr.) 2. Afrikanischer Bogen aus dem alten Denkara. Sammlung Greffert, 89 cm lang.das Spanngerät an. In der Architektur haben wir den großen Impluvialbau, der nachfolgend eingehend geschildert ist und dessen "Atrium toscanicum" in die Augen fallend ist. Am Bau Kacheln, wie in Westasien, oder Metaliplatten als Wandbekleidung, wie sie auch in der Odyssee geschildert sind. In alter Zeit eine blühende Terrakottenkunst, hohe Entwicklung der Glasperlindustrie, Steinschneidekunst, die in Quarz geschnittene Gestalten, große Gefäße mit ägäischen Henkeln versehen, Sessel und Figuren hervorbringt. Daneben nun weiter alle die charakteristischen Merkmale wie das breite Schaufelmesser, das westafrikanische Richtschwert, der heilige Sonnenschirm der Könige, die Sänfte. Das Neffen-Erbrecht leitet über zu Formen, die Bachofen schon für die poseidonische Periode festlegte. Andere Dinge führen schon mehr in den geistigen Innenbau



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dieser Kultur. Brettchenidole, die Verwendung der Hand als Griff und Symbol, heilige Hakenkreuze, die Achterrosette, die zur melusinen Fischform führenden Figuren, Verbindungen, die geschnitzte Frauen mit der Schale zeigen oder die, die mit den Händen den Busen umspannen, Frauen, Mütter und Kinder wie im Isis-Kultus. Gesichtsbecher (Rhytone) sowie die ganze figurale Kleinplastik und Hartmaterialschnitzerei (Elfenbein, Knochen, Speckstein) und Figurendarstellung in Messingguß —das alles hat seine besten Analogien und mehr als das, seine Vorläufer und Entwicklungsformen, draußen im Norden, im Mittelmeer.
1. Griff einer Holztrommel der Bankutu, Kongo (Museum Hamburg).2. Griff an der Rückseite einer Bronzeschale (Museum Palermo).3. Griff eines Rundofens (Museum Neapel). 2 u. 3 aus Etrurien.Das Ganze aber, und damit kommen wir dem Kern der Sache näher, ist dadurch entscheidend, daß es in allen Punkten innere Zusammengehörigkeit aufweist. Eine Zusammengehörigkeit, die man am leichtesten erkennt, wenn man die alten Fabeln der Eingeborenen, die historischen Erinnerungen und das Bild des Zustandes zur Zeit der Entdeckung überblickt. Auch damals noch bestand das große Reich, das in der Entdeckungszeit Benin genannt wurde. Im Hinterlande Benins liegt die heilige Stadt der Joruben: Ife, in dessen heiligen Orten und Büschen und Kirchhöfen wir unsere archäologischen Funde in Steinarten, Terrakotten und Messinggüssen ergruben. Dort liegt auch der heilige Hain, in dem wir den herrlichen Bronzekopf des Olokun, des Meeresgottes, des Poseidon, gefunden haben.



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Zahlensymbolik Monade 4=Erde 3=VenusUrei-Mythe Sonne Erde Mond VenusGold = sika



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Dieser König von Benin leitete sein Geschlecht aus Ufa ab. Schon Ling-Roth stellt Ufa mit Ife gleich. Ufa ist aber auch der Name, den das Reich führte, als es noch die Länder der Goldküste und der Skiavenküste bis östlich des Nigers verband. Die Goldquelle des alten Ufa-Reiches floß im Westen in jenen Strichen, die wir heute noch Goldküste nennen, während der geistige Mittelpunkt im Osten, im heutigen Joruba-Land in Ife lag.

Dieses Ufa-Reich war ein Staatsgebilde mit religiöser Grundlage. Die Sage bezeichnet als Gründer Olokun, den Meeresgott, den Poseidon. Aber mit ihm herrschen die andern 15 Götter. Diese 16 Götter waren verteilt nach den verschiedenen Richtungen des Himmels. Wir haben verschiedene Orakelbretter und Reste von solchen in dem
I. 2. Rhyton aus Etrurien. Rom, Museo Gregorianum.3. Afrikanischer Doppelbecher der Bakuba.

neben Ife gelegenen sonst zerstörten Modeki ausgegraben. Auf ihnen sind die 16 Symbole der 16 Götter im Kreise oder im Viereck dargestellt. Sie sind verbunden oder erheben sich über einer Ornamentik, die Schlangenköpfe aufweist. Das ist die Darstellung des Weltmeeres. Auf der Ostseite des Brettes ist ein Kopf dargestellt. Der Kopf Edschus, der mit zwei spitzen Zähnen und mit Schlangen statt der Haare über den Rand hinweg auftaucht. Diese 16 Götter in entsprechender kosmischer Zugehörigkeit regieren die Welt. Sie thronen über dem Schicksal der Menschen.

Jeder, der einen tiefen Blick in den inneren Organismus, in die innere Organität der alten Mythologie gewinnen will, steht bei aller Reichhaltigkeit des archäologischen Materials aus dem Mittelmeere doch vor einem Trümmer- und Scherbenwerk. Aber wenn auch noch so viele Varianten aufgeboten sind, wenn auch noch so viele Einzelheiten an Wissen uns überkommen sind, so bleibt uns doch für den Vergleich dieser eigenartigen Mythologie und für dieses Weltbild nur eine einzige Parallele: die von den Etruskern den Römern überkommene



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Fulgurallehre. Auch hier die 16 Götter, auch hier der Grundgedanke des Blitzes, der in Joruba durch Donnerkeil und
Zum Ifadienst. Oben die 16 Oduzeiten, unten links ein Brett mit Verteilung der vier Hauptodus, rechts die Verteilung und Anlage der Hauptodus nach

Maßgabe der vorgeschriebenen Himmelsrichtung. Sammlung DIAFE.



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Doppelkeil sowohl in der Schnitzerei wie in der Sage erhalten ist. Edschu kennen wir hier als Sonne. Wie dort drüben, so steigen hier die Affen als Kinder des Meeres aus der Tiefe. Wie dort wird der sakrale Umgang geübt. Auch dort muß der Meerdrache überwunden werden. Auch dort spielen in der Darstellung des Wortbildes am Horizonte kämpfende Tiere eine Rolle. Denn wenn wir den alten Tempel sehen, den Kaiser Wilhelm II. auf Korfu ausgegraben hat, so sehen wir auch hier die Gorgo in der Mitte thronend und neben ihr Kampfszenen, eine der häufigsten Kompositionen in der plastischen Darstellung der Joruben.
I Holzschnitzerei aus Modeke im Jorubaland (ausgegraben 1910 von der DIAFE). 2. Frühgriechisches Gorgoneion als Schildzeichen. Von einer Vasenscherbe des Amasis. (Nach Roscher, myth. Lexikon)

Auch hier geht die Leichendörre der Leichenverbrennung voraus. Auch hier das Orakel aus Eingeweide und Leber, auch hier die religiöse Prostitution. Auch hier die Opfer, die sonst in Afrika fehlen. Und wenn wir die eigentümliche westafrikanische Monade (4 gleich männlich, 3 gleich weiblich) auf ihre Analogien nach ihrer Verwandtschaft hin untersuchen, so kommen wir zu westasiatischen ägyptischen Darstellungen, demzufolge der Mond dargestellt wird als Weib, die Erde aber als Mann. Also die Umkehrung der pacifischen Vorstellung von Himmel = Gott, Erde = Göttin. — Alles das, was wir an wesentlichen Übereinstimmungen und eigentlichen Wesenheiten zwischen der atlantischen und der mediterranen Kultur finden, bezieht sich im Mittelmeer auf vorgriechische Zeit, ist uns erhalten aus dem eklektischen Sammelsurium ägyptischer Altertümer und westasiatischem Kulturbau.



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Diese große vorgriechische Kulturperiode ist aus dem archäologischen Material der eigenartigen etruskischen Altertümer recht gut erhalten. Nach Herodot sind diese Etrusker oder Tyrrhener aus Lydien gekommen. Das ägyptischelnschriftenmaterial des XII. Jahrhunderts vor Christus lehrt die "Turscha" als Seegewaltige des westlichen Mittelmeeres kennen. Unter der Anzahl von Varianten, unter denen dieser Name in der alten Geschichte auftaucht, nimmt Tarschisch oder Tartessos, die Stadt im Turditanerland im südwestlichen Spanien, die Stadt des Reichtums, uralter Sprech-, Dicht- und Schriftkunst, die erste Rolle ein. Tarschisch außerhalb Gibraltars und der Säulen des Herakles im Atlantischen Ozean gelegen, ist gewissermaßen als Außenstation ein Höhepunkt dieses mächtigen Kulturkreises. Er lag schon zur griechischen Zeit, wie ja auch das ganze Westbecken, außerhalb der direkten Verbindung mit der östlichen Mittelmeer-Kultur. Dies ist leicht zu beweisen. Denn wiederum Herodot erzählt, daß als erste unter den Hellenen die Phokäer Tyrrhenien und Tarschisch (die typisch hier wieder in einem Atemzug genannt werden!) "entdeckt hätten". D. h. die aus dem Osten gekommene Kultur der Poseidon-Periode war nach Westen hin abgewandert, hatte durch den Vorstoß der Griechen die Verbindung mit ihrem Ursprungsland, nämlich dem westlichen Asien, verloren und erging sich derart isoliert in Einsamkeit, so daß sie später erst wieder entdeckt werden mußte. —Dies ist die Bedeutung Tarschischs und der etruskischen Kultur als Bindeglieder zwischen Westafrika und Westasien.

Ein historischer Fingerzeig findet sich nun aber auch dafür, daß diese etruskische tartessische Kultur bis nach Westafrika reichte. Schon Dahse hat darauf hingewiesen, daß zu Salomos und König Hirams Zeiten bereits den Phöniziern (also den Vorgängern der Griechen im Mittelmeerhandel) der Weg nach Westafrika bekannt war. Die Tarschisch-Schiffe brachten nach den Akten des Alten Testamentes, drei Jahre nach ihrer Ausfahrt, Silber aus Tarschisch und Gold aus Ufa mit. Auch Dahse glaubt, daß Ufa die Goldküste ist. Schon Julius Fürst hat das in Jeremias X, 9 und Daniel X, 5 vorkommende Wort Ufa sinngemäß mit Küste des Goldes = Goldküste übersetzt. Deutet dieses nicht sehr stark auf die Erinnerung der Westafrikaner an ihr Ufareich hin?

Aber noch mehr. Ich gebe hier als Abbildung drei Köpfe. Links eine Terrakottenmaske in der phönizischen Periode des westlichen Meeres. In der Mitte ein in Ife ausgegrabener Terrakottenkopf und als drittes endlich das Bild eines typischen Westafrikaners von heute. Alle drei sind charakterisiert durch Kreise als Tätowierung auf dei Stirn. Diese Tätowierung ist in der Archäologie des Mittelmeeres nicht nachweisbar. Es ist eine typische westafrikanische Tätowierung.



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Wir sehen sie hier lediglich im Mittelmeer angebracht auf einer Maske, die den Neger, den rechten Nigger charakterisiert. Desgleichen ist die westafrikanische Terrakotta, wie jeder Vergleich mit den sonst ausgegrabenen Funden beweist, auch wieder eine Nigger-Karikatur. Man kann also hieraus schließen, daß in dieser phönizischen Periode westafrikanische Neger am Mittelmeer als Sklaven verwendet wurden. Die Erfahrung lehrt, daß die westafrikanischen Neger die Durchquerung der Sahara aus klimatischen Gründen nicht ertragen. Sie gehen unterwegs stets zugrunde. Sie können also nur auf dem Seewege in das Mittelmeer gelangt sein. In diesem Zusammenhange erscheint es aber auch sehr wichtig, auf eine Stelle im Alten Testament aufmerksam zu machen.
Stirnkreistätowierung. 1. Terrakottamaske, Negerkopf, westliches Mittelmeer I. Jahrt. v. Chr. 2. Terrakotta, Negerkopf aus Ife I. Jahrt. v. Chr. 3. Neger aus dem inneren Kongobecken, Bussiragebiet, aus der Sammlung der DIAFE.

Wir sind gewohnt, die Stelle I. Könige X, 22 zu lesen: "Denn der König hatte Tarsis-Schiffe auf dem Meere bei den Schiffern Chirams. Einmal in drei Jahren kamen die Tarsis-Schiffe und brachten Gold und Silber, Elfenbein, Affen und Pfauen."

Dieses Wort Pfauen gleich thukkijjim hat Flavius Josephus dann in seinen jüdischen Altertümern ersetzt durch das Wort sukkijjim, womit gemeiniglich die Äthiopier gemeint sind. Also kann man für die "Pfauen" der Vulgata "Sklaven aus Äthiopien" setzen und somit dem Beispiel so beachtenswerter Forscher wie Jeremias, Bernard, Karl Niebuhr, Glaser und Dahse folgen.

Nun zeigte ich schon oben, daß diese Fahrten des Phöniziers Hiram Silber aus Tarsis und Gold aus Ufa mitbrachten. Wenn dazu in dreijähriger Fahrt nun auch noch Negersklaven an Bord genommen wurden, so müssen diese entsprechend der Verbreitung der Tätowierung der Menschen und der Tätowierung der altphönizianischen



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Negermasken aus der Bai von Guinea oder aus dem Gebiet der atlantischen Kultur stammen.

Also auch die Goldküste des Altertums! Und da möchte ich zum Schluß noch auf eine weitere Kleinigkeit hinweisen.

Oben wurde eine Karte der Verbreitung des Wortstammes Gold = sika gegeben. Die Darstellung der Verbreitung hat mir gütigerweise Herr Dr. Bernhard Struck in Dresden für das Institut angefertigt. Ich möchte die Frage aufwerfen, ob dieses eigentümliche Wort sika nicht mit dem altmedischen siglos, dem Scheckel im Hebräischen in Zusammenhang zu bringen ist. Philologisch scheint nichts gegen eine derartige Verwandtschaftsaufstellung zu sprechen. Damit aber kommen wir wieder auf den Anfang zurück. Vor uns steigt Westafrika als eine Goldquelle des Altertums auf. Ufa, die Goldküste, gab, Westafrika aber empfing dagegen die Keime zu jener eigentümlichen Kultur, die wir entsprechend ihrer geographischen Wege eben als atlantische bezeichnen.



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Die Antworten, die mehr oder weniger gelehrte Männer auf die ersten Veröffentlichungen unserer Arbeiten über den Atlantischen Kulturkreis und die Fragen nach seiner Bedeutung gegeben haben, lauteten fast übereinstimmend: entweder, daß die Übereinstimmung zwischen unseren Funden und den Erzählungen des Solon-Platon nicht wahrscheinlich sei, oder daß sie wahrscheinlich sei.

Ich kann die Wichtigkeit, die damit der Übereinstimmung zwischen einer Fabel und realem Finden zugrunde gelegt wird, nicht teilen. An sich ist die Tatsache dieser Übereinstimmung von Fabel und Fundbestand unwesentlich, genau so unwesentlich wie die andere Frage ist, ob der Schild des Achilleus der ist, der von dem geistigen Eroberer Trojas gefunden worden ist oder nicht, ob Ophir übereinstimmend sei mit der ostafrikanischen Kultur, die Hyperboräer der alten Griechen in kulturgeschichtlichen Zusammenhängen stehen mit den Steinzeitmonumenten Englands. Das alles sind Fragestellungen, die auf die Nebenwege führen.

Ich spreche dieses heute um so deutlicher und bewußter und absichtlicher aus, als das Schicksal vielleicht die wohl in Bälde erreichbare erste, in Hartmaterial gegebene Schrift aus dem Atlantischen Kulturgebiet uns zugänglich machen kann. Wenn dieses glückliche Ereignis eingetreten und damit weitere Belege für meine Ansicht geboten würden - auch dann würde ich bezweifeln, ob der Wert des Fundes und seine Beweiskraft so wichtig sind wie die andern Tatsachen, daß wir dort unten eine organisch aufgebaute, groß angelegte Kultur gefunden haben, die mit den Wurzeln in archäologischen Trümmern ruht und in unseren Tagen noch lebte.


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