Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSEND UND EIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BANDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 3

IM INSEL-VERLAG


DIE GESCHICHTE VON DEM KALIFEN EL-MUTAWAKKIL UND DER SKLAVIN MAHBÛBA

Im Palaste des Beherrschers der Gläubigen el-Mutawakkil 'ala-llâh' waren vierhundert Nebenfrauen, darunter zweihundert Griechinnen und zweihundert Einheimische von unfreien Eltern und Abessinierinnen. Und dazu schenkte ihm 'Ubaid ibn Tâhir noch vierhundert andere Mädchen. zweihundert weiße und zweihundert Abessinierinnen und einheimische Mulattinnen. Unter diesen letzteren befand sich eine Sklavin aus Basra, des Namens Mahbûba; die übertraf alle anderen an Schönheit und Lieblichkeit, Anmut und Zierlichkeit: auch verstand sie die Laute zu spielen und lieblich zu singen, Verse zu dichten und schön zu schreiben, so daß el-Mutawakkil ganz von ihr bezaubert wurde und nicht eine Stunde lang die Trennung von ihr ertragen konnte. Als sie aber seine Neigung zu ihr sah, ward sie anmaßend gegen ihn und vergaß sich im Übermute des Glücks. Da ward er von heftigem Groll gegen sie erfüllt, verstieß sie und verbot allen Bewohnern des Palastes mit ihr zu reden. So blieb es einige Tage lang; aber der Kalif hing doch noch immer an ihr. Eines Morgens nun sprach er zu seinen Höflingen: ,Ich habe heut nacht geträumt, daß ich mit Mahbûba versöhnt wäre.' Sie erwiderten darauf: ,Wir flehen zu Allah dem Erhabenen, daß dies Wirklichkeit sein möchte!' Während sie noch miteinander redeten, trat plötzlich eine Dienerin herein und flüsterte dem Kalifen heimlich etwas ins Ohr. Da verließ er den Thronsaal und begab sich in den Harem; denn was sie ihm zugeflüstert hatte, war dies: ,Wir haben aus Mahbûbas Gemach Gesang und Lautenspiel



1000-und-1_Vol-03-340 Flip arpa

gehört, und wir wissen nicht, was das bedeuten soll.' Als er nun zu ihrem Gemache kam, hörte er, wie sie zur Laute sang; liebliche Weisen ließ sie erklingen und hub an diese Verse zu singen:

Ich wandre rings umher im Schloß und finde keinen,
Der mit mir spricht; ach, keinem klage ich mein Leid.
Mir ist, als hätt ich eine Schuld auf mich geladen,
Für die es keine Reue gibt, die mich befreit.
Ach, finde ich denn noch beim König einen Fürsprech? Er kam im Schlaf und sagte, daß er mir verzeiht!
Doch als der Morgen dann sein helles Licht uns brachte,
Da stieß er mich zurück in meine Einsamkeit.

Als el-Mutawakkil ihre Worte vernahm, wunderte er sich über diese Verse und über das seltsame Zusammentreffen, da Malibûba denselben Traum gehabt hatte wie er; und er trat in ihr Gemach ein. Sobald sie ihn bemerkte, sprang sie auf, warf sich vor seinen Füßen nieder und küßte sie. Dann sprach sie: ,Bei Allah, mein Gebieter, dies habe ich in der letzten Nacht geträumt! Und als ich aus dem Schlafe aufwachte, dichtete ich diese Verse.' Der Kalif erwiderte ihr: ,Bei Allah, ich habe das gleiche geträumt!' Darauf umarmten sie einander und versöhnten sich; und er blieb sieben Tage mitsamt den Nächten bei ihr. Mahbûba aber hatte den Vornamen' des Kaufen el-Mutawakkil mit Moschus auf ihre Wangen geschrieben; und der lautete Dscha'far. Als er nun seinen Vornamen auf ihrer Wange sah, da sprach er aus dem Stegreife:

Sie schrieb den Namen Dscha'far mit Moschus auf die Wange;
Ich geb fur sie mein Leben, die schrieb, was ich geschaut!
Und schrieb auf ihre Wange ihr Finger eine Zeile,
So hat sie meinem Herzen viel Zeilen anvertraut. 



1000-und-1_Vol-03-341 Flip arpa

Von aller Welt besitzet dich Dscha'far nur allein;
Drum tränke Allah Dscha'far' mit deiner Liebe Wein!

Und als el-Mutawakkil starb, da vergaßen ihn alle Sklavinnen, die er besessen hatte, nur Mahbûba nicht. — —«

Da bemerkte Schehrezâd, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an. Doch als die 353. Nacht anbrach, fuhr sie also fort: »Es ist mir berichtet worden, o glücklicher König, daß nach dem Tode el-Mutawakkils alle Sklavinnen, die er besessen hatte, ihn vergaßen, nur Mahbûba nicht; die betrauerte ihn bis zu ihrem Tode, und sie ward an seiner Seite begraben -Allahs Barmherzigkeit ruhe auf ihnen allen!

Ferner erzählt man


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt