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Erstes Buch. Klio.
...und über Lakedämon, dessen Gesetzgeber Lycurgus und Kämpfe mit Tegea

I 65-68

Dies war; wie Krösus in Erfahrung brachte, die Lage der Athener zu dieser Seit; von den Lakedämoniern hieß es, sie wären großen Übeln entnommen und wären bereits den Tegeaten im Kriege überlegen. Denn zu der Zeit, als Leo und Hegesikles Könige zu Sparta waren, waren die Lakedämonier in allen andern

Kriegen glücklich, allein im Kampfe mit den Tegeaten waren sie unglücklich; in früherer Zeit hatten sie sogar fast unter allen Hellenen die schlimmsten Gesetze, und hatten keinen Verkehr untereinander, und mit Fremden. Sie kamen aber wieder zu guten Gesetzen auf folgende Weise. Als Lykurgus, ein angesehener Mann unter den Spartanern, nach Delphi zu dem Orakel kam, sprach die Pythia, wie er in das Heiligtum eintrat, zu ihm alsbald die folgenden Worte:

O Lykurgus, du kommst zu meinem Tempel, dem reichen,
Teuer dem Zeus und allen, so viel den Olympos bewohnen;
Ob ich als Gott dich nenne oder als Menschen, bezweifl' ich,
Doch ich denke, noch eher nenn' ich dich Gott, o Lykurgus.

Auch behaupteten einige, Pythia habe überdies ihm die ganze Staatsverfassung, wie sie jetzt in Sparta besteht, angegeben; die Lakedämonier selbst aber sagen, Lykurgus habe, da er Vormund war über Leobotes, den Sohn seines Bruders und den eigentlichen König von Sparta, diese Verfassung aus Kreta mitgebracht [1)]. Kaum nämlich war Lykurgus Vormund geworden, so traf er in den Gesetzen die nötigen Änderungen, und überwachte dieselben, so daß sie nicht überschritten wurden; auch bestimmte er alles, was auf den Krieg sich bezieht: die Enomotien [2)], die

Triakaden [1)] und die gemeinsamen Mahle [2)], zudem bestellte er die Ephoren [3)] und die Greise ).


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66.

Infolge dieser Änderungen kamen die Lakedämonier wieder zu guten Gesetzen: dem Lykurgus aber errichteten sie nach seinem Tode einen Tempel und erwiesen ihm große Verehrung: weil nun ihr Land gut war und die Bevölkerung nicht gering an Zahl, so kamen sie bald wieder auf und blühten herrlich; und nun genügte es ihnen nicht mehr, ruhig zu bleiben, sondern in der Meinung, sie wären den Arkadern überlegen, wendeten sie sich an das Orakel zu Delphi mit einer Anfrage wegen des ganzen Landes Arkadien. Darauf gab die Pythia ihnen folgende Antwort:

Ganz Arkadien willst du von mir? viel; ich versag' es;
Viel' in Arkadien sind es der eicheln-essenden Männer,
Welche dich hindern daran doch ich mißgönn' es dir gar nicht:
Ich will dich laffen erheben den Sang auf Tegea und treten mit Füssen
Und dann messen die herrliche Flur mit dem Maße der Leine.

Als diesen Spruch die Lakedämonier vernommen hatten, standen sie von den übrigen Arkadern ab: dagegen wider die Tegeaten zogen sie ins Feld, und nahmen Fesseln mit, im Vertrauen auf den trügerischen Orakelspruch, und in der Erwartung, die Tegeaten zu Sklaven zu machen. Aber sie unterlagen bei dem Zusammenstoß und, so viele von ihnen gefangen wurden, die hatten jetzt in den Fesseln,

die sie selbst mitgebracht hatten, das Feld der Tegeaten zu bebauen und mit der Leine zu niessen. Diese Fesseln, in denen sie gebunden waren, befanden sich noch bis auf meine Zeit wohlbehalten zu Tegea, wo sie um den Tempel der Athene Alea [1] herum aufgehängt waren.


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In diesem früheren Kriege waren sie also stets unglücklich im Kampfe mit den Tegeaten; zu der Zeit des Krösus aber und ;u der Zeit der Könige Anaxandridas und Aristo in Lakedämon hatten die Spartaner bereits im Kriege die Oberhand gewonnen, und zwar auf folgende Weise. Da sie in dein Kriege stets den Tegeaten unterlagen, schickten sie Gesandte nach Delphi und ließen anfragen, welchen Gott sie wohl zu versöhnen hätten, um im Kriege mit den Tegeaten die Oberhand zu gewinnen. Darauf antwortete ihnen die Pythia: dies würde geschehen, wenn sie die Gebeine des Orestes, des Sohnes des Agamemnon, zu sich gebracht hätten. Da sie aber den Sarg des Orestrs nicht aufzufinden vermochten, schickten sie wiederum an den Gott. um die Stelle zu erfragen, wo Orestes läge. Auf diese Frage der Gesandten gab die Pythia folgende Antwort:

"Tegea ist ein Ort in Arkadias weitem Gefilde,
Wo zwei Winde dir brausen, getrieben von mächtigem Drange,
Ein Schlag folget auf Schlag und Unheil kommet auf Unheil.
Dort bewahret die nährende Erde den Sohn Agamemnons;
Tegea wird dir dienen, sobald du heim ihn gebracht hast.

Als auch dieses die Lakedämonier vernommen, vermochten sie darum doch nicht den Ort aufzufinden, so sehr sie auch alles durchsuchten, bis endlich Liches, einer von den sogenannten Agathoergen Spartas, ihn auffand. Die Agathoergen [Wohlthäter] sind solche Bürger, die als die ältesten stets aus den Rittern austreten, fünf in jedem Jahre; in dem Jahre, in welchem sie aus den Rittern austreten, müssen sie für den Staat der Spartaner Botschaften thun, allerorten hin, und dürfen nirgends verweilen.


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Liches nun, einer von diesen Männern, fand den Ort auf, durch den Zufall unterstützt, wie durch eigene Einsicht. Da nämlich während dieser Zeit immer ein Verkehr mit den Tegeaten stattfand, so trat er in eine Schmiede und beobachtete das Eisen, wie es getrieben wurde; und er geriet in Verwunderung, als er die Arbeit erblickte. Wie der Schmied merkte, daß er so verwundert war, hielt er inne mit seiner Arbeit und sprach: "Mein Freund aus Lakedämon, fürwahr, du würdest dich, wenn du gesehen hättest, was ich gesehen, noch mehr verwundert haben, da du jetzt ein so großes Wunder aus der Bearbeitung des Eisens machst. Ich wollte mir nämlich hier in diesem Hofe einen Brunnen machen und stieß bei dem Graben auf einen Sarg von sieben Ellen Länge. Weil ich aber nicht glauben konnte, daß es je größere Menschen, als sie jetzt sind, gegeben hat, so öffnete ich den Sarg und sah den Leichnam, der von gleicher Länge wie der Sarg war; nachdem ich dann das Maß genommen, schüttete ich alles wieder zu."Dieser erzählte ihm also, was er gesehen; Liches aber dachte über diese Rede nach und kam auf die Vermutung, es sei, dem Götterspruch, Orestes; er schloß nämlich also: inden zwei Blasebälgen des Schmiedes, die er gesehen, erkannte er die zwei Winde, in dem Amboß und Hammer den Schlag und den Gegenschlag, in dem Eisen, das gehämmert wird, das Unheil, das auf Unheil liegt, weil nämlich, wie er meinte, das Eisen zum Unheil der Menschen aufgefunden worden. Also schloß er und kehrte dann heim nach Sparta, wo er den Lakedämoniern den ganzen Vorfall erzählte. Diese aber zogen ihn vor Gericht, indem sie aus einem erdichteten Vorwand Klage wider ihn erhoben. Da kam er nach Tegea und erzählte sein Unglück dem Schmied, der ihm jedoch den Hof, den er abmieten wollte, nicht überließ. Indessen nach einiger Zeit ließ sich der Schmied bewegen, und Liches nahm dann seine Wohnung. Da öffnete er das Grab, sammelte die Gebeine und brachte sie alsbald nach Sparta. Und von dieser Zeit an behielten die Lakedämonier im Kampfe mit den Tegeaten, so oft sie sich gegeneinander versuchten, bei weitem die Oberhand: es war ihnen aber auch bereits der größere Teil des Peloponues unterwürfig.