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Erstes Buch. Klio.
...über den Zustand Athens unter Pisistratus

I 59-64

Von diesen Völkern nun war das attische, wie Krösus in Erfahrung brachte, unterdrückt und in Parteiung zerrissen durch Pisistratus, des Hippokrates Sohn, welcher zu dieser Zeit über Athen herrschte. Dem Hippokrates, welcher ein Privatmann war, widerfuhr, während er den olympischen Spielen anwohnte, ein großes Wunder. Als er nämlich sein Opfer geschlachtet hatte, fingen die dabei stehenden Kessel, welche voll von Fleisch und Wasser waren, ohne Feuer zu kochen an und liefen über. Da gab Chilon aus Lakedämon, welcher zugegen war und das Wunderzeichen angesehen hatte, dem Hippokrates den Rat, vorerst kein Weib, welches Kinder gebäre, in sein Haus zu nehmen; wenn er aber schon eines hätte, dann solle er das Weib entfernen, und wenn er schon einen Sohn hätte, sich von demselben lossagen. Hippokrates aber, sagt man, habe diesem Rate des Chilon nicht folgen wollen, und so sei ihm nachher dieser Pisistratus geboren

worden, welcher; als die Athener, die an der Küste wohnten [1)], mit denen, die von der Ebene waren, in Streit gerieten, und an die Spitze der einen Megakles, des Alkmäon Sohn, an die Spitze der andern von der Ebene aber Lykurgus, der Sohn des Aristolaides getreten war, eine dritte Partei stiftete, da ihn nach der Herrschaft gelüstete. Er sammelte Anhänger und indem er vorgab, an der Spitze der Leute vom Gebirge zu stehen, ersann er folgendes: er verwundete sich und seine Maultiere, fuhr darauf mit dem Gespann auf den Markt, wie wenn er seinen Feinden entronnen, welche ihn auf der Fahrt nach dem Felde hätten ermorden wollen, und wendete sich an das Volk mit der Bitte, ihm eine Schutzwache zu geben, da er schon früher in dem Feldzuge, der wider die Megarer stattgefunden, sich ausgezeichnet, Nisäa [2)] erobert und andere große Thaten vollbracht habe. Das athenische Volk, getäuscht auf diese Weise, gestattete ihm aus der Zahl der Bürger sich diejenigen auszuwählen, welche zwar nicht Lanzenträger [3)] des Pisistratus waren, sondern Keulenträger. Denn mit hölzernen Keulen folgten sie hinter ihm. Diese erhoben sich nun zugleich mit Pisistratus und besetzten die Burg. Von da an war Pisistratus Herr über die Athener: indessen schaffte er weder die bestehenden Ämter ab, noch nahm er mit den Gesetzen Änderungen vor; sondern er ließ die Verfassung [4)] bestehen und regierte die Stadt herrlich und gut.


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Nach nicht langer Zeit aber wurden die Anhänger des Megakles und die des Lykurgus eines Sinnes und vertrieben ihn.

Also hatte Pisistratus zum erstenmal Athen im Besitz, und also verlor er die Herrschaft wieder, welche noch nicht sehr feste Wurzeln gefaßt hatte. Die aber, welche den Pisistratus vertrieben hatten, gerieten alsbald aufs neue mit einander in Streit: da ließ Megakles, welcher durch diesen Aufruhr gedrängt war, durch einen Herold dem Pisistratus entbieten, ob er seine Tochter zum Weibe nehmen und unter dieser Bedingung die Herrschaft gewinnen wolle. Als darauf Pisistratus den Vorschlag angenommen hatte und auf diese Bedingung eingegangen war, so ersannen sie, um den Pisistratus wieder zurückzuführen, eine, wie ich finde, höchst einfältige Sache, insofern das hellenische Volk, das von dem barbarischen seit Alters her getrennt ist; weit gewandter und von einfältiger Thorheit weit mehr entfernt ist. Bei den Athenern also, welche doch unter allen Hellenen für die ersten an Verstand gelten, ersannen sie folgendes. In dem päanischen Gau befand sich ein Weib, mit Namen Phya, so groß, daß zu vier Ellen nur drei Finger fehlten [1)], und auch sonst schön gestaltet. Diesem Weibe legten sie eine volle Rüstung an, setzten dann die Frau in einen Wagen, und gaben ihr die schönste Haltung, in der sie sich zeigen Sollte; so fuhren sie dieselbe in die Stadt, nachdem sie Herolde als Vorläufer vorausgesendet, welche, als sie in die Stadt gekommen waren, den gegebenen Auftrag in folgenden Worten verkündeten: O Athener; nehmt mit geneigtem Sinne den Pisistratus auf, welchen Athene selbst am meisten unter allen Menschen ehret und nun in ihre Burg zurückführt. Solches verkündeten nun die Herolde aller Orten, wohin sie zogen: alsbald aber drang unter das Landvolk ein Gerücht, daß Athene den Pisistratus zurückführe: und die; welche in der Stadt lebten, fingen an zu glauben, das Weib sei die Göttin selbst, bewiesen ihr Verehrung und nahmen den Pisistratus auf.


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Als Pisistratus auf die bemerkte Weise die Herrschaft wieder errungen hatte, heiratete er, nach der mit Megakles eingegangenen Verabredung, die Tochter des Megakles. Da er aber schon erwachsene Söhne hatte und die Alkmäoniden mit einem Fluche belastet sein

sollten [1)], so pflegte er; weil er von seiner neu erwählten Frau keine Kinder haben wollte, mit ihr Umgang in ungebührlicher Weise. Die Frau verbarg es anfangs, nachher aber erzählte sie es ihrer Mutter, sei es auf Befragen derselben oder auch nicht, diese aber ihrem Manne, der es schwer aufnahm, von Pisistratus auf solche Weise gemißachtet zu werden, und im Jom darüber, wie er war, sich mit seinen Gegnern aussöhnte von der Feindschaft. Als aber Pisistratus merkte, was wider ihn geschah, machte er sich aus dem Lande ganz davon, ging nach Eretria und pflegte dort Rats mit seinen Söhnen: hier gewann des Hippias Ansicht, die Herrschaft wiederzugewinnen, die Oberhand; sie sammelten daher Gaben aus den Städten, die ihnen schon vorher irgendwie zu Dank verpflichtet waren: unter den vielen aber, welche bedeutende Summen ihnen beisteuerten, ragten die Thebaner am meisten hervor durch ihre Gabe. Darauf, um es kurz anzugeben, verstrich einige Zeit dazwischen, während welcher alles in Bereitschaft gebracht war zur Heimkehr; auch argivische Söldner waren aus dem Peloponnes angekommen, und aus Naxos war freiwillig zu ihnen gestoßen ein Mann, mit Namen Lygdamis, der sehr großen Eifer bewies und Geld und Mannschaft mitbrachte.


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So brachen sie auf von Eretria und traten im elften Jahr die Heimkehr an; zuerst im attischen Gebiete besetzten sie Marathon; an diesem Orte schlugen sie ihr Lager auf, und dahin kamen aus der Stadt ihre Anhänger, auch andere aus der Landschaft strömten herzu, welchen die Herrschaft lieber war als die Freiheit. Diese also sammelten sich hier. Die Athener in der Stadt nahmen, so lange Pisistratus die Gelder einsammelte, und auch nachher; als er Marathon besetzt hielt, darauf gar keine Rücksicht; als sie aber die Kunde erhielten, erziehe von Marathon nach der Stadt, da rückten sie gegen ihn aus und zogen mit aller Heeresmacht wider die Heimkehrenden; Pisistratus aber und seine Leute, welche von Marathon aufgebrochen gegen die Stadt rückten, kamen mit jenen zusammen bei dem Tempel der Pallenischen Athene; und nahmen ihnen gegenüber ihre Stellung. Da kam durch göttliche Schickung Amphilytus aus Akarnanien, ein Seher; zu dem Pisistratus, und sprach, zu ihm herzutretend, den

Schon ist geworfen das Garn und ausgebreitet das Netze:
Und es stürzet hinein der Thunfisch im Dunkel der Mondnacht,

Also sprach er begeistert zu ihm. Pisistratus aber; der das Orakel erfaßt und den Spruch anzunehmen erklärt hatte, führte darauf sein Heer heran. Es hatten aber damals die Athener aus der Stadt sich dem Frühstück zugewendet; und nach dem Frühstück waren etliche ans Würfeln, andere dagegen schlafen gegangen. Da fiel Pisistratus mit seinen Leuten über die Athener her und schlug sie in die Flucht. Und als sie auf der Flucht waren, da ersann Pisistratus eine recht kluge List, damit die Athener sich nicht mehr sammeln könnten, sondern zerstreut blieben. Er ließ seine Söhne zu Pferde steigen und schickte sie voraus; so holten sie die Fliehenden ein und meldeten ihnen die Aufträge des Pisistratus, sie sollten nur Mut fassen und ruhig heimgehen, jeder in sein Haus.


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Die Athener leisteten Folge und so kam Pisistratus zum drittenmal in den Besitz von Athen, wo er seine Herrschaft befestigte durch zahlreiche Hilfsvölker und Zuflüsse von Geld, das teils aus dem Lande selbst, teils von dem Flusse Strymon her ihm zufiel; aber die Söhne der zurückgebliebenen Athener; die nicht sogleich (aus der Stadt) geflohen waren, ergriff er als Geiseln und brachte sie nach Naxos; denn diese Insel hatte Pisistratus durch Krieg sich unterworfen und dem Lygdamis anvertraut, ebenso auch nach Delos, das er den Göttersprüchen gemäß gereinigt hatte, und zwar auf folgende Weise: so weit der Anblick des Tempels reichte, ließ er aus diesem ganzen Raume die Toten herausgraben und nach einer andern Stelle auf der Insel verbringen. Also ward Pisistratus wieder Herr von Athen: von den Athenern war ein Teil in dem Kampfe gefallen, ein anderer Teil ergriff mit dem Alkmäoniden (Megakles) die Flucht aus dem heimatlichen Lande.