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[860]

Peter Simler an
Bullinger
Kappel,
8. Juli 1536

Autograph: Zürich ZB, Ms A 84, 531 (Siegelspur) Ungedruckt

Kaspar [Megander] möchte Bern erst im Herbst verlassen. Die Berner lassen sich mit keinen fremden Herren ein; mit König [Franz I.] von Frankreich gibt es keine Vereinbarungen in bezug auf die [Waadt], Kaiser [Karl V.]erzeigt sich in semen Schreiben sehr freundlich. In Bern wird Zürichs Durchmarschverbot zwar positiv gewürdigt, doch in Murten ließ man einen werbenden Solothurner Hauptmann laufen. Hat von einem fränkischen Hauptmann in französischen Diensten gehört, daß [Francesco], der Marchese von Saluzzo, zum Kaiser übergegangen sei und dass König [Franz]noch keine taugliche Armee besitze, obwohl Frankreich allein schon wegen der vortrefflichen Königin [Margareta] von Navarra viel Glück zu gönnen wäre; der König wolle 12000 Söldner von Bern bekommen, von England würden ihm 30000 geschickt. Grüße.

Gratia et pax a deo per Christum.

Wolgelerter, ersamer, lieber her gfatter 1 , es hett her Caspar 2 zu Bern nit zit gehept, üch ze schriben, sonnder mir bevolchenn, üch von mund ze sagenn, das er sinen radtschlag 3 , von Bern zu ziechen, geendert hab, sonnder welle noch also beharren bis zu herpst Verhofft, die kilch zu Bern sye wol versächen, deßhalben er dannethin werde understan, mit fügen dannen ze stellen 5 ; dann er hab sin gedächtnuß mit untraglicher arbeit in grossen abgang bracht 6 .

Annderer hendlen 7 halb hat mir her Caspar unnd Tremp anzöugt, das sy in statt unnd land des willens sygint, aller herren müssig ze gon. Sy habint ouch mit dem küng 8 des gewunnen lands 9 halb kein vertrag, das sy im deshalb nützit 10 schuldig sygint. Sy sagent ouch, das sich der keyser mit sinen gschrifften 11 gantz früntlich gegen inen erzöug.

Caspar hat mir ouch anzöugt, das vil in Bern, so vormals minen heren von Zürich nit günstig gewesen, sy jetz hoch lobint; vermeinent, sy habint wyßlich gehandlet in abschlachung der paß 12 . Wiewol denocht her Caspar allwegen

1 Pate, auch als Anrede für den Vater des Täuflings gebraucht (SI I 1128); vgl. auch Bächtold, Bullinger vor dem Rat 208f, Anm. 62.
2 Kaspar Megander.
3 Entschluß (SI IX 242f.
4 Zu Meganders Absicht, Bern zu verlassen, und zur Bitte, nach Zürich zurückkehren zu dürfen, vgl. oben Nr. 772, 24-32, und 837, 7-23.
5 so daß er dann mit gutem Gewissen wegziehen könne.
6 er habe seine Geisteskraft durch übermäßiges Arbeiten geschwächt.
7 Angelegenheiten (SI II 1397f).
8 Franz I., König von Frankreich.
9 Gemeint ist das beim Feldzug in die Waadt eroberte Gebiet.
10 nichts.
11 Vgl. EA IV/1c 689. 703f.
12 Der Große Rat von Zürich hatte bei seiner Erneuerung des Solddienstverbotes am 16. März 1536 die Untervögte angewiesen, fremde Söldner am Durchmarsch durch das Zürcher Territorium zu hindern bzw. festzunehmen (vgl. Zürich StA, A 42. 1). Dem französischen Gesandten war kurz darauf ein Gesuch um freien Durchzug von Söldnern abgeschlagen worden (vgl. oben Nr. 783, 21-24), und Anfang

sorgsam 13 ist, unnd klagt sich vil von unstandhaffti der Berneren. Sy habent der tagen einen Solothurner houptman 14 , so inen die iren uffgeweyblet 15 , ze Murten gfangen unnd berechtet 16 , aber ledig sub conditione ußgelassen, daran Caspar ein groß mißfal hat.

Es ist ein houptman der landsknechten 17 im heimryten mit mir geridten, ist des küngs diener, ein Franck, ist ein wolberedter, wolbeleßner man, latin unnd tütsch a , im evangelio wolbericht 18 ; der seyt mir, das der margraff von Salüssen vom küng zum keyser gfallen sye 19 . Unnd hab der künig noch keinen rechten züg 20 . Er hab etwan 6000 eydlosen 21 unnd 6000 landsknecht; die sind gar nit ems, unnd sye das läger voller huren unnd buben. Er b sagt, sölle dem Franckrych etwas glücks widerfaren, so müsse es gott von eines wybs wegen, der küngen Navarre, des küngs schwester 22 , thun; dann die seib von wegen ir gloubens, liebe, wyßheit unnd tugent nit gnugsam mög geprysst werden etc. Wyter verstand ich vom selben, das die pratick 23 des küngs on unnderlaß unnder unns gat. Dann als ich im seyt, die Berner weltint nit kriegen, do redt er, die Berner werdent noch dem kunig 12000 man geben, unnd redt wyter, ir werdend wol innen, was mit der zit geschächen wirt; daby seit er, der küng us Engelland 24 welt dem Frantzosen 30000 man zuschicken etc. Gott welle alle hendel zum besten schicken.

Es grützt üch Caspar, Rellican, min bruder 25 unnd ander gut gsellen.

Datum ze Cappel, am 8. tag julii 1536.

Petrus Simler.

[Adresse auf der Rückseite:] Dem wolgelerten, ersamen heren Meister Heinrichen Bullinger, predicanten Zürich, minem lieben gfatteren.

a in der Vorlage tüsch.
b Er korrigiert aus Es.
Juni hatte man Ägidius Tschudi mit seinen Söldnern aus dem Zürcher Territoriurn weggewiesen (vgl. oben Nr. 841, 37-40 mit Anm. 21), während Bern im Mai den Durchmarsch französischer Truppen gestattete (vgl. oben Nr. 831, Anm. 2).
13 besorgt (SI VII 1322).
14 Unbekannt.
15 angeworben, zum Kriegsdienst angestiftet (SI XV 135f).
16 vor Gericht angeklagt (SI VI 310f).
17 Unbekannt.
18 gut unterrichtet.
19 Francesco (1498-1537), seit 1529 Marchese
von Saluzzo (vgl. P. Sella, Tavola genealogica dei marchesi di Saluzzo, in: Noemi Gabrielli, Arte nell' antico marchesato di Saluzzo, Turin 1974, S. 226). Über semen Abfall vom französischen König vgl. Armando Tallone, Gli ultimi marchesi di Saluzzo dal 1504 al 1548, in: D. Carutti et al., Studi Saluzzesi, Pinerolo 1901. —Biblioteca della Società storica subalpina X, S. 317-327.
20 Heer (Grimm XV 832. XVI 388).
21 Eidbrüchige (DRW II 1314); Eidgenossen, die das Reislaufverbot übertraten.
22 Margareta, Königin von Navarra.
23 die geheimen Umtriebe (SI V 5680.
24 Heinrich VIII., König von England.
25 Heinrich Simler, Bern (vgl. HBBW I, S. 215f, Anm. 56).