Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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51

GERVASIUS SCHULER AN
BULLINGER
[Basel],
18. Dezember 1531

Autograph: Zürich StA, E II 361, 328 3/4 fol. S., sehr gut erhalten, mit Siegelabdruck Ungedruckt

Obwohl er noch nichts Sicheres über seine Anstellung in Basel weiß, billet er Bullinger, seine in Zürich gebliebene Frau zu ermutigen, und übermittelt Nachrichten und Grüße aus Basel.

Gratiam et pacem.

Basileam misisti, charissime frater, sicque litteris tractasti, ut plane non peregrinari, sed in animi delitiis michi vivere videar, tametsi nondum ex voto michi successerit iuxtaque id, quod magno desiderio tu quoque michi eventurum speras. Sic tamen spe fruor, ut indotatus abire neutiquam verear 2 Quod vero iam tibi quid certi significem, non habeo. Interim sese michi obtulit nuncius 3 quem nolui vacuum abire; si per occasionem liberiorem licuerit, scribam. Tu interim perge, ut coepisti, atque uxorem meam 4 satis ampliter adflictam consolare; brevi me non absque foenore uberioris fortunae rediturum nuncia nomine meo. Dominus faxit, ut omnia interim aequo animo feramus, strenui in offitio atque suscepta provintia, bonam militiam deferentes 5 usque in diem expeditionis nostre.

Nichil habeo novarum, que scribam rerum. Basilienses pridie Argentinam perrexerunt, letum nuncium deferentes votique plane compotes facti 6 , quemadmodum Rudolphus Fry 7 , vir pius, retulit fratribus. Speramus propediem omnium rerum conditorem tam lamentabilem casum magno potentie sue foenore reparaturum. Cuius causa negotii et tu quoque omnes conatus animi accomodare ne desinas neque formides. Ego pro mei spiritus dono orationibus tam sanctis conatibus numquam deero.

1 Siehe oben, S. 193f, Anm. 5; Nr. 43.
2 Tatsächlich erhielt er eine Stelle als Diakon zu St. Leonhard in Basel (s. oben S. 193f, Anm. 5).
3 Unbekannt.
4 Siehe oben, S. 222, Anm. 4.
5 Vgl. 1 Tim 1,18.
6 Diese Gesandtschaft wird in den Aktensammlungen nicht erwähnt. Möglicherweise stand sie in Zusammenhang mit Basels Verhandlungen mit den V Orten, die am 22. Dezember 1531 zum Friedensschluß führten (EA IV/1b, 1575); wahrscheinlich suchte Basel in Straßburg Verständnis für diese Politik, vgl. u. a. Hermann Escher, Die Glaubensparteien in der Eidgenossenschaft und ihre Beziehungen zum Ausland, vornehmlich zum Hause Habsburg und zu den deutschen Protestanten 1527-1531, Diss. phil. Zürich, Frauenfeld 1882, S. 300-302 und Ferdinand Schmid, Die Vermittlungsbemühungen des In- und Auslandes während der beiden Kappeler Kriege, Diss. phil. Zürich, Basel 1946, S. 79.
7 Hans Rudolf Frey, etwa 1475-1551, von Mellingen (Kt. Aargau), Kaufmann, seit 1501 Bürger von Basel, zünftig zu Safran und zum Schlüssel, seit 1529 Zunftmeister zum Schlüssel und Ratsherr. 1521 verweigerte er die Annahme französischer Pensionsgelder. Er war einer der Vorsitzenden der ersten evangelischen Synode in Basel vom Mai 1529 (ABaslerRef III 558). 1529 begleitete er Oekolampad zum Marburger Gespräch und trat zu Zwingli in ein freundschaftliches Verhältnis. Frey war Abgeordneter an Tagsatzungen 1529/30 (s. EA IV/1b 298; Z XI 160, Anm. 16) und 1531 Hauptmann der Basler in der Schlacht am Gubel. Ob ihn Bullinger schon damals persönlich kannte, ist ungewiß. Ein Brief von Frey an Bullinger vom 4. Januar 1536 ist erhalten geblieben. — Lit.: Z X 288f, Anm. 5-6; Oekolampad BA I 363, Anm. 1; HBLS III 244.

Vale, delitie mee [!], charissime frater, mearum adflictionum in orationibus tuis ne obliviscaris.

Datum 18. die decembris anno 1531.

Gervasius Scolasticus,

ex animo tuus.

Saluta fratres in Christo, maxime Erasmum 8 meum, qui miris conatibus animi adflictiones meas onere liberavit. Salutat te Marcus Berzius 9 fratrum studiosus.

[Adresse auf der Rückseite:] Heinricho Bullingero plane meo in domino.

8 Wahrscheinlich Erasmus Schmid (Fabricius), etwa 1495-1546, geboren in Stein am Rhein (damals zürcherisch, heute Kt. Schaffhausen), 1509 an der Universität Freiburg immatrikuliert, 1513/14 Magister (Freiburg, Matrikel I 189). Vorübergehend wirkte er als Schulmeister in Sitten. 1516 setzte er seine Studien an der Universität Basel fort (Basel, Matrikel I 330), bald danach wurde er zum Priester geweiht und ließ sich -vermutlich ohne feste Anstellung - in Stein am Rhein nieder. 1518 nahm Schmid mit Zwingli Verbindung auf (Z VII 84-86) und erhielt eine Chorherrenpfründe am Großmünsterstift in Zürich, ohne jedoch vorerst Stein zu verlassen. Ungefähr seit 1520 übten die Schriften Luthers und Karlstadts auf ihn einen großen Einfluß aus und bewirkten sein radikales Eintreten für die Reformation. Nach der Übersiedlung nach Zürich 1522 schloß sich Schmid Zwingli an: er unterschrieb die Eingabe an Bischof Hugo von Hohenlandenberg vom 2. Juli 1522 (Z I 208,22) und nahm an der Ersten Zürcher Disputation teil (Z I 566,8ff). Vermutlich im folgenden Jahr kehrte Schmid als Prädikant nach Stein zurück. Wegen seiner führenden Rolle im Ittinger Sturm 1524 wurde er zeitweilig aus zürcherischem Gebiet verbannt (AZürcherRef 1450). 1528 erhielt er seine Chorherrenpfründe zurück (AZürcherRef 1450; vgl. HBRG III 291). Nach 1528 versah er die Pfarrstelle in Zollikon (AZürcherRef 1492.1714, S. 730. 1757, S. 752. 2002, S. 884). 1535-1538 amtete Schmid als Pfarrer in Reichenweier (Elsaß), vgl. Vadian BW V 253; er kam dann als Archidiakon am Großmünster wieder nach Zürich, wo er kurz vor seinem Tode das Bürgerrecht geschenkt bekam. Bullinger zählt Schmid unter seinen Freunden auf (HBD 128,17). Ein Gedicht Schmids auf Zwinglis Tod ist erhalten geblieben. —Lit.: Georg Finsler, Epitaphien auf Huldreich Zwingli, in: Zwa Il 421; HBD 34,4f; Blarer BW, Reg.; Z VII 84, Anm. 1; Bopp Nr. 1297; Frieda Maria Huggenberg, Ein Helfer Zwinglis. Zum Jubiläum von Stein am Rhein im Frühjahr 1957, in: Reformatio, Jg. 6, 1957, S. 97-102; Oskar Vasella, Zur Biographie des Prädikanten Erasmus Schmid, in: ZSKG L, 1956, 353-366; Oskar Vasella, Der Ittinger Sturm im Lichte österreichischer Berichte (1524), in: Reformata reformanda, Festg. f. Hubert Jedin zum 17. Juni 1965. Hg. v. Erwin Iserloh und Konrad Repgen, I, Münster Westf. (1965). — RGST, Suppl. bd. I/1, S. 365-392; HBLS VI 205; Pfarrerbuch 506; s. oben, S. 104, Anm. 27.
9 Siehe oben, S. 219, Anm. 1.