Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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[464]

Johannes Zwick an
Bullinger
Konstanz,
22. Oktober 1534

Autograph: Zürich StA, E II 364, 89 (Siegelspur) Ungedruckt

Erwartet einen zu Ambrosius [Blarer]gesandten Boten zurück. Der Kaiser soll ein Flottenunternehmen gegen die Türken planen. Wunsch nach Einigkeit der Kirche. Grüße. Dankt für Bullingers «Assertio utriusque in Christo naturae» gegen die «Arianer» und zur Erhaltung der Kircheneinheit. Ludwig Hätzer wurde wegen seiner Gottlosigkeit in Konstanz bestraft. In seiner Prophetenübersetzung gestand er Christus den Gottesnamen nicht zu. Zwick bittet um Rückgabe seines Briefes [Nr. 435].

Salve.

Nec ego quicquam habeo, quod te scire referat. Ad Ambrosium 1 vero nuntius 2 missus est, quem in horas expecto. Si quid ille scitu dignum adtulerit, non ignorabis.

De Caesaris adventu 3 nos nihil habemus. Tamen sunt, qui dicant navalem armaturam contra Turcam parari 4 .

Nobis Christi negotium agentibus anxie observandum est, ne animos nostros disiungant insolentes quidam affectus, ex quibus ecclesiae nascatur dissidium, deinde, ne cessemus serio clamare ad deum, ne nos gregemque fidei nostrae concreditum 5 misericordia sua deserat. Amen.

Pellicanum, Leonem 6 et Stainerum cum reliquis optimis fratribus salvos volo.

Zürcher Synodalordnung, s. unten S. 385, 37f. Seiner Teilabschrift fügt Bullinger eine Überleitung zu Nr. 482 an: Post hasce magnam nobis spem faciebat Bucerus fore, ut intellecta sententia nostra Lutherus nobiscum rediret in concordiam, qui hactenus crediderit nuda dumtaxat a nobis asseri signa. Copiosius ergo sententiam nostram de eucharistia exposuimus, eo certe, ut nunc sequitur, modo. Johann Jakob Simler setzt beide Stücke hintereinander: Zürich ZB, Ms S 37, 79 und 80; vgl. auch Anm. a.
1 Ambrosius Blarer, in Tübingen.
2 Unbekannt. - Im Stadtarchiv Konstanz gibt es laut freundlicher Auskunft von Herrn Prof. Dr. Helmut Maurer keine Belege für eine Gesandtschaft zu Blarer in dieser Zeit.
3 Bezieht sich wohl auf ein später wiederkehrendes Gerücht Kaiser Karl V. komme
nach Italien und Deutschland (Blarer BW I 615; PC II 234f), worüber Bullinger in einem nicht mehr erhaltenen Brief um Auskunft gebeten hat. Kaum gemeint sein können Karis Reisen innerhalb von Spanien 1534, von welchen er am 10. Oktober nach Madrid zurückkehrte, um dort den Winter zu verbringen. Vgl. dazu: Christoph Friedrich Stälin, Aufenthaltsorte K. Karls V., Göttingen 1865. - Forschungen zur Deutschen Geschichte V, S. 572; Karl Brandi, Kaiser Karl V., Werden und Schicksal einer Persönlichkeit und eines Weltreiches, Bd. I, München 1937, S. 308.
4 Karl V. plante seinen im Sommer 1535 ausgeführten Zug gegen Tunis seit August 1534, doch wurden die Vorbereitungen möglichst geheimgehalten; vgl. Brandi, aaO, S. 309-313.
5 Vgl. 1 Petr 5, 2.
6 Leo Jud.

Gratias habeo tibi pro libello, quem nuper misisti, de utraque Christi natura 7 . Opere pretium est omnes nervos intendere, ne non erumpant Arriani 8 , non[!] solum propter articuli istius errorem 9 sed ne nova et lamentabili , discordia pessum eat ecclesiae sancta unitas. Sed nonne falsarium insignem a egit Hetzerus 10 ille, qui suae impietatis paenas apud nos luit? 11 [Is] enim b prophetas vertens 12 neque apud Esaiam neque Hieremiam Christo dei nomen tribuit 13 . Tale fuit illius hominis ingenium.

Epistolam 14 meam remitte aliquando 15 . Non enim habeo exemplar 16 nec vellem cuivis venire in manus.

Vale, ornatissime vir, nec desine, me quo caepisti amore complecti.

Constantie, 22. octobris 1534 c .

Io. Zvick.

[Adresse auf der Rückseite:] Ornatissimo d. Hainrico Bullingero, episcopo Tigurino, observando fratri.

a insignem am Rande nachgetragen.
b [is] enim am Rande nachgetragen für gestrichenes qui; Randtext wegen engem Einband nicht zugänglich; ergänzt nach Simlers Kopie, Zürich ZB, Ms S 37, 15.
c korrigiert aus 1554.
7 Bullingers Vortrag vom 11. September (Felix- und Regulatag) vor der Zürcher Pfarrerschaft gegen die Häresien des «Arianers» Claude d'Aliod erschien im Oktober 1534, s. oben S. 308f, Anm. 37.
8 Zwick denkt wohl an Häretiker wie Claude d'Aliod, s. oben S. 308, 46 und S. 281f, 76-80 mit Anm. 74f und seine Anhänger oder an Anhänger Ludwig Hätzers, s. unten Anm. 10.
9 Arius, gest. 336, lehrte, daß Christus geschaffen und daher nicht wesensgleich mit Gott Vater sei, s. Wolfhart Pannenberg, Artikel Christologie II, in: RGG I 1766f; HBBW III 256, Anm. 21f.
10 Ludwig Hätzer (Hetzer), um 1500-1529, aus Bischofszell, des Hebräischen und Griechischen kundig, trat als junger Kleriker eifrig für die Abschaffung der Bilder ein, verfaßte die Akten der zweiten Zürcher Disputation vom Oktober 1523 (Z II 664-803), brach als Gegner der Kindertaufe mit Zwingli, lebte darauf unstet in Augsburg (mehrmals), Basel, Straßburg, Worms und Konstanz, wo er unter Anklage der Bigamie hingerichtet wurde. Er galt als ein Haupt der Täufer, ohne einer zu sein, denn er lehnte die Erwachsenentaufe ab. In seinen letzten Jahren wandte er sich gegen die reformatorische Rechtfertigungslehre und das Schriftprinzip, nahm unter Hans Dencks Einfluß spiritualistische
und mystische Ideen an und leugnete die Gottheit Christi. - Lit.: Z VIII. IX Reg.; Blarer BW I Reg.; QGT VII Reg.; J[ohann] F[riedrich] Gerhard Goeters, Ludwig Hätzer (ca. 1500-1529), Spiritualist und Antitrinitarier, eine Randfigur der frühen Täuferbewegung, Diss. Zürich 1955, Karlsruhe [1955]; ders., in: RGG III 21; Hans Rudolf Guggisberg, Jakob Würben von Biel, ein besonnener Mahner wider Ludwig Hätzer und die Täufer, in: Zwa XIII/9, 1973, 570-590; HBLS IV 48.
11 Hätzers Antitrinitarismus («Arianismus») war der eigentliche, in der Anklage aber nicht genannte Grund zu seiner Verurteilung, s. Goeters, aaO, S. 142. 152f (wo dieser Abschnitt des Briefes zitiert ist).
12 Hätzer gab mit Dencks Hilfe 1527 in Worms «Alle Propheten nach Hebräischer sprach verteutschet» heraus, s. Goeters, aaO, S. 99-101.
13 Dieser Vorwurf an Hätzers Prophetenübersetzung ist allgemein, obwohl sich in ihr keine theologisch motivierte Fälschung feststellen läßt. Die Wormser Propheten-Ausgabe wurde zwar als Übersetzungshilfe von den Zürchern (1529) und von Luther (1532) für ihre Übertragung der Propheten gebraucht, sonst aber von ihnen aus dogmatischen Gründen abgelehnt, s. Goeters, aaO, S. 101-104. 142f. 145.
14 Gemeint ist kaum dieses kurze Schreiben, sondern eher der gewichtige Brief vom 9. September (Nr. 435).
15 Bullinger kam diesem Wunsch Zwicks offenbar nicht nach.
16 Zwick hatte somit weder einen Entwurf noch eine Kopie von Nr. 435 verfertigt.