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Kapitel 

[448]

Dietrich Bitter an
Bullinger
[Köln],
30. September 1534

Autograph: Zürich StA, E II 361, 103 (Siegelspur) Gedruckt: Krafft 120f

Münster wurde gestürmt, doch nicht erobert. Mit einer Blockade soll die Stadt ausgehungert werden. In Köln sorgt man sich über neu entstehende Sekten, weshalb man vorläufig bei den alten Kirchenbräuchen bleibt. Die bessere Predigt des Evangeliums trägt wenig Frucht. Bitter dankt für Bullingers «De testamento» und den Kommentar zum 1. Korintherbrief sowie für einen Käse. Verteidigt sich gegen den Vorwurf der Schreibfaulheit. Grüße. Die Lehrer genießen in Köln geringe Achtung.

Gnaid und frid.

Von belegerung der stat Munster habe ich letst angetzeicht 1 . So wiße, dat die stat an sechs orthen mit eyn storm angelouffen 2 , doch neit erobert, und synt ihrer voir der stat bey die zweytausent umbkommen und vill verwundt. So hait nun der busschoff sechs blochheuser beginnen zo machen uff die gemynste 3 wege. Die will er mit zoldeners belagen, in meynong zo verhoeden

b Sulcerus itidem am Rande nachgetragen.
3 Zürich galt auf diesem Gebiet seit dem Erscheinen von Leo Juds größerem Katechismus Anfang 1534 offenbar als Vorbild, s. Wyss, Jud 203, Nr. 33 (mit Lit.).
4 Franz Kolb.
5 Berchtold Haller.
6 Siehe oben Nr. 446.
7 Propst Felix Frey.
8 Theodor Bibliander.
9 bis ins nestorisch hohe Alter. - Pylos war die Stadt des Nestor.
1 Siehe Bitters Brief vom 30. August, oben Nr. 431, S. 298f, 13-37.
2 Der zweite erfolglose und für die Belagerer sehr verlustreiche Sturm hatte am 31. August 1534 stattgefunden, s. Ludwig Keller, Geschichte der Wiedertäufer und ihres Reichs zu Münster, Münster 1880, S. 260f.
3 öffentlichen; hier wohl gemeint: die am meisten befahrenen (Grimm IV/I 2, 3179).

4 , das den Munsterschen nichts zogefoirt werde, und sie also mit lanckheit der tzyt 5 ußtzosmechten 6 . Wie sich die sache begeben werde, moge myr mit der tzeit erfaren etc.

Unse hern zo Coln sien net wenich bekummert und sorgfeldich 7 mannichley secten halben, so hie und dort erstaen, die eyne noch seltzamer dan die ander. Doin moegliche varsamy 8 , das in irer stat nicht news angefoirt werde, halten sich noch tzer tzyt gants und gar bey alten ceremonien 9 . Das euangelion wirt aber reyner gepredigt dan sunst lange, mit kleiner vrucht; wenich keeren sich dran etc.

Ich habe untfangen 10 expositionem foederum 11 unnd commentaria in priorem ad Corinthios 12 und das stuck keyß 13 . Syn myr alle angenem, und dancken dyr dusentvalt. Das du mich aber vermeinst geneygder zom schryven sollen werden 14 durch schickung des keeß dan chartliche 15 gaeben, doest myr neit recht. Ich habe neger dan binnen jairs 16 drie briebe uffgeschickt, einen 17 by des busschoffs boeden van Costens 18 , den andern 19 bey eym colnischen burger 20 , den dritten 21 nu newlich, buessen 22 den eytzigen 23 dairinne , vertzeichnet, was gaben ich von dyr entfangen. Das Compendium Vadiani in acta apostolorum 24 habe ich neit gesehen. Wan ich dyr wiste irgens mit liebe zo doin, wolde ich neit hinderlaessen 25 . Ich wolde broder Jacob 26 mit eym hollentschen keese beladen; wolde in neit dragen. Ist was bey uns, das dich oder dein wyb 27 belust, gebuet zo myr 28 . Und sys hiemit dißmaels dem almechtigen befollen. Groiz myr dynen broeder 29 und hueßfraw 30 sere.

Item, die leer 31 doech 32 in Cohen gar nichts; ist in keyner achtong. Das volck weyß nit, wilchen weg es noch uß wil. Halten ir kinder neit zo gueten

4 verhüten.
5 auf die Länge.
6 auszuhungern.
7 besorgt (Grimm (X/I 1793).
8 Sicherheitsmaßnahme (vgl. Grimm XIII 979).
9 Zur Situation in Köln Anfang der dreißiger Jahre s. August Franzen, Bischof und Reformation. Erzbischof Hermann von Wied in Köln vor der Entscheidung zwischen Reform und Reformation, Münster i. W. 1971. - Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 31, S. 36-47.
10 empfangen.
11 Bullingers «De testamento seu foedere Dei unico at aeterno», 1534 (HBBibl I 54).
12 Bullingers Kommentar zum 1. Korintherbrief, 1534 (HBBibl I 53).
13 Käse.
14 Ins Deutsche übertragene AcI-Konstruktion: Daß du glaubst, ich solle zum Schreiben bereitwilliger werden, ...
15 papierene.
16 in weniger als einem Jahr.
17 Gemeint ist der offenbar nie bei Bullinger eingetroffene Brief Bitters vom 17. Februar 1534, s. oben S. 193f, 8-12 mit Anm. 8.
18 Ein unbekannter Bote des Bischofs von Konstanz, Johannes von Lupfen.
19 Oben Nr. 384 vom 25. Mai 1534.
20 Johann Wilden, s. oben S. 297, 5-7.
21 Oben Nr. 431 vom 30. August 1534.
22 ohne, abgesehen von.
23 jetzigen.
24 Vadians «Epitome trium terrae partium», um deren Zusendung Bitter wiederholt gebeten hatte, s. oben S. 195, 34 und 299, 43-45.
25 unterlassen.
26 Siehe oben S. 194, 12-15 mit Anm. 13.
27 Anna Bullinger, geb. Adlischwyler.
28 teile mir mit, entbiete es mir.
29 Johannes Bullinger.
30 Ehefrau.
31 Gemeint ist die evangelische Lehre.
32 taugt, hilft.

dingen. Daruß fluest, das ich und myn gleich 33 in kleyner achtong sien und moessen alleyley besoechen 34 , solle myr uns erneren.

Datum ultima septembris anno 1534.

Diderich Bitter van Wipperfoird.

[Adresse auf der Rückseite:] Dem eirsamen und wolgeleirtenn Meister Heinriche Bullinger, meynem gunstigen, guten freundt zo handenn. Gen Zürich.