Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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[413]

Bartholomäus Müller an
Bullinger
Biberach,
9. Juli 1534

Autograph: Zürich StA, E II 355, 59 (Siegelspur) Ungedruckt

Kann nur schwer ausdrücken, welche Freude ihm Bullingers spontanes Schreiben gemacht hat. Freut sich ganz besonders, daß Bullinger und Bibliander Zwinglis Freundschaften weiterpflegen. Ist schon lange angetan von Bullingers Schriften. Dieser möge vor allem die beiden Korintherbriefe kommentieren, über die Zwingli nur allzu kurz geschrieben hat. Grüße.

e Nach exhilarescite von späterer Hand mit Bleistift zugefügt: 1534.
kurz nach seiner Rückkehr, an Jörg Wimpfer in Stein am Rhein (Zürich StA, E II 441, 469; vgl. Moeller, Zwick 168). Zwick verließ also Konstanz am 8./9. Juli und kehrte um den 12. bis 15. August zurück.
11 Leo Jud.
12 Theodor Bibliander.
13 Anna Bullinger, geb. Adlischwyler.
14 Bullinger weilte vom Montag, den 6. Juli bis Montag, den 3. August 1534 zur Badekur in Urdorf bei Zürich, s. HBD 24, 1f. Mit dabei waren Zwick und Pellikan (s. oben Anm. 10), während für Jud und Bibliander ein gleichzeitiger Badeaufenthalt sich nicht sicher belegen läßt; Blarers Grüße sind kein genügender Hinweis darauf.
15 Margaretha Blarer.
16 Ein hierher passender Brief von ihr ist nicht erhalten.
1 Bartholomäus Müller (Miller, Millius, Myllius) aus Ulm, vielleicht 1484 geboren, studierte von 1496 an in Heidelberg und wurde dort 1501 Magister. 1509 erhielt er vom Biberacher Rat die Kaplanei am äußern Spital und die damit verbundene «predicatur» in der Stadt. Entgegen der älteren Literatur hatte er dieses Amt 1519 nicht niedergelegt und wurde 1530 nicht wiedergewählt und ist nicht identisch mit dem 1511 in Tübingen immatrikulierten Bartholomäus Molitoris aus dem württembergischen Frickingen (Tübingen, Matrikel 184). Müller blieb von 1509 bis zu seinem Tod 1553 in Biberach. Um 1523/24 wandte er sich der Reformation zu. Er erscheint 1525 in einer von den aufständischen Bauern erstellten Liste der Schiedsrichter. 1528 erhielt er das Biberacher Bürgerrecht, wechselte 1530 mit Zwingli Briefe (s. Anm. 3), nahm 1531 am Memminger Konvent zur Koordinierung des Kultus in Oberschwaben teil und führte im gleichen Jahr zusammen

Gratiam et pacem.

Quanta me voluptate affecerint litere tue 2 , humanissime vir, non facile dixerim, quantumque me tibi debere putem, verbis consequi non possum, quod nullis meritis de te meis ultro me invitaris ad tuam familiaritatem. Non enim expectasti, ut te literis anteverterem ac rogarem, ut me dignum redderes benevolentia tua. Id mihi diu multumque adgredi cogitanti ipse sponte occurristi teque ipsum adeo humaniter perbenigneque obtulisti ac nullum praetermisisti humanissimi hominis officium. Utinam scires, quanta sit tua apud me eruditio, quam mirabilis quamque divina! Intelligeres profecto haudquaquam in ingratum contulisse tuam familiaritatem. Non quod me dignum ducam tua amicicia, qui infimi mancipii loco haberi cupiam. Gaudeoque mihi plurimum, quod non solum in professionem sacrarum literarum, sed et in amicorum hereditatem succedere institueritis tu atque Bibliander Zwinglio nostro, sancte memorie viro meique charissimo 3 , quocum mihi tanta familiaritas benevolentia fuit, ut maior cuiquam esse posset cum nemine.

Scripta tua dudum me in tui amorem pellexerunt. Dii faxint, a coepto non desistas, sed in alias quoque epistolas, presertim in duas, quas ad Corinthios scripsit Paulus, annotares 4 . Que enim Zwinglius scripsit 5 , breviora sunt. Commendo tibi patrueles meos 6 , et si quid fuerit, quod possim tua causa, iube, impera et me sepius oblecta tuis elegantissimis literis.

mit Martin Cleß, kurzfristig von Bucer und Oekolampad unterstützt, die Reformation in Biberach nach dem Vorbild von Ulm (wo er vielleicht mitgeholfen hatte) durch. Bis zum Schwinden seiner Kräfte 1546 war Müller oberster Prädikant an der Stadtpfarrkirche St. Martin. Im Biberacher Abendmahlsstreit 1543/45 stand er gegen Benedikt Widmann auf der lutherfreundlichen Seite, war aber nicht mehr die herausragende Gestalt wie früher. Ein weiterer Brief an Bullinger ist erhalten (s. Anm. 6). - Lit.: Blarer BW I 250-253. 819; Bernhard Rüth, Der Prediger Bartholomäus Müller und die Biberacher Reformation, in: BC, Heimatkundliche Blätter für den Kreis Biberach 5/1, 1982, S. 15-20; Paul Warmbrunn, Zwei Konfessionen in einer Stadt. Das Zusammenleben von Katholiken und Protestanten in den paritätischen Reichsstädten Augsburg, Biberach, Ravensburg und Dinkelsbühl von 1548 bis 1648, Wiesbaden 1983. - Veröffentlichungen des Instituts für europäische Geschichte Mainz, Abteilung für abendländische Religionsgeschichte, hg. von Peter Manns, Bd. 111, S. 39. 56f; ferner [Christian Friederich Essich], Geschichte der Reformation zu Biberach, vom Jahr 1517 bis zum Jahr 1650, Ulm 1817, S. 42. 138f; Georg Veesenmeyer, Denkmal einiger berühmten Theologen aus dem Zeitalter der Reformation, Ulm 1832, S. 88-91; Sebastian Fischers Chronik, besonders von Ulmischen Sachen, hg. von Karl Gustav Veesenmeyer, in: Ulm und Oberschwaben, 5-8, 1896, S. 11 (Müllers Mithilfe in Ulm ist nur hier, nicht aber in den andern Quellen belegt, gemäß freundlicher Auskunft von Prof. Dr. Hans Eugen Specker, Stadtarchivdirektor Ulm); Z X 431, Anm. I; Locher, Zwinglische Reformation 478, Anm. 178.
2 Nicht erhalten.
3 Zwinglis Famulus Hieronymus Gunz war ein gebürtiger Biberacher (Z X 345f, Anm. 1; Ruth, aaO, S. 17, Anm. 40; Locher, aaO, S. 478, Anm. 174). Am 30. Januar 1530 antwortete Müller auf einen nicht mehr erhaltenen Brief Zwinglis (Z X 431f).
4 Zu Bullingers Kommentaren zu den beiden Korintherbriefen, s. oben S. 239f, Anm. 3 und 5, und S. 246, Anm. 2.
5 Annotatiunculae per Leonem Iudae ex ore Zvinglii in utramque Pauli ad Corinthios Epistolam publice exponentis conceptae, Froschauer, Zürich 1528 (Finsler 63f, Nr. 88).
6 In seinem zweiten Brief an Bullinger, am 20. März 1538 (Zürich StA, E II 359, 2755) läßt Müller die «Milleros, consanguineos meos» in Zürich grüßen. Mangels genauerer Angaben ist die Verwandtschaft kaum nachweisbar. Vettern

Saluta meo nomine vel Millis [!] Leonem Iudae, episcopum vestrum, et Pellicanum, syncerum a interpretem sacrarum literarum b . Salute plurimum impertiunt vos omnes symiste nostri 7 seque commendatos cupiunt.

Vale nostrique memineris nuntio oblato. Denuo vale.

Biberaci, anno 1534, mensis iulii die 9.

Tuus Bartholomeus Millius,

concionator Biberacensis.

[Adresse auf der Rückseite:] Prestantissimo viro Heinrycho Bullingero, antistiti in verbo Tyguri, domino et amico suo observandissimo c .