Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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[3055]

Georg Frölich
an Bullinger
Konstanz,
25. Oktober 1547

Autograph: Zürich StA, E II 346, 229 (Siegelspur) Ungedruckt

[J] Frölich kam im Auftrag des Augsburger Rates vor drei Tagen nach Konstanz, um hier mit dem heldenhaften Sebastian Schertlin eine wichtige Angelegenheit zu besprechen. Dieser hat

c Klammern. ergänzt.
21 Nicolas de Perrenot, Herr von Granvelle. - Bullinger erfuhr das hier Mitgeteilte aus dem Brief des Konstanzer Rats an den Zürcher Rat vom 22. Oktober; s. Nr. 3053, Anm. 3. Dieses Schreiben war Bullinger bereits von Blarer mit Nr. 3051,1-3, angekündigt worden.
22 Zur Schreibweise vgl. HBBW III 243,28; 244,53; VI 384,18.
23 Gemeint ist das in Nr. 3053, Anm. 13, erwähnte Rundschreiben der Zürcher vom 25. Oktober. Die Ausfertigung für Basel ist in Basel StA, Städte und Dörfer CK 18.1, erhalten; s. Henrich, Myconius BW 997.
24 Francisco de Enzinas.
25 Celio Secondo Curione.
26 Der Zürcher Stadtbote Thomas Binzmüller, der den oben in Z. 28f erwähnten Brief des Zürcher Rates zusammen mit Bullingers vorliegendem Brief nach Basel befördert hatte; s. Zürich StA, F III 32, Seckelamtsrechnungen 1547/48, S. 53, der Abteilung "Laufende Boten".
27 Ein nicht erhaltener Brief Bullingers, der etwa um den 5. Oktober verfasst gewesen sein müsste und Ludwig Lavater (s. weiter unten) mitgegeben worden war.
28 Ludwig Lavater; s. Nr. 3032,1-3; Nr. 3035,31-36.
29 Vorliegender Brief wurde mit dem oben in Anm. 26 identifizierten Zürcher Stadtboten nach Basel übermittelt.

Bullinger gut in Erinnerung und lässt grüßen. Frölich hätte noch mehr als sonst das Bedürfnis, Bullinger wieder zu sehen, doch ist ihm dies wegen seiner vielen Aufgaben und aus Zeitmangel nicht möglich. -[2]Er hegt fast keine Hoffnung mehr, was die Freiheit Deutschlands und die Beibehaltung der öffentlichen Predigt des Evangeliums anbetrifft, da alle Papstanhänger sich zugunsten der bereits gefassten und noch kommenden Beschlüsse des Konzils von Trient aussprechen und [die Einstellung der Verkündigung des Evangeliums] anstreben. - [3] Die Reichsstädte sind zudem durch diesen eidbrüchigen Spanier, Kaiser Karl V., dermaßen ausgelaugt und kraftlos, dass sie kaum frei bleiben und ihnen wohl bald Stadtvögte und Steuereintreiber aufgezwungen werden. - [4] König Ferdinand, dieser Teufelssohn, hat Böhmen schrecklich verheert und viele Menschen umgebracht. Er traf in Augsburg ein, nachdem Frölich die Stadt verlassen hat, und wird das noch übriggebliebene Glück vernichten. Dort herrscht schon wegen der fremden Soldaten, der Pest und der enormen Teuerung ein solches Elend, wie es größer nicht sein könnte. Gott wird sich der Reuigen erbarmen! - [5] Die Zürcher sollen keinen Anstoß daran nehmen, wenn sie erfahren, dass die Konstanzer in Friedensverhandlungen mit dem Kaiser stehen. Sie erweisen sich dabei als vorsichtig. Sie erwarten nichts Großes, weder die Sicherheit noch die Gunst des Kaisers, sondern möchten den christlichen Anforderungen gerecht werden. Die Papisten haben den Konstanzern harte Sanktionen auferlegt, die bereits öffentlich bekanntgemacht und in die Tat umgesetzt wurden. Das ist es, was diese guten Männer dazu antreibt, ihren Aufgaben [dein Kaiser gegenüber] gerecht zu werden. Der Herr beschütze sie! -[6]Bullinger sieht also, dass Frölich in Gefahr schwebt. Bullinger bete für ihn, damit er im Notfall standhaft bleibe. Gott hat ihn schon aus einer pestartigen Krankheit (mit Fieber, Koliken und Brustbeklemmungen) errettet. -[7] Ein Spanier [...] in Augsburg hat einen Gelehrten [...] dafür angestellt, ihm eine topographische Beschreibung und eine Karte der Schweiz ins Latein zu übersetzen, weil er derartige Dokumente nur auf Deutsch finden konnte. Er lässt alle Städte, Dörfer, Straßen und Berge ganz genau darstellen. Man kann sich denken, in wessen Auftrag und warum er dies tut! -[8]Bullinger kann durch den gegenwärtigen Boten [...] antworten, denn Frölich wird noch vier Tage in Konstanz sein. -[9]Grusse, auch an die Bürgermeister Johannes Haab und Hans Rudolf Lavater, an den Stadtschreiber Hans Escher vom Luchs, an Rudolf Gwalther, an den lieben Johannes Haller, an Konrad Gessner, Johannes Fries, Konrad Pellikan, Theodor Bibliander; Johannes Wolf und an alle Gelehrten.

S. Nudius tertius, mi ornatissime frater, in negotiis magistratus nostri bue appuli atque hoc temporis 1 cum optimo heroe Schertlero 2 seria illi communicans trivi, qui etiam optimam tui faecit mentionem iussitque te suo nomine quam plurimum salutari. Ego quidem, etsi antehac semper ingenti desiderio tecum esse cupierim, tamen hoc tempore multo ardentius desideravi te videre atque alloqui. Negotia autem et temporis angustia iter ad te mihi praecluserunt.

1 Zu dieser Konstruktion s. z.B. Stotz IV 93f, Nr. 41.8.
2 Sebastian Schertlin. - Der am 23. Oktober in Konstanz eingetroffene Frölich hatte Augsburg kurz vor dem 20. Oktober verlassen, wie aus unten Z. 15f und Anm. 8 deutlich wird. Im Auftrag des Augsburger Rates verhandelte er damals mit Schertlin über dessen Herrschaft Burtenbach. allerdings ohne Erfolg. Am 31. Oktober wurde Frölich brieflich von sei-
nen Behörden gebeten zurückzukehren; s. Max Radlkofer, Leben und Schriften des Georg Frölich, Stadtschreibers zu Augsburg von 1537-48, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg 27, 1900, 61f. 113, Nr. 17 (Regest des Briefes). Er verließ aber Konstanz erst nach dem 5. November; vgl. Nr. 3066,55f; Nr. 3069,2; Nr. 3070,7-15. 31-34.

Quod autem maximopere vos, amicos et fratres, scire velim, hoc ipsum est: Quod de libertate Germaniae, tum etiam de retinenda evangelii Christi publica praedicatione parum spei amplius habeam. Nam pontificii omnes concilio Tridentino preterito et futuro 3 subscribunt illudque 4 expetunt.

Caeterum imperii civitates rupta fide et scissis pactis per Hispanum 5 adeo exhaustae sunt adeoque praemuntur, ut impossibile videatur ipsas liberas mansuras, quin etiam brevi praefectos et exactores inviti recepturae sunt.

Rex Ferdinandus, filius iste perditionis, 6 Boiemia misere devastata atque multis bonis trucidatis 7 Augustam post discessum meum concessit, 8 residuum faelicitatis pessundaturus. Tanta Augusta nunc est non solum propter impium militem sed etiam ob grassantem pestilentiam 9 calamitas, ut maior vix esse queat, adde omnium rerum maximam caritatem! Sed dominus nobis resipiscentibus ohm miserebitur!

Constantienses habent prudens cum caesare conciliandi institutum, non ut magnam inveniant vel fidem vel gratiam, sed ut pietati christianae 10 satisfaciant. Propterea nihil vos offendat, si audieritis eos de pace cum caesare tractare. 11 Papiste contra Constantienses mandata asperrima impetrarunt, quae etiam iamiam publicata et in effectum deducta sunt. 12 Hoc est, quod bonos viros ad offitia sua 13 invitat et excitat. Dominus eos clementer tueatur!

Ego inter quae verser pericula, ex superius accitis 14 intelligis. Precare igitur dominum pro fortitudine et constantia Laeti, siquando contigerit ipsum affligi! Ego sustinui semipestem: febrim, colicam et angustiam pectoris simul; sed dominus restituit me claementer.

3 Siehe dazu Nr. 2908, Anm. 7; Nr. 2971, Anm. 24; Nr. 3021, Anm. 18.
4 Nämlich, die Verkündigung des "Evangeliums" einzustellen.
5 Kaiser Karl V.
6 Vgl. Joh 17, 12; 2Thess 2, 3. -Eine Umschreibung für ,Teufelssohn".
7 Siehe schon dazu Nr. 2935, Anm. 33. - Bei Kenneth J. Dillon. King and Estates in the Bohemian Lands 1526-1564, Brüssel 1976, S. 133-140, werden die Namen einiger Bestraften aufgeführt.
8 Ferdinand I. traf am 20. Oktober in Augsburg ein; s. Nr. 2970, Anm. 18.
9 Siehe dazu zuletzt Nr. 3033,20.
10 Damit ist der von Gott verordnete Gehorsam gegenüber den übergeordneten Behörden gemeint; vgl. Röm 13, 1-7. - In seinem Brief vom 28. Oktober an den Zürcher Rat (Zürich A 205.2, Nr. 22a) erklärte der Konstanzer Rat, dass die Großen und Kleinen Räte sich entschlossen hätten, "dwil sy die römisch kayserliche
und königliche majestat für iro rechte von Gott verordnete weltliche oberkaiten erkennint und iren majesteten uß Gottes bevelch gehorsami ze laisten schuldig, so syen sie daruff entschlossen, das sy sich in der kayserlichen unnd königlichen majestäten gehorsami und gnad stellen und vertruwen wellint, wie sy dann sölichs ire gewißne ze thun underwyse." -Siehe ferner Nr. 3059, Anm. 37; Nr. 3088, Anm. 10.
11 Die Zürcher Räte und Bullinger waren bereits seit dem Vormittag des 25. Oktober darüber informiert; vgl. Nr. 3053.
12 Gemeint sind die Mandate, die der Kaiser damals gegen Konstanz erlassen hatte; s. Nr. 3053, Anm. 4.
13 Nämlich ihre Pflicht, sich dem Kaiser zu unterwerfen.
14 ex superius accitis: aus dem oben angeführten.
15 Vgl. schon Nr. 3029,18-21.

Quidam Hispanus 16 est Auguste, qui, cum cosmographiam sive situm et mappam Helveticam in alia lingua quam Germanica habere non potuit, 17 conduxit quendam literatum 18 , qui ipsi omnia Latine reddit. Hinc ille Hispanus omnes civitates, pagos, itinera et montes Helvetic a quam exactissime nititur depingere, cuius autem iussu et in quem usum id faciat, coniectura consequi potest. Multi sunt, qui credunt insidiose hoc fieri.

Si vis rescribere, tabellarius is 19 potest mihi reddere literas, nam per quatriduum cogor hic haerere. 20

Salutabis dominos consules 21 , archigrammateum 22 , Gvalterum, Hallerum meum charissimum, Gesnerum, Frisium"23 , Pellicanum, Bibliandrum, Gvolfium atque totam eruditorum coronam. Vale, decus meum! 25. octobris 1547 ex Constantia.

Tuus Georgius Laetus, etc.

[Adresse auf der Rückseite:] Herren Heinrichen Bullinger zu Zurch zu handen. 25

a Am Rande nachgetragen. -
b In der Vorlage Frisius.
16 Infrage käme u.a. der italienisch-spanische Mathematiker und Uhrmacher Juanelo Turriano (Janello Torriani), dessen Anwesenheit 1547 im Umkreis des Kaisers belegt ist (s. Cristiano Zanetti, Janello Torriani and the Spanish Empire. A Vitruvian Artisan at the Dawn of the Scientific Revolution, Leiden/Boston 2017, S. 145. 171. 271), oder auch der Kosmograph Pedro Nuñez (Nonius), Professor in Coimbra, der im Dezember 1547 zum obersten königlichen Kosmographen ernannt wurde, mit dem dem Kaiser nahestehenden Mathematiker Peter Apian Kontakt pflegte und selbst in freundschaftlicher Beziehung zum Kaiser stand, doch von dem nicht bewiesen ist, dass er sich damals zum Kaiser begeben hätte; s. John R. C. Martyn, Pedro Nunes, 1502-1578. His Lost Algebra and Other Discoveries, Frankfurt a.M. 1996, S. 17; Siegmund Günther, Peter und Philipp Apian, zwei deutsche Mathematiker und Kartographen, Prag 1882, 5. 15f. 126; Karl Heinz Burmeister, Magister Rheticus und seine Schulgesellen, Konstanz/München 2015, S. 71f.
17 Mit der geographischen Beschreibung (cosmographia) ist vermutlich die "Cosmographia. Bschreibung aller lender" des Sebastian Münster gemeint. Sie war 1544 zum ersten Mal erschienen (VD16
M6689) und hatte zum Zeitpunkt dieses Briefes schon zwei Auflagen erlebt (VD16 M66901). Sie sollte erst 1550 auf Latein erscheinen (VD16 M6714). - Die Chronik des Johannes Stumpf kommt hier nicht in Frage, zumal dieses historische Werk nur selten topographische Beschreibungen anbietet und die in diesem Werk der Eidgenossenschaft gewidmeten Bücher damals noch in Bearbeitung standen (vgl. den HBBW XVIII 400, Anm. 4; HBBW XIX 294f; und die im Reg. des vorliegenden Bandes angeführten Stellen zu Stumpfs Chronik). - Die 1519 in Basel erschienene Descriptio de situ Helvetiae (VD16 L2675), an der sich mehrere Autoren beteiligt hatten und die hauptsächlich in Versen verfasst worden war, enthielt keine Karte. - Auch Münsters Werk, welches dem "Schweitzerland" etwa 100 Seiten widmet, bietet nicht wirklich eine rein geographische Beschreibung an. Immerhin enthält es zwei geographische Karten des Wallis und eine der Eidgenossenschaft.
18 Unbekannt.
19 Unbekannt.
20 Siehe dazu oben Anm. 2.
21 Johannes Haab und Hans Rudolf Lavater.
22 Stadtschreiber Hans Escher vom Luchs.
23 Johannes Fries.
24 Johannes Wolf.