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[2997]

Oswald Myconius
an Bullinger
Basel,
23. August 1547

Autograph: Zürich StA, E II 336a, 277 (neu: 292)(Siegelspur) Zusammenfassung: Henrich, Myconius BW 985, Nr. 1100

[1]Myconius ist mit Bullingers Aussagen [in einen,. nicht mehr erhaltenen Brief] zur [Glarner Himmels]erscheinung zufrieden. Die gewünschte Persius-Ausgabe wird besorgt. - [2] Wenn nur Kaiser Karl V. sterben würde! Das wäre gut für Deutschland. Heute hat Johannes Gast einen Brief seines Sohnes [Benjamin] aus Freiburg [i.Br.] vorgelesen, aus dein hervorgeht, dass man dort mit der Ankunft des Kaisers rechnet, weil dieser vorhabe, in Straßburg zu Überwintern. Dies hat bei Myconius die gleichen Gefühle wie bei Bullinger ausgelöst. Deshalb schrieb er an die Straßburger und ermahnte sie, ihre Frauen, Töchter und ihr Vermögen vor diesem gottlosen Tyrannen in Sicherheit zu bringen und Gott zu bitten, sein Wort zu schützen. Einige dortige Pfarrer machen sich schon auf den Tod gefasst. -[3]Bullinger habe Dank für den gründlichen Bericht über die Teilnahme der Luzerner und anderer am [Zürcher Schützen]fest. Diese Nachrichten, und besonders die Teilnahme der Konstanzer, erfreuten Myconius

Dass die Urner und Unterwaldner nicht kamen, beunruhigt ihn nicht zu sehr, zumal diese sich ja entschuldigen ließen. Gott lasse das Fest zum Lob seines Namens und zum Nutzen der gemeinsamen Heimat gut ausklingen! - [4] Dein Brief von [Benjamin] Gast zufolge ist vor wenigen Tagen das Kloster St. Klara in Freiburg niedergebrannt. Die Kelche und Jesusbildchen trugen nicht zur Rettung bei! Daunen im Wert von 700 Gulden, mit denen Bettdecken zum Verkauf angefertigt werden sollten, gingen dabei in Flammen auf -[5] Ein aus Wien wieder zurückgekehrter Bote [...]berichtete, dass man dort keinerlei Angst vor Sultan Suleiman habe; die Stadt Buda soll so gut befestigt worden sein, dass sie nun unbezwingbar sei: die Türken unternähmen von Zeit zu Zeit kleinere Streifzüge in die Steiermark; zwischen Passau und Deggendorf seien zum Entsetzen von Mensch und Tier zahllose Heuschrecken vom Himmel gefallen; im Elsass und im Land des Grafen Georg von Württemberg rafft [eine Viehseuche] Rinder, Pferde und Schweine hinweg. Als Beatus Rhenanus in Straßburg krank darniederlag, ließ er den Bürgermeister von Schlettstadt [Gervasius Gebwiller] zu sich rufen. Als dieser losreiten wollte, sackte sein Pferd plötzlich zusammen. Das sind verdiente Strafen für unsere schrecklichen Sünden. -[6]Ehrbare Leute bedauern, dass einige Eidgenossen aus irgendeiner ihnen gegebenen Zusicherung dem Kaiser zu viel trauen. Sie sind der Meinung, dass man vorsichtiger sein sollte. Myconius ist überzeugt, dass der Kaiser etwas gegen die Eidgenossen unternehmen werde, falls er sich nach Straßburg begäbe. Gott helfe! - [7] Grusse, auch an Theodor Bibliander, Rudolf Gwalther und Heinrich Buchter. - [8] [P.S.:] Ein ehrbarer Mensch [Martin Bucer] schrieb Folgendes: Die Sterndeuter prophezeien deinen Eidgenossen ein ähnliches Schicksal wie den Genuesen und Mailändern [die vier vorhergehenden Worte wurden mit z. T. fehlerhaften hebräischen Buchstaben geschrieben]. Was bedeutet das denn? Konrad Pellikan, Theodor Bibliander und Bullinger mögen es Myconius erläutern. Sie seien gegrüßt!

S. De visione 1 satisfecisti. 2 De Persio 3 curavi.

1 Die in Nr. 2984,44-50, beschriebene Erscheinung.

Utinam caesar 4 periret commodo Germanic! Hodie praelegit mihi literas Gastius ex Friburgo missas a filio 5 : caesarem se expectare, nam Argentinae sit hybernaturus. 6 Hic idem animus est mihi tecum, quamobrem scripsi ad Argentinenses, 7 ut caveant uxoribus et filiabus, 8 ut caveant suo aerario et ut precentur dominum, verbo suo caveat; nam istis omnibus instare periculum, si veniat tyrannus impius. Ex fratribus aliquot se parant morti.

Ago vero tibi gratias ob diligentiam, qua exposuisti mihi de Lucernanis et aliis, qui ad ludum istum 9 venerunt. Placet, quicquid isthic agitur, et non in postremis, quod adseris Constantienses adesse. De Uriensibus et Sylvanis 10 non admodum euro, maxime dum se excusarent. Dominus concedat, ut ludus iste bene institutus bene exeat, 11 nempe in gloriam dei et in usum patrie communis.

Diebus superioribus Friburgi exustum est coenobium d. Clarae. 12 Ibi nec calices nec a imagunculae Jesu iuvare potuerunt. Perierunt et plump septingentorum aureorum, ex quibus lectos facere et vendere in animo fuerat. Gastu filius, qui Friburgi habitat, testatur.

Venit his diebus ex Vienna prius eo ablegatus, qui 13 adtulit summam esse illic, quod ad Turcam 14 adtinet, pacem; munitam Budam, 15 ut sit inexpugnabilis; excursiones interdum fieri in Stiriam, 16 sed non magnis copiis. Locustas vidit intra Boedurum 17 et Deckendorf 18 tanto numero de coelo lapsas,

a Über der Zeile nachgetragen.
2 In einem nicht mehr erhaltenen Brief Bullingers, der auf Myconius' Brief vom 12. August reagierte; vgl. nämlich Nr. 2988. 12-17.
3 Zu dieser Buchbestellung Bullingers s. Nr. 2984, Anm. 8.
4 Karl V., der damals krank war; s. die Verweise in Nr. 2983, Anm. 3.
5 Gemeint ist Johannes Gasts Sohn Benjamin. Er zog im Juli 1546 nach Freiburg i. Br., um sich dort mit Margret Spitznagel zu verheiraten und das Scherer- oder Chirurgenhandwerk zu erlernen; s. Gast, Tagebuch 104. 280f.
6 Vgl. Nr. 2985,8f; Nr. 2994,7-10.
7 Ein solcher Brief ist nicht bekannt.
8 Vgl. Nr. 2970,60f; Nr. 2983,[2].
9 Das Zürcher Schützenfest; s. Nr. 2958, Anm. 22; Nr. 2992; Nr. 2994,15-18.
10 Unterwaldner.
11 Vgl. schon Nr. 2985,1.
12 Der Brand des Klarissenklosters in Freiburg i. Br. ereignete sich am 14. August 1547 zwischen 10 und 11 Uhr abends. Das Feuer brach im sogenannten "Turnerhaus" des Klosters innerhalb der Schlossmauern aus und sprang auf den
Glockenturm der Kirche über, deren Inneres samt Bücherschätzen und Kultgegenständen völlig ausbrannte. Es wurden zudem Bettzeug und Hausgeräte vernichtet; s. Leo Ueding, Klarissenkloster St. Klara. Von der Gründung bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts, in: Alemania Franciscana Antiqua 7, 1961, S. 148f.
13 Unbekannt.
14 Sultan Suleiman I. - Im Juni war es zu einem Friedensvertrag zwischen den Habsburgern und dem Sultan gekommen; s. Nr. 2949, Anm. 16.
15 Buda (Ofen) stand seit Ende August 1541 unter türkischer Besatzung; s. HBBW XI 309, Anm. 8; 314, Anm. 9.
16 Solche Raubzüge der Türken konnten für diese Zeit nicht belegt werden. Seit deren Einfall in die Steiermark im Jahr 1532 soll dieses Gebiet in den folgenden 70 Jahren von Angriffen der Türken verschont geblieben sein; s. Wilhelm von Gebler, Geschichte des Herzogthums Steiermark, Graz 1862, S. 285-287.
17 Passau.
18 Deggendorf (Niederbayern). - Die Reihenfolge der hier angeführten Orte lässt

ut hommes et bestias terruerint. In Alsatia et in ditione comitis Wirtembergensis 19 boves, equi, porci, etc., moriuntur subito. dum Beatus Rhenanus decumberet Argentine, vocavit ad se consulem Selestadiensem 20 ; is jarn insidens in equo et abiens equum amisit subito cadentem. Ita nos premit dominus propter peccata valde graviter, interim tamen condigne: Tarn sumus enormiter pravi!

Conqueruntur boni vin, quod Confoederati 21 nimium fidant caesari ob nescio quam securitatem; vellent eos esse paulo diligentiores. Equidem vere dico, si venerit Argentinam, tentabit contra nos aliquid. 22 Dominus nobis adsit!

Vale in domino cum Theodoro 23 , Gvalthero, Buchtero 24 et reliquis. Basilee, raptim 23. augusti anno 1547.

Tuus Os. Myco.

||V Scribit bonus quidam vir 25 ad me his verbis: "Nihil plane aliud pollicentur tuis Helvetiis, qui norunt cursum astrorum, quam conditionem hebru 1 hebru 26 Non intelligo, quid is veut: exponant mihi Pellicanus et Theodorus 27 una tecum, quae sit sententia! Valeant in domino.

vermuten, dass der Berichterstatter damals von Wien nach Basel zurückkehrte. Zu diesem Boten s. auch Nr. 3003,14-16. - Von der Heuschreckenplage im Sommer 1547 war offenbar vor allem Tirol betroffen, wovon zwei Quellen berichten: 1) Warhafftige unnd erschreckliche newe Zeitung, der gleichen nie gehört, so geschehen ist in der Graffschafft zu Tyrol und zu Isbruck im Jar unsers herren M.D.XLVII. im Monat Julii, [s.I.] 1547 (VD16 W519); 2) Franz Schweyger, Chronik der Stadt Hail zum Jahr 1547. zitiert in: Christian Rohr, Extreme Naturereignisse im Ostalpenraum. Naturerfahrung im Spätmittelalter und am Beginn der Neuzeit, Köln, Weimar/Wien 2007, S. 483 mit Anm. 93. -Aufgrund der vorliegenden Stelle ist zu vermuten, dass die Heuschreckenschwärme weiter nordwestwärts nach Niederbayern zogen.
19 Graf Georg von Württemberg.
20 Gervasius Gebwiller, der am 19. Juli noch den letzten Willen des Rhenanus entgegennehmen konnte; s. Hans Kaiser, Aus den letzten Jahren des Beatus Rhenanus, in: ZGO XXXI, 1916, 45 und Anm. 3; AK VII 150. 152, Anm. 9, wo die Aussage, Gebwiller habe Rhenanus "drei Tage" vor dessen Tod getroffen
(nicht aber das dabei zugleich angeführte, richtige Datum des 19. Juli") zu korrigieren ist. - Beatus Rhenanus starb in Straßburg am 20. Juli 1547 um I Uhr nachts (in Anwesenheit von u.a. Martin Bucer und Johannes Lenglin), als er versuchte, von einer Thermalkur in (Bad) Wildbad wieder nach Sélestat heimzukehren; s. Beat Rudolf Jenny, Zwei Basler Quellentexte zu Beat Rhenans Lebensende und Nachlass, in: Annuaire. Les amis de la bibliotheque humaniste de Sélestat, Bd. 35, 1985, S. 284f; s. Robert Walter, Beatus Rhenanus, citoyen de Sélestat, ami d'Erasme. Anthologie de sa correspondance; Straßburg 1986, S. 36. - Zur der erst 1548 abgefassten Grabinschrift des Rhenanus s. AK VI 592f; Walter, aaO, 5. 149-157.
21 Die Eidgenossen.
22 Vgl. Nr. 2985,9f.
23 Theodor Bibliander.
24 Heinrich Buchter.
25 Martin Bucer, mit einem an Myconius adressierten Brief von Mitte August (Zürich StA, E II 446, 303 - Zusammenfassung in Henrich, Myconius BW 980, Nr. 1095).
26 In Bucers Brief (Myconius' Quelle) steht: hebru oder hebru ¶ hebru. -

[Adresse darunter:] D. Heinricho Bullingero, viro doctissimo, fratri et domino perquam observando suo. Zü[ric]h . b