Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

[2987]

[Ambrosius Blarer]
an Bullinger
[Konstanz],
12. August 154[7]

Autograph: Zürich StA, E II 338, 1517 (Siegelspur) Teildruck und zusammenfassende Ubersetzung: Blarer BW II 648f, Nr. 1466

[1]Blarer dankt für Bullingers Schreiben [nicht erhalten]. Seinen letzten beiden Briefen [Nr. 2980 und Nr. 2981] hat er nichts Weiteres hinzuzufügen, als was der Konstanzer Patrizier Hieronymus Hürus, ein ehrbarer und gebildeter Mann, dem er bereits zweimal Gevatter gea

a in der Vorlage deesse. -
b Hier und unten Text teils im engen Einband verdeckt.
2 Nikolaus Pfister, gräzisiert Artopoeus, meist nur Baling (nach seinem Heimatort Balingen, Württemberg) genannt, der seit November 1546 in Bern tätig war; Nr. 2939, Anm. 1.
3 Jodocus Kilchmeyer.
4 Es handelt sich um die handschriftliche Fassung von Bullingers Werk "De sacramentis". Pfisters dringender Bitte vom 2. Juli 1547 (s. Nr. 2939,31-42), diese
Schrift benutzen zu dürfen, ist Bullinger offensichtlich unter der Auflage nachgekommen, die Schrift nicht anderen zur Verfügung zu stellen.
5 Johann Jakob Ammann.
6 Übermittler des vorliegenden Briefes war Jodocus Kilchmeyer; s. oben Z. 4f.
1 Das Jahr ergibt sich aus dem Briefinhalt.

standen ist, berichten kann. Bullinger nehme ihn mit der ihn kennzeichnenden Freundlichkeit auf Er wird diesen schätzen, wenn er ihn besser kennenlernt. Er möge mit allen Gläubigen für den Rat und die Kirche von Konstanz (denen er zu Recht gut zuredet) beten. Wie jeder vernünftige Mensch es ja weiß, kann nichts ein schlechtes Ende nehmen, solange es Menschen gibt, die [dem Willen Gottes]willfahren. Allerdings wird es von diesen stets nur wenige geben, wenn Gott ihre Zahl nicht durch die Wirkung seines Geistes mehrt. Man bitte also Gott inständig, dafür zu sorgen. dass alle Konstanzer nach der wahren himmlischen Glückseligkeit trachten. -[2] Blarers Frau [Katharina, geb. Ryff], sein Bruder Thomas und Konrad Zwick lassen grüßen. -[3] Der französische Gesandte [Sébastien de l'Aubespine] soll auf die ihm anvertrauten Briefe besser achtgeben. Ein Radolfzeller [...], der sich kürzlich in Konstanz aufhielt, sagte nämlich, dass man liber die Verhandlungen zwischen Konstanz und König Heinrich II. im Bilde sei. Und als die angesprochenen Konstanzer (darunter einige Ratsherren) dies nicht glauben wollten, erzählte er, wie er in Baden in der Herberge, in der der Botschafter logierte, den besagten Brief offen auf einem Tisch liegen find und diesen lesen konnte. Wie unvorsichtig! Daraus könnte großes Unheil erwachsen! -[4]Am Vorabend erhielt Blarer Briefe von Georg Frölich und von einem Augsburger Ratsherrn [...]. Diesen zufolge zeigt sich Kaiser Karl V. nicht und trinkt das Wasser seiner [Guajak]holzkur. - [5] Viele Menschen befänden sich in Augsburg, und viele weitere würden erwartet. Und da ein Teil der ausländischen Söldner in der Stadt bleiben soll, werden die Gesandten der Reichsstände sich mit schlechten Unterkünften begnügen müssen. - [6] Der junge Herzog [Karl Viktor] von Braunschweig-Wolfenbüttel und der junge König Maximilian sollen in Augsburg angekommen sein, nicht jedoch [Karl Viktors] Vater, Herzog Heinrich d.J., und auch nicht Herzog Moritz von Sachsen, dessen Gefangennahme den Briefschreibern unbekannt ist. - [7] Beide schreiben, dass es vieles zu berichten gäbe, das sich der Feder nicht anvertrauen lasse. -[8] Laut Frölich rüsten die Hansestädte auf; wozu, wisse er nicht. - [9] Ferner berichtet er, wie ein kaiserlicher Hauptmann [...] aus reiner Willkür einen Kammerdiener [...]des Herzogs Johann Friedrich I. von Sachsen erstochen und einen Angestellten des Bürgermeisters Jakob Herbrot namens [Georg] Feuchtweck beinahe erwürgt habe. -[10] Man bete ohne Unterlass zu Gott und bitte ihn, uns nicht in Versuchung zuführen, sondern seinen Namen zu verherrlichen und uns das ewige Leben zu schenken. -[11]Bullinger möge über den Bündner Bundestag, über Bern und Frankreich sowie auch liber das Zürcher Schützenfest berichten. -[12][P.S.:] Er möge sich um nähere Bekanntschaft mit dein Grafen Georg von Württemberg bemühen, zumal dieser sich eines Fürsten würdig erweist, auch wenn er nicht fehlerfrei ist.

S. Accepi diligentissimas literas tuas 2 , pro quibus gratias ago. Nihil nunc est, quod superioribus meis 3 addere possim extra illa, quae Hieronymus Heurusius 4 , patricius foster, honestus ac bonarum literarum minime rudis iuvenis, cui iam semel atque iterum compater sum factus, exponere tibi bona fide poterat. Quem, rogo, ut tua humanitate, quae singularis est, haud gravatim comprehendas. Probabis mores et ingenium, ubi penitius introspexeris. Ora pro nobis cum omnibus, qui invocant nomen domini nostri Jesu Christi, 5 ut pro sua dementia omnia nostri urbis et ecclesia moderetur (quae prudenter et christianice admones) a . Nemo non (nisi prorsum insanus) feliciter cessura intelligit, si sint, qui obsequantur 6 - quos, dominus tamen nisi suo spiritu

a Klammern ergänzt.
2 Nicht erhalten.
3 Blarers Briefe Nr. 2980 und Nr. 2981 vom 8. August.
4 Der Konstanzer Ratsherr Hieronymus Hürus, der sich damals auf das von ZU-
rich organisierte Schützenfest (s. dazu s. Nr. 2958,29f; Nr. 2992) begab; s. Nr. 2996,6-9.
5 1Kor 1, 2.
6 Unausgesprochen ist wohl voluntati dei.

largiatur, nusquam video paucissimis exceptis inveniri posse. Comprecandus igitur suplicibus votis dominus, ut corda omnium nostrum eo inclinet, ubi ohm tutissima vereque beata esse queant.

Bene vale cum tuis omnibus, quos meis verbis valde quamamanter salutabis. Salutant te nostri, quos nosti, inprimis germanus meus frater 7 cum Zviccio 8 meaque uxore 9 .

Es were gut, das die frantzösisch bottschafft 10 gewarnet wurde, das die brieff wol verwart wurden, so im zugeschickt werden, etc. Es ist amer von Zell 11 hie gewesen. Hat sich gegen ettlichen vernemmen lassen, man wisse wol, in was practic 12 die von Costentz mitt dem Frantzosen 13 standind. Und alls die zuhörer burger gesagt, sy wissind warhich nichts darum, wiewol ettlich des rats gewesen, hat er gesagt, er seye zu Baden 14 gewesen und hab deren von Costentz schreiben an den Frantzosen 15 (des copiam ir gehept) in der frantzösischen bottschafft herberg offen uff dem tisch funden lygen und selbs gelesen. Ist warhich nitt gut, so ungewarsamlich handlen! Es möchte etwan 16 grosser unrath 17 usß sölichem erwachsen.

Necht 18 hab ich von Augspurg wider brieff vom Laeto 19 und sonst ainem ratsfreund 20 empfangen. Schribend nichts sonders, dann 21 der kaiser 22 hallte sich inn. Sölle das holtzwasser 23 trincken.

Item, das vyl volck da lyge und teglich noch mehr zuzieche. Soll ain rychstag werden 24 und das frembd volck zum tail litt abgschafft werden. Müssind der rychstend gesandten ubel beherbergt werden.

Item, das der jung hertzog von Brunschwig 25 ouch da sye, und der jung konig Maximilian 26 , aber der allt von Braunschwyg 27 nitt, ouch nitt hertzog Mauritz 28 . Sy wissind ouch litt, das er gefangen seye. 29

7 Thomas Blarer.
8 Konrad Zwick.
9 Katharina, geb. Ryff.
10 Sébastien de F Aubespine, abbé de Bassefontaine; vgl. Nr. 2955,1-12.
11 Ein Unbekannter aus Radolfzell.
12 Verhandlungen. 13 König Heinrich II.
14 Wohl kurz nach der in Baden zwischen dem 20. Juni und dem 15. Juli 1547 abgehaltenen Tagsatzung; vgl. nämlich Nr. 2954, Anm. 17.
15 Der spätestens am 17. Juli 1547 verfasste Brief des Konstanzer Geheimen Rats an Heinrich II., von dem sich Bullinger eine Abschrift anfertigten durfte; s. Nr. 2955, Anm. 12 und Anm. 14.
16 ziemlich; irgendwann.
17 Unheil.
18 Am Vorabend.
19 Georg Frölich.
20 Ratsmitglied; s. DRW XI 41.
21 außer.
22 Karl V.
23 Zur Holzkur des Kaisers s. Nr. 2983, Anm. 3.
24 Siehe Nr. 2952, Anm. 6.
25 Gemeint ist wohl Karl Viktor von Braunschweig-Wolfenbüttel, der mit seinem Vater zwischen dem 21. Oktober 1545 und 18. Juni 1547 vom Landgrafen Philipp von Hessen gefangen gehalten wurde; s. HBBW XV 26 und Anm. 107.
26 Der damals 20jährige, künftige Kaiser Maximilian II., Sohn Ferdinands Ï.
27 Herzog Heinrich d.J. von Braunschweig-Wolfenbüttel.
28 Moritz von Sachsen. - Er traf nicht vor Ende August, spätestens aber am 2. September in Augsburg ein; s. Moritz von Sachsen PK III 546f, Nr. 776.
29 Zu diesem falschen Gerücht betreffend Moritz s. Nr. 2966.12-14.

Schreibend baid, es seye vyl ze schriben, aber der feder nitt zu vertrauwen.

Item scribit Lotus civitates maritimas 30 esse in armis, se vero ignorare, quorsum motus ipsarum spectet.

Item so habe ain kaiserischer hoptman 31 dem hertzog von Sachsen 32 auß luter mutwillen 33 ain lieben kemerling 34 gar erstochen; ouch dem burgermaister Herbrot 35 seiner diener amen, der Feuchtweck 36 genant, ouch schier erwirgt.

Precemur dominum assidue, ut propter suam illam promissam misericordiam nos non patiatur induci in tentationem, 37 sed magnificet nomen suum in nobis 38 et animas nostras servet in vitam aeternam!

Was jr weyter vernempt von dem grossen tag zu Chur, 39 etc., item von Bern und Franckreich, und was diß schiessen 40 mittbringen werd für fruntschafft under euch 41 , lasst mich wissen, etc.

12. augusti 1547 b

[Ohne Unterschrift.]

Fac te comiti Georgio a Wirtemperg 42 familiarius adiungas; habet dignum principe ingenium, sed non caret interim suis naevis.

[Adresse auf der Rückseite:] D. Heinricho Bullingero, fratri et amico suo incomparabili. Tigu[ri]c . 43

b In der Vorlage 154. -
c Textverlust bei der Entfernung des Siegels.
30 die Hansestädte. - Siehe dazu Nr. 2985, Anm. 10 und Anm. 12.
31 Unbekannt. - Zu diesem Abschnitt s. Nr. 2978,100-110.
32 Johann Friedrich I. von Sachsen.
33 luter mutwillen: reiner Willkür.
34 Unbekannt.
35 Jakob Herbrot.
36 Georg Feuchtweck.
37 Mt 6, 13.
38 Vgl. 2Thess 1, 12.
39 Der am 16. August beginnende Bündner Bundestag; s. Nr. 2964, Anm. 3.
40 Zu diesem für den 14. August in Zürich geplanten Schützenfest s. Nr. 2958,29f; Nr. 2992.
41 den Eidgenossen.
42 Georg von Württemberg-Mömpelgard, der sich damals nach Basel zurückgezogen hatte (s. Nr. 2943. Anm. 8). -Einige Wochen später kam es zu dessen Besuch in Zürich; Nr. 3014, Anm. 2.
43 Vorliegender Brief wurde von Hieronymus Hürus übermittelt; s. oben Z. 1-6.