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[2691]

Oswald Myconius
an Bullinger
Basel,
24. November 1546

Autograph: Zürich StA, E II 336a, 264 (neu: 280)(Siegel) Ungedruckt

[1]Myconius konnte nichts über das angebliche Zerwürfnis zwischen Papst [Paul III.] und dem französischen [König Franz I. ] in Erfahrung bringen, da [Antoine]Morelet [du Museau] abgereist ist und Bernhard Meyer [zum Pfeil]sich derzeit in Straßburg befindet. Er wird aber der Sache weiter nachgehen. [2] Es ist ärgerlich, dass alle den Geldmangel der [Schmalkaldener] bedauern und deren Untätigkeit damit erklären. Warum erheben denn die Fürsten und Städte keine Steuern? Manche würden gern ihr Vermögen daran setzen, wenn dadurch der Krieg beendet oder wenigstens irgendein Friede erreicht würde. Nie war die Gelegenheit dazu

31 Vgl. dazu die Berichte in Nr. 2701,19-37 und Anm. 17; Nr. 2702,27-29.
32 Im Jahr 1521 hatte Karl V. den Ulmern das etwa 35 km nördlich von Ulm gelegene Heidenheim an der Brenz und die damit verbundene Herrschaft verpfändet. 1536 ging diese wieder in den Besitz Herzog Ulrichs von Württemberg über, wobei Ulm sich dort allerdings gewisse Rechte vorbehielt, u.a. die Zollrechte; s. Michael Dieterich, Beschreibung der Stadt Ulm, Ulm 1825, S. 187. — Zur Ankunftszeit des schmalkaldischen Heeres in Heidenheim s. oben Anm. 1.
33 Ps 146, 3 (Vulg. 145, 2).
34 sehr.
35 Vgl. Spr 21, 1.
36 offenkundig bekannt; s. SI V 393.
37 obgleich; s. Fischer V 4.
38 murmeln, heimlich erzählen (werde).
39 Blarer braucht diese Wendung schon 1528 in einem Brief an Zwingli; s. Z IX 528f, Nr. 749; Blarer BW I 162f, Nr. 121.
40 Vorliegender Brief wurde Gregor von Ulm bis nach Attikon (Kt. Zürich) anvertraut; s. Nr. 2698,1f.

besser als jetzt, wo Kaiser [Karl V] sein Winterlager in Reichweite der [Schmalkaldener] einrichtet. Wenn es nur nicht so kalt wäre! Schmerzlich ist, dass einige [protestantische] Fürsten kaisertreu sind. Würde dies vielleicht erklären, dass so viele Gelegenheiten ungenutzt blieben? Die Aufrichtigkeit von [Landgraf Philipp von]Hessen wird aber kaum zu bezweifeln sein. [3] Ein Student [...] aus Wittenberg erzählte viel über den Einfall der Böhmen [in Kursachsen]. Er meinte jedoch, dass es keinen Grund zur Angst um dieses Land gäbe, denn der dänische König [Christian III.] unterstütze mehrere sächsische Städte. Die Sache wird also besser stehen, als behauptet wird, auch wenn es in Basel hieß, dass 25'000 Sachsen gefallen wären. Offenbar werden solche Gerüchte von den Feinden verbreitet. [4] [Francisco de] Enzinas lässt sich für sein Schweigen entschuldigen. Die Druckarbeit nimmt ihn völlig in Anspruch. Er will aber mit dem nächsten Boten an Bullinger schreiben. [5] Über die Beschlüsse des Zürcher Rates und der Zünfte hat Bullinger zusammenfassend (in Nr. 2653] berichtet. Doch hat Myconius nichts zu den Gemeindeversammlungen in der Landschaft Zürich erhalten! Daher haben sich die Stadtoberhäupter vergeblich bei ihm danach erkundigt. [6]Gruß, auch an Rudolf Gwalther.

S. De causis dissidii, quod esse fertur inter pontificem 1 et Gallum 2 , vel ideo nihil hoc tempore licet cognoscere, quod d. Maurus legatus 3 discessit et quod Bernhartus Meyerus 4 Argentinae est. Ab inquirendo tamen non desinam, si quid possim invenire.

Vexat me, quod de pecuniae inopia, qua nostri laborant, 5 queruntur omnes. Videtur enim ea in causa esse, cur nihil agatur. De domini operibus maximis nihil dico. Cur non tributum imponunt principes et civitates? 6 Equidem audio, qui libenter insumerent, que habent, tamen ut aliquis finis et vel pacis species acquireretur. Quomodo autem melius ad finem pertingi queat quam nunc, si cesar 7 ante oculos nostrorum hyberna instituit, modo frigus non esset tam vehemens? 8 Non libenter dico principes quosdam, qui stant nobis, caesareanos esse. 9 Attamen miror, qui fiat, quod non secus agitur,

1 Paul III.
2 König Franz I. — Myconius hatte diese Nachricht mit Nr. 2683,14f, übermittelt, und Bullinger wird um weitere Informationen darüber gebeten haben.
3 Antoine Morelet du Museau, Gesandter Frankreichs in der Eidgenossenschaft. — Er war am 5. November nach Frankreich abgereist; s. Nr. 2682, Anm. 14.
4 Bernhard Meyer zum Pfeil, Basler Ratsund Pannerherr. Aufgrund der Unzufriedenheit der Straßburger mit dem Brief, den die Vier protestantischen Orte am 26. Oktober an Karl V. (s. dazu Nr. 2606, Anm. 60) geschrieben hatten, war er nach Straßburg gesandt worden, von wo er vor dem 3. Dezember zurückkehrte; s. dazu PC IV/1 500f, Anm. 1.
5 Zum Geldmangel bei den Schmalkaldenern s. zuletzt Nr. 2689,5-13.
6 Myconius konnte nicht wissen, dass der Schmalkaldische Bund am Tag zuvor, auf seiner letzten Ulmer Tagung vom 23. November 1546 (s. Mentz III 48), die Errichtung eines Winterlagers zum Schutz Oberdeutschlands sowie eine außerordentliche Besteuerung für dessen Unterhalt beschlossen hatte. Diese Maßnahme wurde jedoch nicht umgesetzt, da Ulm gegen ein Winterlager war und Augsburg die Besteuerung ablehnte; s. Konstanz 131f.
7 Karl V.
8 Zum Kälteeinbruch s. die Verweise in Nr. 2689, Anm. 7.
9 Myconius wird etwa an Friedrich II. von der Pfalz denken, vielleicht auch an Ulrich von Württemberg, ganz bestimmt aber an Johann Friedrich I. von Sachsen; vgl. Nr. 2682,8-13.

postquam rem feliciter agendi toties sit oblatum. Age, dominus novit et Hessus 10 , de cuius integritate dubitare non valeo.

Venit studiosus quidam his diebus e Witenberga 11 huc, qui, multa de conatu Boëmorum 12 postquam dixerat, adiecit tandem se Saxonie non valde timere, nam Danum 13 plerasque civitates eius provincie fortissimis muniisse praesidiis. Coepi nonnihil sperare res melius se habere, quam ferret rumor. Nam hic sparsum erat Saxonum usque ad 25 millia cecidisse; sparsum autem erat ab inimicis nostris et dei.

Orat Dryander 14 , ne egre feras, quod nihil scribat. Se sic immersum pistrino litterario, ut emergere nequeat. Sed tamen scripturum se pollicetur primo quoque nuncio. Habeto excusatum.

que in senatu 15 queque per tribus 16 acta sunt apud vos, indicasti summatim. 17 que vero in rure, 18 nihildum accepi. Senatus, imo capita 19 petierunt a me priora. De posterioribus rogarant, verum nihil reddere potui.

Vale in Christo cum tuis et Gvalthero. Basileae, 24. novembris anni 1546.

Tuus O. Myc.

[Adresse auf der Rückseite:] D. Heinricho Bullingero, doctissimo domino in Christo venerando suo. Zürich.

10 Landgraf Philipp von Hessen.
11 Vielleicht Johann Jakob Wecker (1528— 1586), falls er 1546 noch in Wittenberg studierte. Er hatte sich dort im Mai 1544 immatrikuliert, wurde 1557 Professor für Dialektik und Logik in Basel und 1566 Stadtarzt von Colmar; s. M-Wittenberg I 212; ADB XLI 372. Es könnte sich aber auch um einen durch Basel reisenden Studenten handeln, wie z.B. um den am 2. Juni 1546 in Wittenberg immatrikulierten Berner Georg Moller; s. M-Wittenberg I 234.
12 Gemeint ist der Einfall des Herzogs Moritz in Kursachsen mit Hilfe der böhmischen Truppen unter Ferdinand I.
13 König Christian III. — Im Brief des Konstanzer Rats an den Zürcher Rat vom 4. Dezember (Zürich StA, A 177, Nr. 150) wird behauptet, dass der König von Dänemark Moritz gebeten haben soll, von seinem Vorhaben abzustehen, weil er sonst dem Kurfürsten zu Hilfe kommen würde.
14 Francisco de Enzinas, der damals in Basel in der Offizin von Johannes Oporin an der Drucklegung seiner Schriften arbeitete. — Er schrieb zwei Tage später (Nr. 2694).
15 Bei der Versammlung der Zürcher Räte und Bürger vom 30. Oktober; s. dazu zuletzt Nr. 2653,59-65.
16 Zünfte; s. Kirsch 2877. — Gemeint sind die Zunftversammlungen vom 31. Oktober; s. zuletzt Nr. 2653,70f.
17 Nämlich mit Nr. 2653.
18 In den seit dem 7. November abzuhaltenden Versammlungen in den Gemeinden und Herrschaften Zürichs; s. dazu die Verweise in Nr. 2659, Anm. 84. — Bullinger hatte Myconius Dokumente dazu gesandt, die allerdings nicht eingetroffen waren; s. Nr. 2671,49.
19 Der Rat (senatus) und die Stadtoberhäupter (capita - s. zu diesen HBBW XVI 123, Anm. 16) von Basel.