Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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[2574]

[Georg Frölich]
an Bullinger
[Augsburg, 8. oder
9. September 1546]

Autograph: Zürich StA, E II 345, 322 (Siegelspur) Ungedruckt

Frölich dankt für Bullingers Brief vom 4. September [nicht erhalten] und für den Lukaskommentar. Entweder wird er das für Bürgermeister [Hans] Welser bestimmte Exemplar diesem selbst überreichen oder [Johannes]Haller damit beauftragen. Frölich hat sich nie mit Welser gestritten, bedauert aber, dass ein Mensch, der an der Spitze eines solch bedeutenden Gemeinwesens

Ruman mit seiner Familie heim (Haller an Bullinger, 22. Juli, E II 370, 63). Ende Juli forderten die Zürcher Haller zurück (Augsburg an Zürich, 4. August, A 202/1, Nr. 25), doch konnte dieser Augsburg erst am 3. Oktober 1547 verlassen (Augsburg an Zürich, 3. Oktober, A 202/1, Nr. 30). — Die Identität Rumans wirft Probleme auf. Im Briefwechsel des Augsburger Rats an den Zürcher Rat wird er einmal als "Thoman Rauman" (A 202/1, Nr. 18) und ein anderes Mal als "Hanß Ruman" (A 202/1, Nr. 24) bezeichnet. Bei Haller ist er stets als "Romanus" ohne Nennung seines Vornamens angeführt. Die Bezeichnung "Thomann Rainen" die man in dem am 19. Oktober 1546 angefertigten und vom Stadtschreiber Hans Escher vom Luchs entworfenen Brief des Zürcher Rates an Haller findet, ist wohl auf einen Irrtum zurückzuführen. Sein eigentlicher Name wird (Hans) Thoman Rauman gewesen sein (dem Vornamen vieler Zürcher ging damals oft noch der Vorname Hans zuvor, der nicht immer angeführt wurde). In der älteren Literatur und demzufolge auch in Pf-Augsburg 36, Nr. 202, und Pf-Schwaben 175, Nr. 1026, wird "Thoman Ruman" mit dem in Pf-Zürich 485 angeführten "Hans Römer" identifiziert, der 1546 Pfarrer in Zurzach (Kt. Aargau) geworden sein soll (die Quelle für letztere Behauptung ist unbekannt). Ob diese Identifikation zutreffend ist, muss derzeit offen bleiben.
22 Der unbekannte Bote von Augsburg.
23 Nachricht.
24 Wahrscheinlich der im Juni von Gast an Bullinger übermittelte Gesamtkatalog von Basler Drucken; s. HBBW XVI 264,3f.; und Nr. 2457,1.
25 Theodor Bibliander.
26 Unbekannt.
1 Das Datum ergibt sich aus einem Vergleich von unten Z. 1f mit Nr. 2576,1-3. Vergleicht man außerdem unten Z. 3-5 mit Nr. 2576,5, kommt man zu dem

steht, dieses so arg beeinträchtigt, auch wenn er ansonsten freundlich und umgänglich ist. Es fehlt ihm jedoch an Beständigkeit und Mut. Ferner ist dessen Frau [Barbara, geb. Adler]schlimmer als Isebel! Seitdem Frölich sie in Gegenwart von [Johannes]Haller für ihre schlechte Behandlung von Michael Keller und anderen rechtschaffenen Männern kritisiert hat, will sie ihn nicht mehr sehen. Demzufolge wagt es auch ihr Ehemann nicht mehr, mit Frölich zu verkehren. Seit dem 17. August hat Frölich drei Briefe an Bullinger abgeschickt: zweimal über Konstanz [Nr. 2537 und ein nicht erhaltener Brief] und einmal über Lindau [nicht erhalten]. Ein vierter Brief [Nr. 2561]wird inzwischen vom Augsburger Stadtboten [...] nach Zürich übermittelt worden sein. Frölich weiß weder, wie hoch der [Geld]betrag war, den der Sankt Galler Abt [Diethelm Blarer von Wartensee]für den Kampf gegen die Schmalkaldener zahlte, noch, an wen und wann das Geld ausgezahlt wurde. Die Augsburger Gesandten [auf dem Tag der oberdeutschen Städte] in Ulm behaupten aber, dass jener Abt sowie der Konstanzer Bischof [Johann von Weeze] dem Kaiser [Karl V.] Geld für den Krieg gegeben hätten. Es heißt ferner, dass der Abt von Weingarten [Gerwig Blarer] 6'000 Goldstücke von [Blarer von Wartensee] empfangen habe. Diese Angabe soll aus abgefangenen Briefen der Papisten stammen. Aus der Mitteilung, die Frölich kürzlich dem Augsburger Stadtboten anvertraute, hat Bullinger erfahren, dass der Kaiser nicht angreifen wolle. Es blieb dabei, obwohl die [Schmalkaldener] ihn vier Tage lang zum Kampf herausforderten und dabei etwa 800 Mann töteten. [Maximilian von Egmont, Graf] von Büren, zieht dem Kaiser mit 4'000 Pferden und 12'000 Kriegsknechten zu. Dieses [niederländische] Heer gelangte mit Hilfe des Mainzer Bischofs [Sebastian von Heusenstamm] und anderer über den Rhein. Wohl erst nach Eintreffen dieses Heeres wird der Kaiser den Angriff wagen. Die [Schmalkaldener]haben sich von Ingolstadt in Richtung Donauwörth zurückgezogen, um Musterungen durchzuführen und ihre Kriegsknechte zu bezahlen. Aufgrund der in [Nr. 2561] bereits erwähnten vorteilhaften Lage des kaiserlichen Lagers hätten sie in Ingolstadt sowieso nichts ausrichten können. Zudem fehlte es ihnen an Proviant. Die [Schmalkaldener]verfügen über 80'000 Mann. Man muss also sparsam sein, denn man wird den Krieg kaum noch in diesem Jahr beenden können. Der Eifer der Eidgenossen wird geschätzt, auch wenn deren Hauptleute als inkompetent gelten. Man bräuchte solche mit mehr Erfahrung. Die Tiroler konnten durch die Unentschlossenheit der [Schmalkaldener] die Festung und die Klause Ehrenberg zurückerobern. Dies ist allerdings nicht sehr schlimm, solange die [Schmalkaldener] das gut besetzte Füssen weiterhin behalten. In Summa: Alles hängt von der zukünftigen Hauptschlacht ab. Gott verleihe seinen Sieg!

S. Literas tuas 4. septembris datas 2 et Lucam tuum 3 , omnium charissime atque observandissime frater, hodie accepi. Pro codice hoc sacrosancto ago tibi gratias, quas possum, maximas, donec vicem rependere licebit. Domino consuli Welsero 4 librum tuum ipse ego offeram vel d. Hallero id faciendum committam. 5 Ipse haud dubie tam liberale munus gratissima mente amplexurus est. Mihi cum illo nihil simultatis unquam fuit nec est; quod autem scripsi, 6 veritas et necessitas coegit. Non potui autem non acerbissime dolere eum, qui tantae reipublicae preesse debet, 7 tam fede impingere. Utinam dominus

Schluss, dass Frölich Bullingers Brief vom 4. September erhalten hatte, ehe Haller den an ihn am gleichen Tag wie an Frölich geschriebenen Brief Bullingers (Nr. 2564) erhielt. Zudem ist zu bedenken, dass angesichts der zwischen Zürich und Augsburg liegenden Distanz (ca. 240 km) Bullingers Brief vom 4. September Frölich kaum vor dem 8. September hätte übermittelt werden können.
2 Nicht erhalten, aber belegt; s. Nr. 2564 und Anm. 12.
3 Bullingers Lukaskommentar; s. Nr. 2545 und Anm. 2.
4 Hans Welser dem der Lukaskommentar gewidmet war; s. Nr. 2545, Anm. 1.

reducat ipsum in viam, quod etiam fieri potent! Vir per se est satis humanus et tractabilis. Quod, si gravitas et constantia istis etiam a virtutibus accederet, nobis esset vir b venerabilis. Uxorem 8 autem habet Isabele ipsa molestiorem 9 , quae iureiurando affirmavit se eo in diversorio non mansuram, in c quo ego sim. Hinc est, quod ipse Welserus me non audet ad sese vocare neque aliquid commune mecum habere, tantum eam ob causam, quod ei presente Hallero suas ineptias et peccata in bonos viros, Michaelem nempe c Cellarium 10 atque alios, exprobrarim. Haec tibi sint dicta.

Ich hab euch seit 17. augusti dreimal geschriben. Zweimal sind die brieff 11 uff Costantz unnd das ain mal uff Lynda 12 gesanndt. So wurdt unnser statbott 13 seit eurs schrybens 14 mynen virten brieff 15 gar gen Zürch bracht haben.

De abbatis Sangallensis 16 contributione adversum nostros 17 non possum certa significare, quantum pecuniae. cui et quando dederit. Sed nostri legati, 18 cum adhuc Ulmae essent, istum abbatem et episcopum Constantiensem 19 inter 20 eos recensebant, qui caesari pecunias ad hoc bellum suscipiendum erogassent. Aiebant etiam abbatem a Vineto sive Wingarten 21 percepisse Sangallensis presidium, nempe 6'000 aureorum. Unde autem legatis nostris haec nuntiata sint, nec ipsi satis explicare possunt, nisi quod dicunt per quasdam papistarum literas interceptas 22 hoc proditum esse.

Ich hab euch kurtzlich inn einer summa bei unnserm statbotten geschriben, 23 das der keiser bishere keinen stannd thun 24 wollen, unangesehen, das

a etiam über der Zeile nachgetragen.
b vir über der Zeile nachgetragen.
C nempe über der Zeile nachgetragen.
5 Zu dieser Übermittlung s. Nr. 2576,5.
6 Anspielung auf die geringe Meinung, die Frölich über Welser hegte; s. Nr. 2523,21-25; Nr. 2530,4-7; und zuletzt Nr. 2561,51-57.
7 Welser gehörte dem Augsburger "Geheimen Rat" an und war in den Jahren 1537, 1543, 1545 und 1547 Bürgermeister; s. HBBW XII 154, Anm. 3.
8 Barbara, geb. Adler.
9 Isabele ipsa molestiorem: schlimmer als selbst Isebel (die Frau Ahabs); vgl. 1 Kön 16, 31; 21, 8-29 (bes. 25); 2 Kön 9, 30— 37.
10 Michael Keller. — Vielleicht im Zusammenhang mit den ihm von Schertlin geschenkten 50 Gulden; s. Paulus, Schertlin 58, Anm. 65.
11 Brief Nr. 2537 vom 17. August (s. dazu Nr. 2537, Anm. 22) und ein weiterer, nicht erhaltener Brief.
12 Lindau. — Ein nicht erhaltener Brief.
13 Der unbekannte Überbringer von Frölichs Brief Nr. 2561; s. Nr. 2561 und Anm. 4.
14 Bullingers Brief vom 4. September; s. oben Anm. 2.
15 Frölichs Brief vom 2. September (Nr. 2561), den Bullinger noch nicht erhalten haben konnte, als er seinen Brief vom 4. September schrieb, den Frölich mit vorliegendem Brief (Z. 1f) verdankt.
16 Diethelm Blarer von Wartensee.
17 Siehe dazu Nr. 2537, Anm. 15.
18 Wohl Konrad Hel und Joachim Langenmantel, die Gesandten Augsburgs, die zumindest an der zwischen dem 21. und dem 29. Juni in Ulm abgehaltenen Sitzung der oberländischen Städte des Schmalkaldischen Bundes nachgewiesen sind; s. RTA-JR XVII 462, Anm. 1; 512, Anm. 2.
19 Johann von Weeze.
20 Karl V.
21 Gerwig Blarer; vgl. Gerwig Blarer BA I 575, Nr. 803, wo es möglicherweise um diese Angelegenheit geht.
22 Liegt hier vielleicht eine Anspielung auf die in Nr. 2514, Anm. 42, erwähnte Beschlagnahmung von Briefen vor?

die unnsern bis an den 4 tag hart an 25 ime vor seiner schantz 26 gelegen, hinein zu lime geschossen unnd ob 27 800 mann erlegt haben. 28

Nun kumpt der herr 29 von Burn . Bringt ob 4'000 pferd unnd 12'000 knecht. Die synnd durch hilf des bischofs von Mentz 30 unnd annder pfaffen 31 zu Bingen uber Ryn komen. 32 Unnd wann 33 sie zum keyser stossen, so wurdt er sich alsdann starckh genug düncken unnd villicht schlahen 34 wellen.

Die unnsern synnd wider 5 myl von Ingolstat heruff gen Werde 35 gerückht, damit sie musstern unnd die knecht bezaln mogen. Gewarten nun und sehen, was der feynd gegen ine oder sie gegen dem fynnd anfahen mögen. Dann inn bemelten 36 vortail, der hartt an der stat Ingolstat unnd dem wasser 37 ligt, ist ine 38 nit abzeprechen gewest 39 . So hat auch an proviand groß manglen wollen.

||322v Wir uff unnserm teil haben ain treffenlich groß volkh. Unnd mag euchs wol vertrwen, wann es alles zusamen stosst, das streitbarer mann zu roß unnd zu fueß gern und wol achtzigtausent seien. Darumb unnd damit auch am geldt nit mangle, muß man an sich halten 40 Ist zu besorgen, dieser krieg werde dits jars schwerdlich zum ennde lauffen.

Ich sag euch, das die Aidtgnossen 41 unns werdte, liebe leut synnd. Unnd wurdt ir guter eiffer wol gespuert. Glychwol will man irer hauptleut nit für viel achten. 42 Deswegen mussten hinfuran 43 annder unnd geubter verhanden syn.

Die Tyroler haben uns das schloß unnd die clauß Ernberg per quorundam nostrorum oscitantiam wider abgewonnen. 44 Ist aber nit hoch daran gelegen, wann wir nur mögen Füessen erhalten 45 , welchs wol besetzt ist. 46

23 Gemeint ist Frölichs Brief vom 2. September (Nr. 2561); s. oben Z. 18f.
24 stannd thun: Angriff ausführen. — Vgl. Nr. 2561,6-9.
25 hart an: sehr nah bei.
26 seiner schantz: seinem verschanzten Lager. Vgl. Nr. 2561,6-9.
27 über, oder: etwa.
28 Zu diesen Scharmützeln s. u.a. die Briefe Nr. 2560, Nr. 2561 und Nr. 2563.
29 Maximilian von Egmont, Graf von Büren, Feldherr des niederländischen Heeres.
30 Sebastian von Heusenstamm.
31 So z.B. Siegfried Hundt von Wenckheim, genannt Leuis; s. Nr. 2563, Anm. 4.
32 Zur Rheinüberquerung s. Nr. 2548, Anm. 50.
33 wenn.
34 angreifen.
35 Donauwörth.
36 oben Z. 30.
37 die Donau.
38 den Kaiserlichen.
39 ist ine nit abzeprechen gewest: konnte man ihnen nichts antun; s. Fischer I 7 s.v. abbrechen.
40 an sich halten: sich zurückhalten (um Geld zu sparen).
41 Gemeint sind die eidgenössischen Söldner, die den deutschen Protestanten zugezogen waren.
42 Vgl. Nr. 2489,30; Nr. 2496,41-46; Nr. 2596,127-135.
43 von jetzt an.
44 Zur Rückgewinnung der Klause Ehrenberg s. zuletzt Nr. 2572,44-46.
45 behalten.
46 Zur Besetzung Füssens durch die Schmalkaldener s. Nr. 2499, Anm. 10. — Am 5. September wich das protestantische Kriegsvolk, welches die Klause Ehrenberg

In summa, es stat alles uff ainer hauptschlacht; wer dieselb erobert 47 , der hat lannd unnd lewt. Der almechtig, ainig, starckh gott gebe unnd verleihe unns, die uff me sehen und wartten, seinen sieg, sterckh und gnad. Amen.

[Ohne Unterschrift.]

[Adresse auf f. 325v.:] Incomparabili viro domino Henricho Bullingero, anthistiti Tigurino vigilantissimo, domino et fratri coniunctissimo.