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[2562]

Bullinger
an Ambrosius Blarer
Zürich,
3. September 1546

Autograph: St. Gallen Kantonsbibliothek (Vadiana), Ms 35 (VBS VI), 191 r./v. (Siegelspur) Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 500f, Nr. 1340

Bullinger hat Blarers Brief [Nr. 2546] erhalten und glaubte, dass Blarer dies seinem Brief [Nr. 2556] entnommen hatte. Nun ist ja alles gut, da Blarer in seinem Brief [Nr. 2558] den Empfang von Bullingers [letztem]Brief bestätigt, und auch Bullinger Blarers Briefe empfangen hat. Gerne hat Bullinger die [in Blarers Brief Nr. 2558 übermittelten]Neuigkeiten von [Hans] Welser gelesen. Mittlerweile hat er auch eine Schrift über den vernichtenden Blitzeinschlag von Mechelen erhalten. Möge dies ein Zeichen für das Schicksal des Kaisers [Karl V.] und der papistischen Religion sein! Der Kaiser zieht hin und her, um ein Gefecht zu vermeiden. Wenn man ihn nur ergreifen würde! Bullinger hat gehört, dass bei Ingolstadt ein Gefecht für die [Schmalkaldener]unblutig ausging. Möge Gott dem guten Anfang ein besseres Ende verleihen! Es wäre gut, wenn man verhindern könnte, dass sich das Heer [unter Maximilian von Egmonts Führung] dem kaiserlichen Lager anschließt. Blarer wird sehen, dass die Pläne des Kaisers scheitern werden und allen Feinden ein sehr [schlechtes] Ende beschieden sein wird! Angeblich sind 12'000 Italiener auf dem Weg nach Deutschland. Man muss aufpassen, dass sie nicht die Pässe und die Klause Ehrenberg besetzen, um so die Städte im alemannischen Raum angreifen zu können und eine Aufteilung des [schmalkaldischen] Heeres verursachen. Bullinger hat alle die [von Blarer erwähnten]Schriften gesehen, außer das Gesprech des Teütschen Lands und der Hoffnung" und die Abhandlung "Ursachen Dass [König] Ferdinand den [Schmalkaldenern]feindlich gesinnt ist, stimmt natürlich! Es gilt aber, sich ihm gegenüber so lange wie möglich klug zu verstellen. Blarer konnte Bullingers [Lukas]kommentar ja noch gar nicht lesen, so dass sein Lob allein seiner Zuneigung zuzuschreiben ist! Wenn er zur Lektüre kommt, soll er allfällige Kritik mitteilen. Wenn nicht, soll er wissen, dass er sich nur schon durch seine zuverlässigen Berichte verdient macht. Was [Hans] Schöner betrifft, so braucht Blarer nicht zu danken, da Bullinger sich seiner kaum anzunehmen vermag. An der Tagsatzung zu Aarau wurde wenig ausgerichtet. Die Berner schlugen vor, in die [drei katholischen Orte Uri, Schwyz und Unterwalden]Boten zu schicken, um diese über die genauen Kriegsursachen aufzuklären. Doch angesichts deren zunehmender Abneigung gegen den [protestantischen] Glauben ist es fraglich, ob solch eine Gesandtschaft überhaupt sinnvoll wäre. Man beschloss außerdem, den Papst [Paul III.]und den Kaiser nicht mit einer schönen Antwort zu würdigen. Wenn [die Schmalkaldener] von den Stadt[kantonen] noch 12'000 bis 16'000 Söldner bräuchten, würden sie diese bestimmt erhalten, wenn sie im Durchschnitt einem Hauptmann 50, einem Leutnant 40, einem Fähnrich 25 bis 30 und einem gewöhnlichen Söldner fünf oder sechs Gulden anbieten würden. Dies stellt eine geringere Entlohnung dar, als man von Frankreich verlangen würde, zumal die Angelegenheit

66 Antistes.
67 Weil vorliegender Brief (wie auch Hallers Schreiben Nr. 2560) durch einen
Augsburger Ratsboten übermittelt wurde; s. oben Anm. 4.

schließlich auch die [protestantischen Eidgenossen] betrifft. Es ist klar, dass Bullinger hier nur eine Vermutung äußert und nichts verspricht. Sicher ist allerdings, dass die [protestantischen Stadtkantone] den [Schmalkaldenern] sehr gewogen sind! Blarer möge Bullinger in jedem Fall über Neuigkeiten informieren. Gruße. Dieser Tage schickt Bullinger Welser mit einem Brief [nicht erhalten] ein Exemplar [seines Lukaskommentars]. Blarer soll ihn dann Welser schriftlich empfehlen. Von Letzterem erwartet Bullinger nur Standhaftigkeit im Glauben.

S. D. Recepi a chirurgo 1 tuas 2 , ac te, amice et frater charissime, id ex meis 3 intellexisse putavi. Sed bene habet; in fine enim literarum 4 significas te accepisse omnes, et ego vicissim tuas omnes accepi. 5

Welseri nostri nova 6 libenter legi. Interim et de attacta fulmine Mechlina libellum impressum ut folium accepi. 7 Mira profecto dei iudicia! 8 Utinam prognostico quodam significant dominus, quid facturus sit caesari 9 et papisticae religioni! Lego enim nullum templum intactum mansisse!

Caesar, ut detrectet certamen et pugnam, in hunc modum iam huc, iam illuc se confert. Utinam apprehendatur tandem! Certamen ad Ingoistadium commissum libenter audivi nostris fuisse incruentum 10 . Faxit dominus, ut bono principio melior finis respondeat! 11 Video nostros alacres esse et vigilantes.

Si Belgicus exercitus 12 prohiberi potent, quominus caesaris castris coniungatur, bene habebit res. Videbis et multa consilia caesaris perire et plurimum omnibus nostris male a decedere adversariis.

Fama rursus est Italorum 12'000 b13 festinare in Germaniam. Vigilate, obsecro, ne forte occupatis faucibus et recuperato castro Eerenfels 14 novus iste

a male Fehlt in der Vorlage.
b In der Vorlage folgt milia.
1 Jakob Ruf.
2 Nr. 2546 vom 24. August, wie aus Nr. 2558,2f, und aus unten Anm. 3 hervorgeht.
3 Brief Nr. 2556 vom 29. August, in dem Bullinger tatsächlich bereits den Brief Nr. 2546 verdankt hatte; s. Nr. 2556,1.
4 Blarers Brief Nr. 2558 vom 31. August/1. September, in dem in Z. 60f der Empfang von Bullingers zuletzt verfasstem Brief Nr. 2556 bestätigt wurde.
5 Bullinger reagiert hier auf die von Blarer in seinem letzten Schreiben geäußerte Sorge, dass die zwischen ihnen ausgetauschten Briefe vielleicht nicht alle angekommen seien; s. Nr. 2558,1-7.
6 Der in Nr. 2558,8-17 oder 8-20, zitierte Abschnitt eines Briefes von Hans Welser an Blarer.
7 Gemeint ist die Schrift "Von dem erschröcklichen und grausamen Ungewitter zu Mechlen" (s. dazu Nr. 2551, Anm. 9), von der sowohl der Augsburger wie auch
der Straßburger Druck (wohl die zwei hier in Frage kommenden Orte, aus denen Bullinger die Schrift erhalten haben könnte) nur einen Bogen (4 Blätter im Quartformat) beanspruchen, was dem "ut folium" (Übersetzung: als [nicht zusammengelegtes und aufgeschnittenes] Blatt) entspricht. — Beide Ausgaben sind in Zürich ZB erhalten.
8 Vgl. Röm II, 33. 9 Karl V.
10 Dies ist allerdings nicht ganz richtig; vgl. nämlich Nr. 2561,26-28 — ein Brief, den Bullinger aber noch nicht erhalten hatte.
11 Vgl. TPMA I 141, Nr. 186.
12 Das von Maximilian von Egmont, Graf von Büren, aus den Niederlanden zum Kaiser geführte Heer.
13 Diese Nachricht hatte Bullinger auch Myconius mitgeteilt, der ebenfalls davon Ähnliches (doch mit einer anderen Zahlenangabe) gehört hatte; s. Nr. 2566,7-9.
14 Die Klause Ehrenberg, die von den

exercitus illac transeat et urbes invadat Almannicas 15 cogatque dividere exercitum iunctum c16 .

"Quaerelam Germaniae"7 nondum vidi, neque vidi "Cur receperint rehgionem hanc nostri nolintque communicare cum consilio Tridentino". 18 Reliquos 19 vidi.

Non est, quod dubitetis de inimicitia Ferdinandi. 20 Est profecto hostis vester. Prudenter autem dissimulatis; 21 utinam liceat diu!

Commentarios meos 22 nondum inspicere potuisti. 23 Laudem ergo amori tribuo, quam predicas. Lege, ubi vacat, deinde si quid reprehensione dignum iudicaris, indica. Annon plurimum mihi gratificaris, qui toties et tam diligenter iam multo tempore et nunc praesertim scribis; res est mihi iucundissima. Perge sic et abunde satis rependisti mea in te officia et dona, 24 quae sane exigua sunt. Nec Schönero 25 quicquid praesto humanitatis. Raro illum video. Nam mea negotia prohibent d .

Zu Aarow verganges tags 26 ist nut sunders gehandlet, onet 27 daß Bern gewöllt, für die gmeinden ||191v. in die Läender 28 botten schicken, sy ze berichten, wie sich der krieg erhept, etc. 29 Diewyl aber die Lender ye länger ye verherter 30 in irem unglouben werdent, etc., weiß ich nitt, ob ützid 31 uß dem schicken wirt. Sunst 32 wirt man dem bapst 33 und keyser nitt vil guts bescheidts gäben. 34

c In der Vorlage iuctum. —
d In der Vorlage prohibet. Schmalkaldenern bald aufgegeben werden sollte; s. Nr. 2542, Anm. 9.
15 Der südliche Teil des deutschen Reichs, zu dem auch die Deutschschweiz gehörte.
16 exercitum iunctum: das damals noch zum größten Teil vereinigte Heer der Schmalkaldener, welches man aufteilen müsste, wenn neue kaiserliche Truppen über die Klause in Süddeutschland eindringen würden.
17 Das von Bernardino Ochino verfasste "Gesprech des Teütschen Lands und der Hoffnung"; s. Nr. 2558, Anm. 46.
18 Die von Melanchthon verfasste Schrift "Ursachen"; s. Nr. 2558, Anm. 43.
19 Gemeint sind die zwei weiteren Abhandlungen, die Blarer in Nr. 2558,45f und 47f, erwähnt hatte, nämlich die vielleicht von Blarer zugesandte Schrift "Ursprung unnd ursach diser Auffrur Teütscher Nation" (s. Nr. 2534, Anm. 62) und die von Haller mitgeteilte "Verschreibung und Verwilligung" (s. Nr. 2551, Anm. 28).
20 König Ferdinands I. — Bullinger bezieht sich auf Nr. 2558,5 1-57.
21 Indem die Schmalkaldener sich Ferdinand
gegenüber ruhig verhalten, um keinen Angriff zu provozieren.
22 Bullingers Lukaskommentar; s. Nr. 2545, Anm. 2.
23 Blarer hatte das Werk mit Bullingers Brief vom 29. August (Nr. 2556) am 1. September erhalten; s. Nr. 2558,60-68.
24 In Anspielung auf Nr. 2558,61-68.
25 Hans Schöner; vgl. Nr. 2558,69f.
26 Die Tagsatzung der Vier protestantischen Stadtkantone zu Aarau vom 29. August; s. Nr. 2544, Anm. 4.
27 außer.
28 Die drei katholischen Orte Un, Schwyz und Unterwalden (vgl. SI III 1298).
29 Der Berner Vorschlag mit dem Ziel, die bösen Absichten von Kaiser und Papst aufzuzeigen, wurde gutgeheißen, aber die Ausführung auf später verschoben; s. EA IV/1d 678a.
30 verstockter.
31 etwas.
32 Außerdem.
33 Paul III.
34 Die Stadtkantone sollten nämlich dem Papst und dem Kaiser eine Antwort auf deren Schreiben geben; s. EA IV/Id

Ich acht 35 , vertruws üch in gutem, wenn ir bedörfftend 12'000 oder 16'000 mann und die begärtend, einem houptman gäbind 50 gl. 36 , lütinampt 37 40, fenrych 30 oder 25, einem gemeinen knächt 5 oder 6 gl. durch und durch 38 , ir wurdint nitt unwillig lüt finden, und das vilicht die Stett 39 selbs schicken wurdint, so es nodt thät. Und wurde man dorumb nitt so schwerr 40 söld wie in Franckrych forderen, daß 41 die sach ouch uns betrifft und jeder das sin ouch darzu setzen wurde. Ego haec ex coniecturis scribo et ex iis, quae audio; nihil certi promitto. Das ist aber gewüß, daß der unsern 42 hertz gantz und gut gen wch ist, etc. 43

Ich bitt, ob 44 güte bottschafft heruff käm, ir wöllind mich eigentlich wie allwäg 45 berichten. Also 46 wenn böß (daß gott wend 47 ) e ouch käm. Gott mitt üch!

His diebus mittam d. Welsero librum 48 et literas 49 . Quaeso, commenda me ei, ubi ei scripseris. Nil ab eo postulo, quam ut firmus sit in vera religione.

Tiguri, 3. septembris 1546.

Bullingerus.

[Adresse darunter:] f [Dem hoc]h und wolgelerten [Ambr]osien Blaureren [predicanten z]ü Constantz si[nem fürgeliepte]n herren. g

e Klammern ergänzt.
f Teilweise auf das nicht mehr erhaltene Verschlussband geschrieben und ergänzt in Anlehnung an Nr. 2463 und Nr. 2496.
g Darunter Blarers Empfangsvermerk: 5. septembris (davor gestrichenes "august") 1546.
678f d. 684 k u. 687 zu k; Nr. 2546, Anm. 13.
35 glaube.
36 Gulden.
37 Leutnant.
38 durch und durch: durchschnittlich; s. SI XIII 1462.
39 Die eidgenössischen Stadtkantone.
40 hohe.
41 da; s. SI XIII 1729.
42 Gemeint sind hauptsächlich die Stadtkantone.
43 Vgl. dieses Angebot mit dem von den Fünf Orten gegen Zürich vorgebrachten Vorwurf, den Schmalkaldenern 30'000 Söldner versprochen zu haben (s. LA
IV/1d 682 e.3), ein Gerücht, das die Vier Stadtkantone leugneten, das sich aber erneut in einem am 16. September in Nürnberg verfassten Bericht nachweisen lässt; s. Georg Voigt, Die Geschichtschreibung über den Schmalkaldischen Krieg, Leipzig 1874, S. 755.
44 wenn, falls.
45 eigentlich wie allwäg: so genau wie immer.
46 Desgleichen.
47 daß gott wend: möge Gott das abwenden.
48 Der Welser gewidmete und wohl gebundene Lukaskommentar Bullingers.
49 Nicht erhalten.