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[2381]

[Ambrosius Blarer] an
Bullinger
[Konstanz],
15. März 1546

Autograph: Zürich StA, E II 357, 163 (Siegel) Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 423f, Nr. 1262

Am 8. März sind in Regensburg Briefe Kaiser [Karls V. ] an die Teilnehmer des [Religionsgesprächs] übermittelt worden. Blarer kennt deren Inhalt noch nicht, da der [Konstanzer?] Bote [...]Regensburg verließ, ehe die Briefe verlesen wurden. Aus Bonn wird berichtet, wie grausam die Kaiserlichen gegen die Protestanten vorgehen. In Antwerpen wurde ein frommer Mann [Jacob Liesvelt?] wegen des Evangeliums verbrannt. [Karl V.]erließ ein neues, noch grausameres Mandat gegen die Protestanten in Geldern und Flandern. Peter Scher d.Ä. [von Schwarzenburg] brachte eine Kopie davon mit. Ungeachtet der protestantischen Gesandtschaft hat [Karl V.] den [Erz]bischof von Köln, [Hermann von Wied], unter Androhung der [Reichsacht]aufgefordert, innerhalb von 14 Tagen alle evangelischen Prediger des Landes zu verweisen und den Katholizismus wiederherzustellen. Daran erkennt man die wahre Gesinnung des Kaisers, der wohl zunächst Köln angreifen wird. Es ist ein blutiger Sommer zu erwarten. In Trier predigt ein alter Mann [...] das Evangelium. Die Papisten wollten ihn ausweisen, aber die Bürgerschaft steht hinter ihm. Blarer wird bald wieder schreiben [Nr. 2385]. Anbei schickt er die nur teilweise gelesene Schrift Bullingers ["De sacramentis"] zurück, die er erst dann ganz lesen wird, wenn sie gedruckt vorliegt. Er bittet Bullinger, seinen Brief an Theodor [Bibliander] zu übermitteln. [P.S.:] Die beiliegenden Dokumente, die er selbst noch nicht lesen konnte, weil diese erst spät in der Nacht überbracht wurden, soll Bullinger bald zurückzuschicken.

8. martii sind kaiserlich brieff 1 gen Regenspurg komenn an die colloquenten. Was aber darinn, konnen wir noch nitt wissen, dann der bott 2 von Regenspurg geylt, ee und 3 die brieff 4 verlesen worden.

Von Bonn schribt man, wie die kaiserischen noch so gantz grausam wider die evangelischen wütind. Kurtzverruckte tag ist gar ain redlicher frommer mann 5 um des evangeliums willen zu Antorff 6 verbrent. Und hat der kaiser ain new mandat lassen wider die evangelischen ußgon, grusammer dann

wandel und seligem Ende des Ehrwirdigen Herrn und Vaters D. Martini Lutheri" (VD16 S2294) des Franz Scharschmied zutreffen. Darin werden sowohl der Grund für Luthers Krankheit (aber nichts zur Krankheit selbst) als auch einige Umstände von Luthers Tod beschrieben. Allerdings kennt man von dieser achtblättrigen Quartschrift nur noch eine einzige Ausgabe mit Druckangaben. Demzufolge müsste hier eine andere Ausgabe letzterer Schrift oder gar eine andere, noch unbekannte Publikation über Luthers Tod gemeint sein. — Offensichtlich legte Vadian dieses Trauergedicht
vorliegendem Brief bei; s. Nr. 2387,4f. 3 Disticha Catonis, I, 5.
1 Von Karl V. — Es handelt sich um die zusammen verschickten Briefe des Kaisers vom 3. und 11. Februar, die in Regensburg am 25. Februar übergeben wurden; s. Wolrad, Regensb. RG 314; Vogel 431—434.
2 Unbekannt; wohl ein Konstanzer.
3 ee und: bevor.
4 Des Kaisers.
5 Vielleicht Jacob van Liesvelt, der allerdings schon Ende November 1545 hingerichtet

vormals, welchs in Geldern und Flandren verkündt worden; 7 welchs mandats copey der alit Peter Schär 8 ain copey mitt im yetz heruff hat bracht.

So hat der kaiser onangesechen a der evangelischen legation 9 dem bischoff zu Cöln 10 uffs höchst mandiert, das er innerhalb 14 tag all evangelisch prediger uss dem land weyse, sich widerum zu der römischen kirchen thüe und alles restituier in das vorig wesen b ; wa nitt, so sölle wider inn mitt den censuren procediert werden; 11 daby man wol sicht, was kaiser im synn hat, und das er das unglick mitt Cöln wirt anfachen. Das ist am gelegnesten: Da hat er seine land zu ruck 12 und an der hand. Allso ist zu besorgen, wir werden ain gar blutigen summer haben.

Zu Trier predigt gar ain guter, alter, lieber mann 13 das evangelium. Habend die papisten alles versucht, inn abzuschaffen 14 ; aber die burgerschafft erhalt inn.

Iis ne verbum quidem adiicere licuit. Scribam proxime 15 et mitto nunc librum tuum 16 , quem inoffense propemodum percurri, quamquam restiti alicubi, sed ita ut legendi aviditate perrexerim diligentius omnia lecturus, ubi fuerit excusus.

Iterum atque iterum vale. Alteras literas nudius tertius ad Theodorum 17 scripseram, 18 quas illi reddendas curabis. Bene vale, mi charissime et optime Bullingere, et domino nos diligentissime commenda. 15. martii 1546.

a an in onangesechen über der Zeile nachgetragen.
b In der Vorlage wegen. gerichtet wurde; s. Nr. 2333, Anm. 49.
6 Antwerpen.
7 Eine von Maria von Ungarn und ihrem Bruder Karl V. am 24. und 28. Februar 1546 erlassene Verordnung; s. Arthur Duverger, L Inquisition en Belgique, Verviers [1887], S. 62—66; Aime Goosens, Les Inquisitions modernes dans les Pays-Bas méridionaux 1520—1633, Bd. 1: La Législation, Brüssel 1997, S. 63.
8 Peter Scher d.Ä. von Schwarzenburg.
9 Zur Gesandtschaft siehe Nr. 2363, Anm. 9.
10 Hermann von Wied.
11 wider inn mitt den censuren procediert werden: mit Strafgewalt gegen ihn vorgegangen werden (gemeint ist die Reichsacht). — Am 26. Januar 1546 hatte Karl V. die gegen Hermann von Wied gerichtete "Declaratoria Sententia" erlassen und Johann von Naves am 2. Februar nach Köln entsandt; s. Karl V. SP 397—401, Nr. 74; NBD VIII 553, Anm. 2; Schlüter 106. 296—298, Nr. 186f.
12 zu ruck: im Rücken.
13 Ein Gerücht? Peter Lutzelburg war auf Anweisung des Trierer Erzbischofs bereits 1544 wegen lutherischer Predigten entlassen worden; s. Ferdinand Pauly, Erzbistum Trier, Bd. 2: Die Stifte St. Severus in Boppard, St. Goar in St. Goar, Liebfrauen in Oberwesel, St. Martin in Oberwesel, Berlin/New York 1980. — Germania sacra, NF 14, S. 292. 411.
14 auszuweisen.
15 Am 19. März (Nr. 2385).
16 Bullingers Schrift "De sacramentis"; s. Nr. 2366,7f, und zuletzt Nr. 2376, Anm. 25. Bei Abfassung des vorliegenden Briefes hatte jedoch Blarer Bullingers Brief vom 11. März (Nr. 2376) noch nicht erhalten; s. Nr. 2385,1f.
17 Theodor Bibliander.
18 Dieser Brief Blarers vom 13. März ist nicht erhalten. Er war die Antwort auf Biblianders Brief an Blarer vom 27. Februar; s. Nr. 2354, Anm. 36; Nr. 2370, Anm. 11

Remitte schedulas istas 19 , [parit]er c et proximas. [D]ispeream, si omnia legerim. Heri ad multam noctem sunt redditae.

[Ohne Unterschrift.]

[Adresse auf der Rückseite:] Bullingero suo. Tiguri.