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[2364]

Johannes Haller an
[Bullinger]
[Augsburg],
1. März 1546

Autograph: Zürich StA, E II 370, 35f (Siegelspur) Ungedruckt

Am [25.]Februar kam Haller [mit seiner Frau Elsbeth, geb. Kambli, Tochter Agnes und Marx Vogel] nach einer beschwerlichen Reise wegen der heftigen Windböen in Augsburg an. Sie wurden erneut sehr ehrenvoll vom Rat empfangen. Bis die Wohnung für sie eingerichtet ist, wohnen sie bei [Georg] Frölich. Es wurde sogar ein neues Haus für sie gebaut. [Alt]bürgermeister [Hans] Welser hat sich sehr dafür eingesetzt und beteiligt sich auch an der Einrichtung der Wohnung. [Wolfgang] Musculus hat Haller freundlich begrüßt. Wie er auf Bullingers Brief [Nr. 2358] reagiert hat, weiß Haller nicht, da er ihm seitdem nicht mehr begegnet ist. In Memmingen wurde Haller von Gervasius [Schuler] mit Freude empfangen. Nachdem dieser Bullingers Brief [Nr. 2361] zur Kenntnis genommen hatte, zeigte er sich nicht mehr, nicht einmal beim gemeinsamen Abendessen, obwohl er vorhatte, daran teilzunehmen. Schulers Kollegen wunderten sich darüber, nicht aber Haller, der den Grund für dieses Verhalten kennt. Nachrichten wird Frölich übermitteln. Auf den 1. April ist ein [Schmalkaldischer Bundes]tag zu Worms angesetzt, zu dem auch [Karl V.], begleitet von einem Heer, kommen wird. In der Diözese Bremen sollen neue Truppen gegen den Landgrafen [Philipp von Hessen] angeworben werden. Einem Brief aus Nürnberg zufolge ist Luther am 17. [richtig: 18.] Februar gestorben. Am [Zweiten]Regensburger [Religionsgespräch] wird vielerlei verhandelt. Bucer aber bleibt sich gleich. Der Herr möge die Kirchen vor den Antichristen und halben Christen bewahren! Haller sendet die von Bullinger gewünschten Bücher. Von den Buchhändlern aus Leipzig gibt es nichts Neues. Manche sagen, der Tod hätte Luther daran gehindert, seine [gegen die Sakramentierer begonnene Schrift]fertigzustellen; andere wiederum, er wäre durch die Bitten von Freunden davon abgehalten worden. Bullinger möge Hallers Eile

d Teilweise auf das nicht mehr erhaltene Verschlussband geschrieben.
42 Cambrai (Dép. Nord, Frankreich).
43 Ein solches Treffen hatte damals schon stattgefunden, blieb aber fast ergebnislos; s. PC IV/1, Nr. 32, S. 37; LP XXI/1, Nr. 83. 212. 270. 315. 454. 465. 515. 558.
44 Wohl Lamprecht Zehnder (1527—1564), der zwischen 1543 und 1552 in Zürich studierte, ein Stipendium bezog (Zürich StA, G II 39, 2) und während des Schuljahrs
1547/48 einige Monate in Basel studierte (M-Basel II 53, Nr. 31). 1552 Diakon in Küsnacht; von 1559 bis 1564 Pfarrer in Thalwil (Pf-Zürich 647).
45 Vielleicht der mit Myconius bekannte Nikolaus Zehnder (1503—1553), erster Diakon an der Kirche St. Peter in Zürich; s. HBBW IV 431.

verzeihen. [P.S.:] [Sebastian] Schertlin wird [Hans] Wilpert Zoller für ein Jahr zu sich nehmen. Die Augsburger Obrigkeit wird für die Kosten aufkommen. Doch dafür muss Zoller bei Bedarf Dienstleistungen für die Augsburger übernehmen. Das hat der Stadtschreiber [Frölich] berichtet.

S. Venimus 1 Augustam ultimo februarii, salvi quidem, sed itinere valde difficili propter ventorum vehementiam 2 . Excepit nos honorificentissime iterum 3 senatus. Adhaec Laetus 4 noluit pro solita sua humanitate et benevolentia, ut apud quemquam alium quam apud ipsum diverterem 5 , donec omnia, quae ad rem domesticam attinent, abunde pararentur. Aedesque construxere novas. Ornarunt interim splendide suppellectile et omnibus utensilibus comparatis; qua in re multum laboravit et adhuc laborat consul Welserus 6 . Praeterea omnes magna cum benevolentia indigno 7 quamvis sua offerunt officia.

Musculus 8 quid ad lectas literas tuas 9 respondent, ignoro; 10 nondum enim conveni interim eum, qui tamen humaniter me excepit.

Gervasius 11 Memmingae cum gaudio nos suscepit magno. Postquam autem ei literas dedi tuas, 12 domum reversus. Postquam legisset, nunquam se amplius nobis praebuit aspiciendum, cum tamen promisisset se ad coenam venturum. Causam ego solus noveram 13 admirantibus reliquis fratribus, quod non adesset coenae.

||35v. Nova certius ex d. Laeto intelliges. 14 Comitia indicta sunt Wormatiae ad calendas aprilis, 15 ad quae caesar 16 veniet numeroso stipatus exercitu. 17 Aiunt praeterea novas quasdam copias colligi in diocesi Brämensi 18 contra langravium 19 . Lutherum praeterea de vivis excessisse 17. februarii 20 literae

1 Nämlich Haller, seine Frau Elsbeth, geb. Kambli, und Töchterchen Agnes sowie ein Reiter namens Marx Vogel aus Zürich, den Hans Rudolf Lavater mit der Begleitung der Familie Haller beauftragt hatte; s. Zürich StA, Seckelamt Rechnungen F III 32, Rechnungsbuch 1545/46, S. 100, der Ausgabenabteilung. —Vgl. ferner Nr. 2370,25f.
2 Zum strengen Winter 1545/46 s. Nr. 2332 und Anm. 20; Nr. 2337 und Anm. 2.
3 Nämlich wie schon im November 1545; s. HBBW XV 647.7—12. 649f.
4 Georg Frölich.
5 = deverterem.
6 Altbürgermeister Hans Welser.
7 indigno: dem Unwürdigen. — Haller meint sich selbst.
8 Wolfgang Musculus.
9 Bullingers Brief an Wolfgang Musculus vom 18. Februar 1546 (Nr. 2358).
10 Musculus antwortete am 30. März 1546 (Nr. 2399).
11 Gervasius Schuler.
12 Bullingers Brief an Schuler vom 20. Februar 1546 (Nr. 2361).
13 Entgegen der Aussage Bullingers in seinem Brief an Schuler (Nr. 2361,85—87) wurde Haller also über den Inhalt des genannten Briefes in Kenntnis gesetzt.
14 Siehe Nr. 2367 vom 2. März.
15 Gemeint ist der Schmalkaldische Bundestag; s. Nr. 2351, Anm. 67.
16 Karl V.
17 Vgl. Wolrad, Regensb. RG 312 (die Nachricht kommt ebenfalls aus Augsburg).
18 Bremen.
19 Philipp von Hessen.
20 Luther starb in der Nacht vom 17. auf den 18. Februar 1546 kurz vor drei Uhr morgens.

quaedam ex Norinberga missae 21 testantur. Ratisbonae 22 dolose et perfide aguntur multa. Bucerus semper sibi similis est, quisquis tandem eius defendat conatus. Nos orabimus dominum, ut conservet ecclesias nostras ab impiis antichristianorum et semichristianorum machinis. Amen.

Libellos, quos voluisti tibi mitti, 23 mitto. Novi nihil attulerunt bibliopolae ex Lypsia. Quidam aiunt Lutherum morte praeventum, ne finiret, quod coeperat opus; 24 quidam amicorum precibus eum impeditum esse confirmant. Utrum sit, gaudeo, si offendicula ab ecclesiis arceantur.

Vale et ignosce; festinanter enim scripsi. Calendis martii 1546.

Tuus ex animo loan.

Hallerus. 36r. || Negotium Wilperti Zolleri bene se habet. 25 Schertlius 26 eum per annum habebit secum, non tamen ut servum. Sumptus ei suppeditabunt a domini Augustani, ita tamen, ut, si eius opus habuerint opera, inservire eis non detrectet. Sic mihi retulit archigrammateus 27 .

[Adresse auf der Rückseite:] Clarissimo viro d. Heinrycho Bullingero, Tigurinae Ecclesiae fidelissimo praesuli, domino et patri suo unice collendo. m. Heinrich Bullinger.