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Kapitel 

[2274]

Simprecht Vogt an
Bullinger
Schaffhausen,
28. Oktober 1545

Autograph: Zürich StA, E II 335, 2075 (Siegelabdruck) Ungedruckt

Vogt empfiehlt den jungen [...] aus Freiburg, der einige Zeit in [Schaffhausen]studierte, wobei die Verwalter es ihm erlaubten, zusammen mit Dienern und Fuhrmännern zwar spärlich, immerhin aber kostenlos verpflegt zu werden. Nun wollen die Verwalter die Kirchengüter lieber für Nichtsnutze als für die Studenten verwenden. Da [...] kein Geld hat, um seinen Unterhalt zu bestreiten, schien es ihm ratsam, zur weiteren Ausbildung nach [Zürich] zu ziehen. Mögen die Zürcher ihm beistehen! Es gäbe zwar viele Nachrichten, doch weiß man nicht, ob sie stimmen. Nur dies eine: Melchior Ramsauer hat dieser Tage die Witwe [Anna Muntprat]des Eberhard von Fulach geehelicht, sehr zur Verwunderung der Leute, noch mehr aber zur Entrüstung von [Annas]beiden Töchtern [Margaretha und Barbara], da [Anna durch diese Heirat] ihren Adel entwertet hat. Grüße, u.a. an Theodor "Rotbart" [Bibliander], [Konrad]Pellikan und [Rudolf] Gwalther.

Gratiam et vitae innocentiam a domino. Adolescens hic Friburgensis 1 aliquantum temporis apud nos literis operam dedit. Eum in nostro coenobio inter servos et carrucarios aliquandiu tolerarunt oeconomi victum satis sordide tenuiterque, gratuito tamen quaerere. lam vero malunt bona ecclesiastica

i in Christo über der Zeile nachgetragen.
27 Vgl. 2Kor 13, 4; Hebr 7, 28. — Siehe auch 1Kor 15,43.
28 Eine subtile Diskussion; s. Hoven s.v.
29 Schwenckfeld.
30 Oben Nr. 2254, 106-108.
1 Unbekannt. —Mit Freiburg ist wahrscheinlich Freiburg i. Br. gemeint.

in canes venaticos 2 et scurras quam in studiosos erogare. Igitur cum non sit, quo vivat, visum est ipsi isthuc migrare bona spe freto, quod vestra humanitas ipsi adiumento sit futura, quo bonis literis et pietati operam navare possit. Gessit se apud nos satis, quantum ego scio, honeste. Cumque iam abituriret, petiit a nobis commendatorias 3 Oramus igitur ipsius nomine, ut auxiliares ipsi manus porrigere velitis, quo sentiat preces nostras apud vos locum habuisse.

Nova apud nos multa, sed tam vana circumferuntur, ut eorum mentionem habuisse pigeat. Hoc unum tibi significatum volo: Melchiorem Ramosoverum hisce diebus viduam illam Ebernhardi a Fulach 5 uxorem 6 duxisse magna cum hominum admiratione, maiore vero filiarum 7 quas binas habet, indignatione; dann sy hatt den adel geschwecht 8.

Vale et me tui amantissimum vicissim redamare ne desinas, oro. Salutant te symmystae mei. Salutabis nomine meo d. Theodorum Oenobarbum 9 d. Pellicanum, d. Gvaltherum, etc.

Raptim, Scaffusii anno 1545, 5 a. kalendas novembris.

Tuus ex animo

Simpertus Vogtius.

[Adresse auf der Rückseite:] Pietate et doctrina eximio viro d. Henrycho Bullingero, domino et fratri suo in Christo charissimo. Tiguri.

a 5 korrigiert aus 15.
2 Adagia, 4, 9, 51 (ASD 11/8 204, Nr. 3851).
3 =literas commendatorias.
4 Melchior Ramsauer (Ramsower) in Schaffhausen. —Johann Jakob Simler (Zürich ZB, Ms S 58, 87) gibt an, dass Ramsauer Kirchendiener war. —Er ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen, 1553 geborenen Schaffhauser, der ein Exemplar der deutschen Erstausgabe von Bullingers Täuferbuch "Der Widertöufferen ursprung" besaß (der Eintrag datiert von 1597); s. Um B. Leu, Heinrich Bullingers Widmungsexemplare seiner Schrift "Der Widertöufferen ursprung ... von 1560. Ein Beitrag zur europäischen Wirkungsgeschichte des Zürcher Antistes, in: Zwa 28, 2001, 158.
5 Eberhard von Fulach, geb. 1493, gest. 1544. Er war 1513 Führer der Schaffhauser auf dem Zug nach Burgund, von 1513 bis 1515 Bote Schaffhausens an die Eidgenossen, 1523 des Rats sowie 1525 einer der "Fünf". Er heiratete spätestens 1523 Anna Muntprat von Spiegelberg. — Lit.: HBLS VIII 66; Kindler von Knobloch I 414.
6 Anna Muntprat von Spiegelberg; s. Kind- 1er von Knobloch 1414.—Eine in Deutschland um das Jahr 1900 gefertigte Nachahmung einer Scheibe mit den Wappen der Familien Fulach und Muntprat, die 1521 in Schaffhausen von Felix Lindtmayer d.A. hergestellt wurde, ist erwähnt in: Ein Dokument deutscher Kunst. Darmstadt. 1901-1976, Bd. 2: Kunst und Dekoration 1851-1914, Darmstadt 1976, S. 101, Nr. 171.
7 Die beiden Töchter von Anna Muntprat und Eberhard von Fulach waren Margaretha, spätestens 1543 verheiratet mit Konrad von Schellenberg, und Barbara (gest. 7. Juni 1582), spätestens 1549 verheiratet mit Gebhard von Schellenberg zu Hüfingen; s. Kindler von Knobloch 1414.
8 an Wert verringert.
9 Oenobarbum =A(h)enobarbum. Gemeint ist Theodor Bibliander, wie Johann Jakob Simler (Zürich ZB, Ms S 58, 87) notierte. — Auch Vogt selbst trug diesen Beinamen; s. HBBW III 50, 24 und Anm. 8. — Beide hatten offensichtlich einen roten Bart.