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[2161]

Hans Widenhuber
an Bullinger
St. Gallen,
14. Mai 1545

Autograph: Zürich StA, E II 351, 210 (Siegelspur)

Widenhuber hat vor einiger Zeit von seinem Gevatter" Johannes Fries gehört, dass Christoph Froschauer tüchtig an Johannes Stumpfs "[Eidgenössischer] Chronik" arbeitet. Der Freund [Melchior Gügi]hat ein treffliches Bild der Stadt [St. Gallen]entworfen und möchte in zwei oder drei Wochen nach Zürich kommen, um dem Formschneider [Heinrich Vogtherr d.A.] etliches sonst Unbekanntes zu erklären, damit alles gut erarbeitet werde. Widenhuber wird [Gügi]begleiten. Außerdem hat [Joachim] Vadian auch einiges für die "Chronik"nützliches [Material]über die Stadt St. Gallen und den Thurgau bei sich, das er eigenhändig in eine gute Ordnung bringen möchte. In den drei Jahren [von Juni 1529 bis Februar 1532], währenddem der Abt [Kilian Germann] und die Mönche aus St. Gallen vertrieben worden waren, hat Vadian das Kloster und die Bibliothek gründlich durchforscht, so dass er diese nun besser kennt, als die Mönche sie kennen; diese werden sich darüber wundern! Auch etliche vornehme Bürger haben ein Interesse daran, so dass es schade wäre, wenn Vadian sein Wissen mit in den Tod nähme. Da Vadian mit Geschäften überladen ist und als Altbürgermeister täglich in den Rat muss, will er jetzt eine List anwenden und Urlaub zu einer angeblichen Badekur in seinem Haus [Wienachtshalden am Tonisberg, nordwestlich von St. Gallen]beantragen, in Wahrheit aber an [dem Manuskript über St. Gallen und den Thurgau] arbeiten, obwohl er sich über Froschauers Mahnung' geärgert hat. Er will bis August fertig werden. Widenhuber bittet Bullinger, bei Froschauer um Aufschub nachzusuchen. Im beigelegten Brief [nicht erhalten] hat Widenhuber sich mit seiner Bitte auch an [Froschauer]gewandt. Da Vadian sein Vorhaben, [über die Abtei und die Stadt St. Gallen zu schreiben], geheim hält, sollen auch Bullinger und Froschauer darüber schweigen; denn würden der Abt [Diethelm Blarer von Wartensee]

sandten nach Baden (Zürich StA, E 11/3; s. Bächtold, Bullinger 352), beim zweiten um die handschriftlich gebliebene Schrift "Ob einer christlichen fryen statt oder land nutzlich und heilsamm sye, sich mitt der kron Franckrych der gestaut vereinigen und verbinden, wie jezund angebracht und darvon geredt wirt" (veröffentlicht in HBSchrzT 103-113).
16 Theodor Bibliander. 1 Vom 10. Mai 1545; s. oben Nr. 2154, Anm. 1.

und die Mönche davon erfahren, würden sie sogleich wissen wollen, was über ihr Kloster geschrieben wird, ja vielleicht sogar die Zürcher Obrigkeit darüber ausfragen. Bullinger möge sein Schreiben nicht übel aufnehmen. Widenhuber wünscht, Bullinger käme einmal zu ihm, damit er Bullinger die von ihm empfangenen Wohltaten vergelten könnte.

[Gedruckt: Beat R. Jenny, Der Historiker-Poet Caspar Brusch (1518-1557) und seine Beziehungen zur Schweiz, in: Aus der Werkstatt der Amerbach-Edition. Christoph Vischer zum 90. Geburtstag, hg. v. Ueli Dill und Beat R. Jenny mit einem Beitrag von Alfred R. Weber, Basel 2000, S. 208f.]