Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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[2158]

Bullinger an
Ambrosius Blarer
[Zürich,
14. Mai 1545]

Autographa: St. Gallen Kantonsbibliothek (Vadiana), Ms 35 (VBS VI), 36 (Siegelspur) Teildruck: CO XII 78f, Nr. 642; Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 364-366, Nr. 1186

Selbst für Blinde ist offenbar, wie sehr die [Katholiken][den Protestanten]schaden wollen, so dass es sinnlos wäre, ihnen nachzugeben. Bullinger hat die [Löwener] Artikel abschreiben lassen, da solche Belege bei der Erstellung von Gutachten nützlich sein können. Gruß und Dank an [Hans] Welser. Bullinger ist bald mit der Arbeit am Markus[kommentar]fertig und

b Adresse hier und unten teilweise über das nicht mehr erhaltene Siegelbandgeschrieben.
9 Unbekannt. —Jean Ribit (s. oben Anm. 1) erwähnt ebenfalls diesen Begleiter, allerdings ohne seinen Namen zu nennen: "Qui comitatur Nicolaum, istinc ad nos revertetur".
10 Anna, geb. Adlischwyler.
11 Vgl. 1Tim 2, 10.
12 Zu Bullingers Kindern s. oben Nr. 2061, Anm. 17.
13 Margarita Bianca, geb. Isacchi.
14 Siehe oben Nr. 2069, Anm. 35.
15 Curiones Kinder Horatio, Leo, Augustin und die in Lausanne geborenen Töchter Angela (geb. 15. September 1543) und Celia (geb. Anfang 1545); s. Kutter, Curione 53f. 259.
1 Der vorliegende Brief ist die Antwort auf Blarers Brief vom 8113. Mai (oben Nr. 2153). Da Blarer unter der Adresse das Empfangsdatum "15. Mai 1545" notierte (unten Anm. e), muss der vorliegende Brief am 14. Mai verfasst worden sein. Diese kurze Beförderungsdauer ist mög

wird dann mit dem Lukas[kommentar] beginnen, den er nach wie vor Welser zu widmen gedenkt. Er hat [Johannes von Ulm], den [Neffen] von [Heinrich von Ulm], nicht gesehen; hätte sich seiner aber gerne angenommen. Die christlichen Potentaten suchen einen Waffenstillstand mit den Türken, um die wahren Christen besser verfolgen zu können, doch werden sie bald selbst vom Türken vernichtet. Die [Protestanten] suchen ihrerseits den Frieden mit Kaiser [Karl V] auf Kosten des Friedens Christi, werden aber auch enttäuscht sein, wie Welser dies richtig einschätzt. Angeblich sind einige [Städte]dabei, [Heinrich] von Braunschweig sein Herzogtum zuzugestehen; sie fallen somit von den Fürsten ab, die [Karl V] keineswegs nachgeben wollen. Sollte dies zutreffen, haben die Städte [am Städtetag] einen beschämenden Beschluss gefasst. Über die Verhandlungen [Konrad Zwicks Kriegskunst betreffend]wird [Heinrich von Ulm]mündlich berichten. Bullinger ist weiterhin der Meinung, dass keinem diese verderbliche Kunst in die Hand fallen sollte. Auch [Zwick] würde sie nur Unglück bringen. Bullinger dankt dem Herrn für den Sieg [der protestantischen Fürsten über die umherziehenden Truppen Herzog Heinrichs von Braunschweig], auch wenn dies wohl nur der Anfang größeren Übels ist. [Herzog Wilhelm IV.] von Bayern soll die spanischen [Truppen bei Donauwörth] zur Unterdrückung Regensburgs angeworben haben. Wofür sonst hätte man diese Soldaten in Ungarn gebraucht, da ja [mit den Türken] schon längst ein Waffenstillstand erzielt worden sein soll? Bullinger verhöhnt und bedauert die Sitten der Kardinäle [Giovanni Maria Ciocchi del Monte und Marcello Cervini in Trient]; solcher Abschaum steht der Kirche vor! In Bern [lästert] der von Bucer aus Straßburg dorthin geschickte Beat [Gering] über [die Zürcher], weil diese ihn wegen Ehebruchs aus der Kirche verstoßen haben. Melanchthon schrieb am 17. April einem [Zürcher] Freund [...], dass das [,,Warhaffte Bekanntnuß"] der Zürcher weder klug noch maßvoll wäre. Außerdem soll der aufgebrachte [Luther] ein Gutachten verfassen, "in dem er die Ansicht der Gegner als Erfindung des Teufels bezeichnet; er will uns"(so Melanchthon)"ferner befehlen, [sein Gutachten] zu unterschreiben und anzuerkennen". Sollte es dazu kommen, müsste Melanchthon entscheiden, was für einen Entschluss er zu fassen haben wird. Ein aus Wittenberg Zurückkehrender [...]berichtet auch, dass [Luther] eine im Stil dem [,,Kurtz bekentnis"]ähnliche Gegenschrift plant. Nicht nur Papst [Paul III.]ließ bei Avignon morden, auch [Franz I.]hat auf Anstiften des Kardinals [François de] Tournon hin die gegen [Heinrich VIII.] bestimmten Truppen erst gegen die aufrichtigen und rechtgläubigen Waldenser einsetzen lassen. Viele Orte wurden zerstört und geplündert; es gab viele Tote und Flüchtlinge. Daher wurde Calvin vom Genfer Rat entsandt. Calvin hinterließ den beiliegenden [nicht erhaltenen]Brief an Blarer. Am 12. Mai hat Bullinger Calvins Rede vor dem Rat übersetzt. Zürich verfügte sogleich für Bern, Basel, Schaffhausen und St. Gallen ein Treffen für den [22.] Mai in Aarau, um über eine Gesandtschaft an König [Franz I.] zu beraten. Calvin ritt dann nach Basel, von wo er nach Straßburg will, um dort eine ähnliche Gesandtschaft der Fürsten und Reichsstädte nach Frankreich zu erwirken. Falls [Konstanz] sich einsetzen möchte, sollte es umgehend an Straßburg schreiben. Während des Mordens in der Provence wurde auf Veranlassung des Legaten von Avignon [...] auch in den päpstlichen Gebieten Avignons gemetzelt.

Gratiam et pacem.

Quo praeiuditio nobiscum agatur aut agere instituant isti homines 2 vel caecis apparet 3 His ergo obsequi et his aliquid tribuere non religiosum ac pium, sed plane stultum esse apparet. Articulos fere impios 4 omnes curavi

a Mit Randbemerkungen von Johann Heinrich Hottinger und Unterstreichungen. lich, weil Blarer sich damals in Griesenberg (Kt. Thurgau) aufhielt.
2 Bullinger bezieht sich hier auf die Katholiken
im Allgemeinen und auf die Löwener Theologen und den Kaiser im Besonderen; s. unten Anm. 4.
3 Adagia, 1, 8, 93 (ASD 11/2 315f, Nr. 793).
4 Am 6. Mai hatte Blarer von Hans Welser die 32 Artikel der Löwener Theologen mit

mihi modo describi; 5 sunt enim huiusmodi scripta" testimonia, imo praeiudicia 6 in consultationibus utilia. Welsero 7 magnas ages gratias, et obsequia mea cum salute officiosa offeres. Mox finivi Marcum 8 deinde auspicabor Lucaniae. 9 , quem isti dedicare adhuc cogito 10.

Adolescentem 11 , sororii 12 filium, 13 non vidi; libenter alioqui me illi impendissem, si meum ipsi colloquium profuturum sperassem.

Quaerunt inducias cum Turcis 14 proceres christiani 15 ut interim veros christianos igni et gladio perdant; mox et ipsi furore et armis Turcicis intereant. 16 Sic est in fatis; hoc futurum praedixerunt prophetae. 17 Quaerunt quidam ex nostris pacem a caesare 18 ; pacem autem, quae a Christo est, non curant. 19 Eveniet ergo, ut fallat eos caesar, et deus ipsos puniat. Caesarem gravia fata manent. Egregie iudicat optimus Welserus; 20 modica, imo nulla est in illis fides, qui tam supplices fiunt tyranno 21 pro re, quam dare non potest.

Audio quosdam concessuros ducatum Brunsvicensi 22 et defecturos a principibus, qui tyranno 23 cedere nolunt, sed extrema prius experiri volunt. 24 Quod si ita habet, pudendam rem designant civitates.

De negotio illo tractato 25 inter sororium ac me plura ille referet, 26 neque enim omnia calamus consequitur, ac melius quidem ille exponet omnia. Tu

b Von scripta bis in am Rande nachgetragen.
der Bitte um Weiterleitung an-Bullinger empfangen; s. oben Nr. 2153, 1-10 und Anm. 6.
5 Abschrift nicht ermittelt. 6 Anspielung auf oben Nr. 2153, 4-9 und Anm.5.
7 Hans Welser, der am 10. Mai an Bullinger selbst geschrieben hatte; s. oben Nr. 2156. Bullinger hatte dessen Brief anscheinend noch nicht empfangen.
8 Der Kommentar zum Markusevangelium (HBBibl 1170) erschien im August 1545.
9 Der Lukaskommentar (HBBibl 1173) erschien im August 1546.
10 Zur Widmung des Lukaskommentars an Welser s. schon HBBW XIV 59, 16-25; 164, 31-33: 348, 40f.
11 Johannes von Ulm, der Bullinger den Brief Nr. 2153 hätte übermitteln sollen; s. oben Nr. 2153, il-13. 77f.
12 Heinrich von Ulm.
13 Johannes von Ulm war nicht der Sohn von Heinrich von Ulm, sondern dessen illegitimer Neffe; s. Blarers Beschreibung oben Nr. 2153, 11f und Anm. 7.
14 Suleiman I.
15 Karl V., Ferdinand I. und Franz I.; s. oben Nr. 2153. Anm.16.
16 Vgl. oben Nr. 2153, 17-20.
17 Vgl. z.B. Dan 11,36-12,3; Apk 17-19.
18 Karl V.
19 Vgl. Ioh 14, 27. — Vgl. oben Nr. 2153, 27-34.
20 Vgl. oben Nr. 2153, 27-34.
21 Karl V.
22 Herzog Heinrich d.J. von Braunschweig-Wolfenbüttel.
23 Karl V. versuchte, Heinrich von Braunschweig wieder zu seinem Herzogtum zu verhelfen.
24 Seit der Eroberung des Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel durch die Schmalkaldener 1542 bemühte sich Herzog Heinrich stets um dessen Rückeroberung, während die protestantischen Fürsten dies zu verhindern suchten. Im September 1545 kam es dann zur kriegerischen Auseinandersetzung; s. Demandt 57-61.
25 Die Verhandlungen über Konrad Zwicks Kriegskunst und über ein Bündnis zwischen Konstanz und den Eidgenossen; s. zuletzt oben Nr. 2153, 35-42.

perge semper tui esse similis. Ego in mea persisto sententia: Satius esse ratus, ne cuiquam hominum funestam illam prodat artem; non erit ipsi 27 felix et faustum, si revelarit, nisi in insigni calamitate.

Gratias ago domino nostro, qui nostris contulit victoriam. 28 Utinam ea fortuna ipsis perpetua sit! Nam ego arbitror illa esse dolorum initia 29 et grandia hinc oritura bella.

|| 3612 De Hispanis illis rasis et semirecutitis 30 °haec habemus: ipsos a Bavaro 31 conductos, qui alias quoque 500 parant equites, ut vetustissimam Ratisbonam redigat in ordinem caesis ad internetionem piis omnibus. 32 Dominus servet illos atque sternat latrones et publicam Germaniae calamitatem. Quorsum enim opus militibus in Pannonia 33 , quando induciae 34 impetratae sunt? Et magni viri impetratas aiunt iam dudum. 35

Egregie vero se gerunt sancti illi cardinales, dum amant virgines, puellas et matronas! Invenias enim, qui aliud malint; pudor plura loqui prohibet. Es ist der schum von ertzbuben 36 , die man uff erden nitt lyden sölt. Die müssend die kylch regieren. 37 O tempora!

Est Bernae Battus 38 quidam illuc missus a Bucero ab Argentina. 39 Is honorificam nostri mentionem facit,"°quia eiectus est ex nostra ecclesia propter adulterium longe foedissimum. Sic autem vindicat se vir egregius! Superbia, injuria et contumelia se ipsam fundit.

26 Heinrich von Ulm hatte sich mit Brief Nr. 2153 nach Zürich begeben, um der Kriegskunst halber zu verhandeln; s. oben Nr. 2153, 77-87. 97f.
27 Konrad Zwick.
28 Bullinger bezieht sich hier wohl auf den von Blarer gemeldeten, angeblichen Sieg der protestantischen Fürsten über die umherziehenden Truppen Herzog Heinrichs von Braunschweig; s. oben Nr. 2153, 43-49 und Anm. 34.
29 Mt 24, 8 par.
30 Vgl. oben Nr. 2153, 50-52.
31 Wohl Wilhelm IV., Herzog von Bayern, da sein Bruder Ludwig X. am 21. April 1545 verstorben war; s. oben Nr. 2153, 58f.
32 Ein Gerücht. Bayern versuchte jedoch zu diesem Zeitpunkt, Regensburg wirtschaftlich zu schwächen; s. Schmidt, Städtetag 235 und Anm. 276.
33 Die spanischen Truppen befanden sich auf dem Weg nach Ungarn; s. oben Nr. 2149, Anm. 44 und 45.
34 Gemeint ist ein Waffenstillstand mit den Türken; s. zuletzt oben Nr. 2153, Anm. 16.
35 Ein Gerücht.
36 Schurken.
37 Bullinger bezieht sich auf Blarers Kommentar zum schändlichen Benehmen der bereits in Trient eingetroffenen Kardinäle Giovanni Maria Ciocchi del Monte und Marcello Cervini; s. oben Nr. 2153, 54-57 und Anm. 40.
38 Beat Gering.
39 Gering wurde 1538 wegen Ehebruchs aus der Zürcher Pfarrerschaft ausgeschlossen, war um 1540 anscheinend in Straßburg und kam 1541 auf Empfehlung Bucers hin ans Berner Münsters s. HBBW III 122, Anm. 15; Bullingers Brief an [einen Ratsherrn der Stadt Brugg oder den Pfarrer Heinrich Ragor von Brugg] von [Mai/Juni 1548] (Zürich ZB, Ms F 154, 28r.—29v., Nr. 5).
40 Worauf Bullinger hier anspielt, konnte nicht ermittelt werden.

Philippus 41 inter alia amico cuidam 42 scribit Tigurinos nec prudenter instituisse responsionem suam nec scripsisse moderate. 43 "Ardet igitur", inquit, "noster 44 greek greek greek greek greek, greek greek greek, greek greek greek greek fl greek greek greek, greek greek greek greek greek greek. 45 . Etsi semper moderate loqutus sum nec turbare harum regionum ecclesias volui, tamen, si illa dura sententia proponetur, deliberandum mihi erit, quid faciam." Et mox: "Opto, ut labores mei prosint ecclesiae dei, et exilium 46 expecto feramque moderate", etc. 47 Datae sunt 17. aprilis 1545. Est, qui modo rediit a Wittemberga. 48 Is dicit illum 49

c In der Vorlage greek.
41 Melanchthon.
42 Wohl ein Zürcher; s. unten Anm. 47.
43 Melanchthon bezieht sich auf das "Warhaffte Bekanntnuß" der Zürcher.
44 Nämlich Luther.
45 greek = greek.
46 Bullinger hatte Melanchthon angesichts dessen prekärer Wittenberger Lage Exil in Zürich angeboten; s. HBBW XIV, Nr. 2042.
47 Dieser Auszug wird auch von Martin Frecht in einem Brief an Vadian von [Juni 1545] (Vadian BW VI 425) zitiert. Dabei äußerte Frecht die Vermutung, der hier erwähnte "amicus" (s. Z. 44) sei Bucer. Frecht hatte das Melanchthon-Zitat aus einem an ihn gerichteten Brief Gervasius Schulers entnommen und wusste nur, dass Schuler es seinerseits in einem an ihn gerichteten Brief Ambrosius Blarers erhalten hatte. Daraus schloss Frecht, dass der "amicus"ein Freund Blarers war, nämlich Bucer, zumal Fagius ihm kurz zuvor ebenfalls von einem Brief Melanchthons an Bucer mit ähnlichem Inhalt erzählt hatte. Frecht wusste aber nicht, dass Blarer wie-dem das Zitat aus dem vorliegenden Brief Bullingers abgeschrieben hatte, so dass der "amicus" ein Freund Bullingers und nicht Blarers war. Demzufolge kommt Bucer als "amicus" hier kaum in Frage, zumal Pellikan, Chronikon 171, für diese Zeit das Eintreffen einer "epistola" Melanchthons "nobis allata"in Zürich bezeugt. Otto Werdmüller, der in Wittenberg studiert hatte, Bibliander, nachweislich ein Korrespondent Melanchthons, und natürlich
auch Pellikan könnten die Empfänger dieses Briefes gewesen sein. Dass Melanchthon am gleichen Tag auch Bucer schrieb, ist wohl durch Bucers Brief vom 10. Mai 1545 an Landgraf Philipp von Hessen (Lenz II 342-349, Nr. 213, hier 343) bezeugt. Aus dem Vorhergehenden wird jedoch ersichtlich, dass das hier und bei Frecht angeführte Zitat Melanchthons nicht aus dem an Bucer gerichteten Brief, sondern aus dem bislang verkannten Brief Melanchthons an einen Zürcher stammt. Demzufolge ist MBW-Reg IV, Nr. 3883 — wo aufgrund Frechts Vermutung zwei verschiedene Briefe Melanchthons als ein einziger behandelt werden - zu korrigieren.
48 Wohl auch der Überbringer des oben in Anm. 47 erwähnten und vom 17. April 1545 datierten Brief Melanchthons an einen Zürcher. —In Frage kommt der Konstanzer Bartholomäus Blarer, der damals Amerbach ebenfalls einen Brief Melanchthons vom 17. April 1545 aus Wittenberg überbrachte (Amerbach Korr. VI 140, Nr. 2717; und S. 239, Anm. 1) und spätestens am 3. Mai in Basel eingetroffen war. —Claude de Senarclens. ein weiterer Übermittler eines an Calvin gerichteten Briefes Melanchthons vom gleichen Tag (MBW-Reg IV, Nr. 3885), kommt hier nicht in Frage, zumal Senarclens damals nach Genf via Straßburg und nicht via Zürich zurückreiste; s. Felix Heinzer, Das Album amicorum(1545-1569) des Claude de Senarclens, in: Stammbücher des 16. Jahrhunderts, hg. v. Wolfgang Klose, Wiesbaden 1898, S. 101.
49 Luther.

responsionem parare, sed brevem, similem priori scripto 50 , turgentem et scatentem cacodaemonibus. 51 Dominus misereatur hominis!

Aber, lieber herr und bruder, es ist leider nitt daby bliben, das der bapsts 52 by Avinion sölch ||36/3 mord volbracht. 53 Sunder der Frantzoß 54 , bewegt durch den cardinal von Durnang 55 , hat die knächt, so uff das mer wider den Engellender 56 gewöllen, 57 vorhin geheissen 58 , die armen fratres Waldenses in Provincia 59 , anstossend an die herrschafft Avinion, ußrüten 60 . Ac illi recte sapiunt et sanctissime vivunt. Nostram religionem nostraque dogmata receperunt in omnibus. Also sind by 10 stettlin, dörffer und fläcken verbrent, darinn alles, jungs und allts, erstochen. Ettliche flecken sind plündert. Das armin volck ist vorhin daruß entrunen in die wald und wie sy gemögen. Da 61 sy übel ze besorgen 62 , verdorben 63 sind merteyls. Ach des kläglichen mordts, etc. Dorumb ist Calvinus 64 von d einem ersamen rat zu Genff abgefertiget mitt botten und brieffen, hie gewest. Hat mir disen brieff 65 gelassen, üch den züzesenden. Er hat ylen müssen uff ander stett. Hat nitt könen zü üch kummen, wie er gern gewollt. Bitt, ir wöllindts nitt achten. 12. mali hab ich inn vor unsern herren interpretiert. 66 Da hat er lassen fürtragen das groß mord, das fürgangen. Die namen der stett und dörffer hat er yngelegt 67 , etc. Mm herren habend sy 68 ein groß beduren empfangen. Habend ein ylenden 69 tag denen von Bern, Basel, Schaffhusen, Sangallen, etc., beschriben gen Arow uff 21. mali, daruff zu beradtschlagen von einer bottschafft, an konig in

d Von von einem bis brieffen am Rande nachgetragen.
50 Das "Kurtz bekentnis".
51 Luther plante zunächst eine Verurteilung der Zürcher Lehre (s. MBW-Reg IV, Nr. 3883; IX, Nr. 3897a), musste dieses Vorhaben aber zugunsten eines positiven Artikels über das Abendmahl aufgebens s. MBW-Reg IV, Nr. 3890.
52 Paul III.
53 Dies bezieht sich auf Blarers Beschreibung des an den Waldensern ausgeübten Massakers im Luberon; s. oben Nr. 2153, 90-95.
54 König Franz I.
55 François de Tournon.
56 König Heinrich VIII.
57 Es handelte sich um die Truppen Escalin des Aimars'; s. oben Nr. 2153, Anm. 60.
58 vorher angewiesen.
59 Provence.
60 auszurotten.
61 wo.
62 versorgen.
63 gestorben.
64 Calvin reiste zumindest zeitweilig zusammen mit Nicolas des Gallars (s. Paul Wernle, Calvin und Basel bis zum Tode des Myconius 1535-1552, Basel 1909, S. SI) und zwei Söhnen des Guillaume Budé (Pellikan, Chronikon 171).
65 Nicht erhalten.
66 In Genf appellierte Calvin an den Rat um Hilfe und reiste am 5. Mai aus Genf ab, um sich nach Bern (dort am 8. Mai vor dem Rat), danach nach Zürich (dort am 12. Mai vor dem Rat), Schaffhausen, Basel und Straßburg zu begeben. In Straßburg blieb er nur einige Stunden, um von dort über Basel nach Aarau (s. unten Anm. 69) zu reisen; s. CO XII 76 (Nr. 639). 79 (Nr. 642). 82f (Nr. 645); EA IV/Id 479-482; PC III 595, Nr. 567; Paul Wernle, Calvin und Basel bis zum Tode des Myconius 1535-1552, Basel 1909, S.51.
67 vorgebracht.
68 dessen; s. SI I 510.
69 baldigen.

Franckrych ze schicken in unsern kosten, den armen getrengten umb friden ze warben. 70 ° Also ist Calvinus ylendts geritten uff Basel; danen wil er gen Straßburg, zu versuchen, ob dieselben mochtind uffbringen bottschafft in Franckrych von fürsten und rychstetten. 71 Dorumb, woltend uwer herren ettwas thun, mögend irs wol gen Straßburg fürderlich schriben, etc. 72 Als sy aber in Provincia das mord begangen, sind sy uß bitt legati Avenionensis 73 ouch in die bäpstisch gegne gen Avenion kummen. Habend da ouch gemetzget. Gott erbarm sich siner betrüpten gloubigen. Amen.

[Adresse auf f. 36/4:] Clarissimo viro d. Ambrosio Blaurero, fratri semper colendo. [...]e .

e Nur der Ansatz zur Ortsangabe, die auf dem nicht mehr vorhandenen Verschlussband geschrieben war, ist noch erhalten. Darunter Blarers Empfangsvermerk: 15. mau 1545, Griessenbergi.
70 Von Zürich aus wurde unverzüglich ein Treffen aller evangelischen Städte (Basel, Bern, Schaffhausen, St. Gallen und Zürich) nach Aarau ausgeschrieben. Dieses fand am 22. Mai 1545 statt. Calvin trug dort die Ereignisse und sein Anliegen vor, eine feierliche Gesandtschaft an Franz I. abzuordnen, woraufhin allerdings nur die Abfassung eines Protestschreibens Zürichs im Namen der fünf Städte an König Franz I. erreicht wurde, welches vom 30. Mai 1545 datiert; s. CO XII 82f, Nr. 645; EA IV/ld 479-482. Am 27. Juni 1545 erfolgte die Antwort des Königs; s. BSHPF 40, 1891, 202f Text): (Text); EA IV/Id 48 If (Regest).
71 Auch Straßburg schrieb an Franz I., wie aus dessen abweisender Antwort (PC III 608f, Nr. 580; fast identisch mit der Antwort an Zürich) ersichtlich ist.
72 Nicht ermittelt.
73 Zu denken ist an den päpstlichen Vize-legate Antonio Trivulzio oder an Jean Maynier d'Oppède, der zugleich Vasall des Papstes war, da seine Besitztümer auf päpstlichem Gebiet lagen; s. oben Nr. 2153, Anm. 60; William Monter, Judging the French Reformation. Heresy Trials by Sixteenth-Century Parlements, Cambridge, Mass./London 1999, S. 97.
74 Cabrières-d'Avignon sowie einige andere der angegriffenen Orte befanden sich auf päpstlichem, d.h. zu Avignon gehörendem Gebiet. Um den französischen Einsatz zu unterstützen, musste sich die päpstliche Regierung in Avignon von Frankreich Waffen ausleihen; s. Monter, aao, S. 96.