Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

[2098]

Bullinger an
Bürgermeister und
Rat zu Frankfurt am Main
Zürich,
12. März 1545

Autographer Entwurf: Zürich StA, E II 337a, 370v.—371r. Ungedruckt

Den Adressaten ist gewiss bekannt, wie schmählich Luther sich in seinem [,,Kurtz bekentnis"] über die [Zürcher Kirche] und auch über Verstorbene geäußert hat. Deshalb übersendet Bullinger das [,,Warhaffte Bekanntnuß"] der [Zürcher] Kirche und bittet, deren Schriften nicht ungelesen zu verdammen, zumal manche diese unterdrücken und verbieten wollen. [Die Zürcher] sind unschuldig und ohne rechtmäßigen Anlass von Luther geschmäht und als offenkundige Ketzer, die keinen Glaubensartikel anerkennen, verdammt worden, so dass es nur gerecht wäre, ihre Antwort ebenfalls anzuhören. Bullinger bittet um wohlwollende Aufnahme seines Schreibens und des [beigelegten] Büchleins.

Fromen, erenvesten, fürsichtigen, ersammen und wysen, gnedigen lieben herren, mm willig dienst, früntlicher gruß und alles gfits sye u[wer] w[ysheit] bevoran bereit 2

Wie schmächlich und grüwlich d. Martin Luther wider unsere kylchen, denen wir dienend, wider uns, ouch wider abgestorbne, fromme eeren, glerte lüt 3 vergangens jars geschriben hab 4 ist mencklichem 5 kundt. Deßhalb ich wol gedencken kan, das solich sin schryben ouch u. w. fürkummen 6 sye. Dorumb überschick ich u. w. hie gar früntlicher guter meinung unser kylchen bekanntnus des gloubens a , verantwortung und unschuld 7 und bitt umb gottes willen, u. w. wolle uns ouch verhören 8 und, ob 9 uns d. Luther by u.

a bekanntnus des gloubens am Rande nachgetragen.
1 Weicker (Wicker) Reiss (Reiß, Raiss), geb. 1500, gest. 1559, Älterer Bürgermeister in Frankfurt im Amtsjahr 1544. Reiss war 1529 in die Gemeindebank kooptiert und 1533 zum Jüngeren Bürgermeister gewählt worden. 1536 wurde er in die Schöffenbank gewählt. Das Amt des Älteren Bürgermeisters bekleidete er 1539, 1544 und 1551. In Frankfurt wurden jährlich am 1. Mai zwei Bürgermeister auf ein Jahr gewählt: der Altere Bürgermeister aus der ersten Ratsbank (Schöffenbank) und der Jüngere Bürgermeister aus der zweiten Ratsbank (Gemeindebank). Diese beiden Bänke wurden von Patriziern besetzt. Jüngerer Bürgermeister des Amts-jahr 1544 war Daniel zum Jungen (Georg
Ludwig Kriegk, Deutsches Bürgerthum im Mittelalter nach urkundlichen Forschungen und mit besonderer Beziehung auf Frankfurt am Main, Frankfurt a. M. 1868, S. 491). Wir danken Herrn Dr. Michael Matthäus, Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a. M., für freundliche Auskunft.
2 bevoran bereit: vorab entboten.
3 Gemeint sind u.a. Zwingli und Oekolampad; s. HBBW XIV 507, Anm. 47.
4 Luthers "Kurtz bekentnis"; s. oben Nr. 2061, Anm. 7.
5 jedem.
6 vorgekommen, bekannt geworden.
7 Das "Warhaffte Bekanntnuß"der Zürcher, das kurz vor dem 12. März 1545 erschienen war; s. oben Nr. 2061, Anm. 9.
8 anhören.
9 falls.

w. mitt sinem ungebürlichen schryben verleydet 10 hätte, unser gebürlich 11 , zymlich 12 schryben dargägen von u. w. eigentlich b ermässen ||371r. werde. Und wiewol wir uns gagen u. w. aller früntlikeit c , gebürlikeit und billikeit versähend, diewyl aber ettliche tröwend 13 , unsere bucher mussind uns d undertruckt und verbotten werden, so bitten ich im namen aller dienern der kylchen hie 14 Zürych umb gottes, der grächtikeit und göttlicher warheit willen e , u. w. wolle sömlichen 15 ungebürlichen anmutend 6 , ob es an u. w. gebracht wurde, nitt willigen und vergünstigen, das wir unverhört 17 mitt verbieten unser büchern verdampt werdint. Doctor Luther hatt uns und die unsern g one alles unsers beschulden und one rächtmässigen anlaß geschmächt und alls wüssenhasste 18 kätzer, ja alls die aller ergiste lüt verdampt, die keinen artickel des gloubens rächt gloubind, etc. Billich 19 ist es, das unsere antwort und unschuld dargägen ze verhören 20 nitt abgeschlagen werde. Und so u. w. uns hierinn gnedicklich erhört, hoffend wir, gott werde das rychlich widergelten. Dann wo wir u. w. uns h immermee mitt underthenigen diensten i danckbar bewysen köndent, wöltend wir gantz trüwlich und willig thun.

Hiemitt bitten ich u. w. gantz demütig und früntlich, sy wolle diß mm schryben sampt dem büchlin gnedicklich und gutwillig von irem willigen dienern empfahen und zu gütern uffnemmen. Gott der allmächtig wolle u. w. sampt iren zughörigen allen k in sinen gnaden trüwlich erhalten.

Datum Zürych in der eydgnoschafft, 12. martii anno domini 1545.

U. w. alle

zyt williger

Heinrych Bullinger,

diener der kylchen Zürych.

[Adresse als Überschrift:] Den frommen, erenvesten, fürsichtigen, ersammen und wysen herren burgermeistern und radt zu Franckfurt amm Mayn, minen l gnedigen, lieben herren.

b von u. w. eigentlich über der Zeile nachgetragen.
c früntlikeit am Rande nachgetragen.
d ettliche truwend, unsere bucher müssind uns über gestrichenem an ettlichen orten unsere bucher.
c umb gottes, der grächtikeit und göttlicher warheit willen am Rande nachgetragen.
f sömlichen ungebürlichen anmuten über gestrichenem mitt der gstallt mitt uns handlen.
g und die unsern am Rande nachgetragen.
h uns am Rande nachgetragen.
i mitt underthänigen diensten über der Zeile nachgetragen.
k sampt iren züghörigen allen über der Zeile nachgetragen.
10 verleumdet.
11 angemessenes.
12 sich ziemendes.
13 drohen.
14 hierin.
15 solche.
16 Ersuchen (nämlich die Zürcher Bücher zu verbieten).
17 ungehört.
18 offenkundige.
19 Angemessen.
20 ze verhören: anzuhören.