Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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[188]

Berchtold Haller an
Bullinger
[Bern],
9. Februar [1533]

Autograph: Zürich StA, E II 343, 46. Siegelspur. -Gedruckt: Füssli I 96-98

Zum Aufenthalt eines von Bullinger empfohlenen Malers in Bern. Zunehmende Beunruhigung der Berner Kirche durch die Täufer, trotz aller Strenge des Gesetzes. Gegensätzliche Meinungen in der Diskussion in Rat und Kirche über die Frage einer strengeren oder milderen Bestrafung der Täufer. Bitte um theologische Auskunft; auch Straßburg wurde wegen der dort geltenden Täuferordnung angefragt. Frage nach der politischen Lage: Zürich soll einem Vermittlungsversuch im Mandatstreit zugestimmt haben. Haller wünschte mehr Standhaftigkeit bei den Evangelischen. Anfrage wegen eines von Niklaus von Wattenwyl an Bullinger geschickten Käses. Erneute Bitte um Bullingers Meinung über den Berner Synodus.

S. Quem commendasti 2 pictorem 3 , commendavimus et nos, et utinam illi profuerit omnium commendatio, qua vellemus. Hic enim scribens nescivi, quo vicissim munere senatus illum donarit.

Caeterum mire infaestantur ecclesiae nostrae per agrum a catabaptistis. Cui malo cum hactenus occurri non potuerit 4 eo , quod simul excogitaveramus medio 5 - nempe scripturis egimus contra errorem illorum. Quibus etiam convicti cum persuaderi non possent, ut ab errore desisterent, impositum est illis silentium, ne evangelium ipsum depraedicarent. Quo neglecto amandati sunt a ditione. Qui cum pertinaces redirent, aquis mersi denuo redeuntes penitus submersi 6 Hac . persecutione cum errori plurimi accesserint, constantia pertinaci permoti, raptus est senatus quoque in diversam sententiam. Quidam perpetuis carceribus mancipare voluerunt nec ullum illorum morte plectere, quidam omnes in universum perdere nihil verentur. Venit et apud nos 7 in quaestionem, num liceat gladio animadvertere in anabaptistas. Quidam licere asserunt iuxta illud Deut. 13 [1-5] et 18 [9-20]. Quidam non licere putant, nisi facto tali erumpant, quod omnium iudicio sub gladii cadat potestatem, immunesque esse debere a magistratu, etiam si doceant, iuxta id: «Sinite utraque crescere» etc.

1 Das Jahr ergibt sich zweifelsfrei aus dem Inhalt des Briefes s. unten S. 63, Anm. 11. 13 und 19.
2 Ein diesbezüglicher Brief Bullingers ist nicht erhalten.
3 Unbekannt. Johann Jakob Simler vermutet Hans Asper (Zürich ZB, Ms S 33, 33), was indessen wenig wahrscheinlich ist, da dieser in den frühen dreißiger Jahren in Zürich zu wirken begann und auch sonst in Bern nicht nachzuweisen ist, s. Zürcher Kunst nach der Reformation. Hans Asper und seine Zeit, Katalog zur Ausstellung im Helmhaus, Zürich 1981, S. 10. 45.
4 Zur Verbreitung der Täufer in Bern 1532/33 s. Ernst Müller, Geschichte der Bernischen Täufer. Nach den Urkunden dargestellt, Frauenfeld 1895, S. 69-72; de Quervain 128-138; Guggisberg 233-235; Fast 36-38; Rudolf Pfister, Kirchengeschichte der Schweiz, 2. Band: Von der Reformation bis zum Zweiten Villmerger Krieg, Zürich 1974,
S. 180; vgl. auch den Briefwechsel zwischen Haller und Bullinger im Jahre 1532, HBBW II Nr. 101. 102. 115.
5 Anakoluth; der Gedanke wird in Zeile 8 weitergeführt.
6 Das geschilderte Verfahren gegen die Täufer beruhte auf der strengen Verordnung vom 31. Juli 1531, dem ersten bernischen Täufermandat (ABernerRef 3058), das am 6. September 1532 wieder bestätigt wurde (s. de Quervain 134); s. noch Guggisberg 233. Der Erfolg des ersten Täufermandates war sehr bescheiden, wie u. a. die gegen Täufer ausgesprochenen zahlreichen Urteile (auch Todesurteile) zeigen, s. de Quervain 128-158; Delbert L. Gratz, Bernese Anabaptists And Their American Descendants, Goshen 1953. -Studies in Anabaptist and Mennonite History, 8, S. 19-24.
7 Nämlich unter den bernischen Geistlichen, im Chorgericht, bzw. in der gemischten Kommission, s. die nächste Anm.

[Mt 13, 30]; «Hereticum hominem devita» [Tit 3, 10]8 . Monuisti aliquando per epistolam 9 , quae tu sentias, sed ea nec scripturis nec rationibus firmaveras, id quod adhuc commodissime poteris, maxime nunc, cum in questionem versum sit negocium, ita ut magistratus ab Argentmensibus misso nuncio 10 audire desideret, quo pacto apud suos huic perniciosissimae sectae occurrant 11 .

Caeterum quomodo res vestrae se habeant, nescimus nisi concordiam quandam esse vobis et Antroniis 12 praescriptam 13 , in quam vos consenseritis, alii nondum 14 . In summa: Das wiglen 15 bringt immerdar bletzwerck 16 . Dominus animos nobis praestet constantiores et in verbo suo firmiores, quam ut tam facile ad illorum hominum 17 minas huc atque illuc rapiamur. Nos nunc proximi sumus, in quos meditabuntur, quod poterunt 18 .

Misit ad te Nicolaus a Wattenwil caseum quendam. Quem ubi acceperis, significa. Ceterum iudicium de synodo vestra 19 accepisti iam dudum a me 20 . At de nostra 21 adhuc tuum expecto 22 . Nihil amplius habeo, quod scribam, nec scribere plura potero ob valetudinem sinistram.

8 Das Protokoll der Sitzung einer zur Erörterung des Täuferproblems aus dem Chorgericht und acht Ratsherren gebildeten Kommission vom 24. Januar 1533 ist erhalten (Adolf Fluri, Das bernische Täufermandat vom 2. März 1533, in: Zwa I 196-200). Sowohl in den einzelnen Voten als auch im Antrag der Kommission an den Rat wurde der mildere Standpunkt vertreten und von der Todesstrafe abgeraten (s. ebenda und de Quervain 135). Zur allgemeinen Diskussion über die Bestrafung der Täufer s. Fast 37f; vgl. HBBW II 273, 20-26.
9 Wahrscheinlich im verlorengegangenen Brief vom August 1532, wo Bullinger auch die härteste Bestrafung der Täufer durch die Obrigkeit gebilligt zu haben scheint, s. Fast 38; zu den Todesurteilen gegen besonders «hartnäckige» Täufer in Zürich s. QGTS I 348.
10 Unbekannt, sicherlich ein amtlicher Ratsbote von Bern.
11 Wie es bereits an der Sitzung der Kommission (s. oben Anm. 8) vorgeschlagen worden war, bat Bern Straßburg am 31. Januar 1533 brieflich um die Zusendung der dort gebräuchlichen Täuferordnung (QGT VIII 354a; s. de Quervain 135f; Straßer 64). Aus der Antwort ging jedoch hervor, daß die Straßburger gar keine besondere Verordnung gegen die Täufer erlassen hatten und ihre Praxis weitaus liberaler und milder war als die der Berner: sie kannte nur Gefangennahme und Ausweisung (QGT VIII 355; s. de Quervain 135f). Diese Auskunft trug viel dazu bei, daß der Antrag der Kommission (s. oben Anm. 8) am 2. März 1533 angenommen und sofort proklamiert wurde (de Quervain 136. 244). Im zweiten bernischen Täufermandat wurde also das Verfahren gegen
die Täufer erheblich gemildert, bald danach allerdings wieder verschärft (s. Müller, aaO, S. 71f; de Quervain 136. 245-247; Guggisberg 235). Auch in Straßburg erfolgte eine Verschärfung der Bestimmungen gegen die Täufer nach der Synode im Juni 1533, s. unten S. 171, 13-172, 21.
12 den V Orten, s. oben S. 55, Anm. 10.
13 Nämlich durch die Vermittlungsvorschläge der Schiedorte an der Eidgenössischen Tagsatzung vom 21. Januar 1533 in Baden und während der anschließenden Beratungen bis Ende Januar, s. EA IV/1c 8 v. und 11f; ASchweizerRef V 203. Zum Mandatstreit s. noch oben S. 35, Anm. 11 und S. 55, Anm. 6.
14 Diese Schilderung entspricht ungefähr den Tatsachen: Zürich hat seine Zusage (mit gewissen Bedenken) zum Vermittlungswerk gegeben, die V Orte verweigerten sie ganz, s. EA IV/1c 11f.
15 wanken, unschlüssig oder wankend sein (s. u. a. Grimm XIV/I 2 1524f; Lexer III 880; unveröffentlichte Belege des SI, freundliche Mitteilungen von Frl. Dr. Ruth Jörg, Zürich).
16 Flickwerk.
17 Gemeint sind die katholischen Gegner.
18 Zu den Gerüchten von einer unmittelbaren Gefährdung Berns (noch vor Zürich) s. oben S. 52, 1-4.
19 Gemeint ist die zürcherische Prediger- und Synodalordnung vom 22. Oktober 1532, AZürcherRef 1899; s. oben S. 33, Anm. 4.
20 Siehe oben S. 33, 12f.
21 Der Berner Synodus, 1532, S. HBBW II 30, Anm. 2 und 5.
22 Haller hatte bereits mehrmals um Bullingers Meinung darüber gebeten, s. HBBW II 46, 18f und 69, 47.

Vale.

9. februarii.

Tuus ut suus

B. Hallerus.

[Adresse auf der Rückseite:] Heinrico Bullingero, ecclesiastae Tigurino, fratri suo omnium charissimo.