Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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[2038]

Johannes Gast an
Bullinger
[Basel],
26. November 1544

Autograph a : Zürich StA, E II 366, 242 (Siegelspur) Ungedruckt

Im [Basler]Rat wurde an diesem Tag über die den [Baslern]Söldnern zuzuerkennende Strafe verhandelt; sobald Gast darüber mehr erfährt, wird er schreiben. Beim Buch mit den Pasquillen [,,Pasquillorum tomi duo"] handelt es sich um eine Sammlung von Texten, die über viele Jahre hinweg verfasst wurden; diese Schrift besteht aus ca. 50 Druckbogen, 2 Teilen und

a posteaquam korrigiert aus posteaque.
b nos fehlt in der Vorlage.
18 Vgl. oben Nr. 2028, 89-91; 2031, 37-40.
19 Martin Bucer, Metaphrases et enarrationes perpetuae epistolarum D. Pauli Apostoli..., Straßburg, Wendelin Rihel, März 1536 (s. BucerBibl 76), S. 124a: "Atqui non nulli ex gentibus datum esse etiam ante Christum incarnatum, ut in Christum crederent ea fidei portione, quae fuit eius temporis, non est quod negemus ... Iam ipse Augustinus agnoscit fuisse etiam ante Verbi incarnationem, qui vere Deo crediderunt etiam ex Gentibus"(ähnliche Äußerungen auf S. 114b, 115a, 139b und 140a).
20 Vgl. Bucers Reaktion dazu unten Nr. 2049.
21 In dem an Bucer gesandten Briefexemplar (nicht erhalten) fügte Bullinger eine Nachschrift an, in der er sich u.a. über die von Ottheinrich gewünschte "Bibliotheca universalis" von Konrad Gessner geäußert haben muss; s. oben Nr. 2028, Anm. 38. - Dieser Brief wurde dem Myconius nach Basel geschickt, mit der Bitte, ihn weiterzubefördern; s. unten Nr. 2046, 55.
a Stellenweise Textverlust durch beschädigten Rand; Text ergänzt aus der Abschrift von Johann Jakob Simler.

einem [Anhang], darunter der "Pasquillus extaticus"; Gast wird sich bei Oporin erkundigen. Schickt Bullinger Oekolampads Predigten zu den Klageliedern Jeremias [,,Inn die clag Hieremie"], die er [1527]aufgezeichnet hatte; sollten diese den Beifall der Gelehrten finden, wird er Ähnliches mit [Oekolampad Predigten über]Ezechiel und Daniel versuchen. [In Basel]sind mehr als hundert Schweizer Soldaten gestorben, und täglich kehren ausgeplünderte, armselige [Soldaten]zurück; in der Herberge sind 54 [von ihnen] ans Bett gefesselt. Demnächst schickt Gast den neuen Katechismus von Myconius, es sei denn, Bullinger hätte diesen schon vom Autor erhalten; leider führt er die Evangelienlehre den Scholastikern gegenüber nicht hinreichend aus. Ein Straßburger Prediger [Konrad Hubert?]berichtet, dass ein Franzose [Pierre Brully] in den südlichen Niederlanden festgenommen wurde und den Flammen bestimmt ist; hieran erkennt man die Gesinnung des Kaisers [Karls V.]gegen die [evangelischen]Kirchen.

S. Hodie de paena militibus nostris infligendis a senatu consultum; 1 quid autem sit conclusum, adhuc ignoro. Omnes intromissi sunt; habent consanguineos in senatu. Si quid fuerit de illis decretum, proxime scribam.

Pasquillorum liber 2 in duos tomos divisus est; habet fere 50 b folia 3 in , quo omnes pasquilli c comprehensi sunt a multis annis conscr[ipti]4 . Pasquillus d extaticus auctus, et quidam pasquilli e addicti sunt. Consultabo cum Oporino hac de re.

Mitto tibi contiones in Threnos Hieremiae Oecolampadii nostri, quas ex ore illius descripsi. 5 Si videro meam operam doctis placuisse, idem conabor et in prophetam Ezech[i]elem et Danielem. 6

b Oder wäre 50[0] zu lesen? Siehe unten Anm. 3.
c In der Vorlage psalmi. In der Eile hat sich Gast zwei weitere Male (s. unten Anm. d und e) verschrieben, doch hier vergessen, das Wort zu korrigieren. - Der Oporin-Druck beinhaltet nur eine spöttische Paraphrase des Ps 51 (Vulg. 50), die sich auf Papst Paul III. bezieht (S. 425-427).
d Pasquillus korrigiert aus Psal.
e pasquilli korrigiert aus psa.
1 Näheres nicht ermittelt.
2 Siehe oben Nr. 2029 mit Anm. 8. - Der Oporin-Druck besteht (wie auf Z. 4-7 beschrieben) aus zwei "tomi" (der erste auf S. 1-123; der zweite aufS. 124-140). Ihnen folgt eine unbetitelte Sammlung (auf S. 141-537) weiterer Texte, u.a. des "Pasquillus extaticus et Marphorius" (S. 427-529), der -damals noch ohne Autornamen erschienen -von Curione verfasst wurde. - Bullinger scheint sich also über Gasts Erstmitteilung (s. oben Nr. 2029, 24-26) weitererkundigt zu haben. Vermutete er vielleicht schon einen Zusammenhang mit Curione (s. oben Nr. 1891 mit Anm. 17)?
3 Wenn Gast mit "folia" die Seitenzahl
meint, ist 50[0] - die "0" wäre in diesem Fall mit dem rechten Rande verschwunden - zu lesen; die Schrift zählt in der Tat 537 Seiten (ohne Mitzählung der Seiten des Vorworts und des Inhaltsverzeichnisses). Meint Gast mit "folia" die Druckbogen (was eher zu vermuten ist), fehlt hier keine Zahl. Die Schrift besteht nämlich aus 41 Lagen von je 8 Blättern (*, a-z, A-R) gedruckt auf also "fast 50 Druckbogen".
4 Einige dieser Texte tragen Daten, nämlich aus den zwanziger, dreißiger und vierziger Jahren, u.a. ein wohlwollender Dialog auf den kurz zuvor verstorbenen Erasmus (S. 317-225), datiert auf den 15. August 1536.
5 Siehe HBBW XIII 163, 1-6 mit Anm. 1. Oekolampad hatte diese Predigten im März 1527 gehalten (Ernst Staehelin, Das theologische Lebenswerk Johannes Oekolampads, Leipzig 1939, S. 419). Diese gaben schon 1527 Anlaß zu einer Teilveröffentlichung; s. Oekolampad-Bibliographie, Nr. 147. Der hier erwähnte Druck, zwölfmal umfangreicher als der vorhergehende, erschien in Basel bei Robert Winter unter dem Titel "Inn die clag Hieremie des heligen propheten ein schöne

Plusquam centum ex Helveticis militibus spiritum apud nos efflarunt; quotidie quidam miseri misere redeunt spoliati et pauperes, in xenodochio f 54 lecto affixi sunt, haeeque est insignis dei plaga. 7

Proxime mittam Catechismum novum Myconii nostri 8 ; sed fortassis illum iam olim ab ipso autore accepisti; bonus pater non satis expendit, quae praecipua scholasticis doctrina in evangelii negotio proponenda sit.

Quidam ex contionatoribus Argentoratensibus 9 aiunt esse Gallum 10 in Inferiori Germania a caesareanis captum g propter religionem et

f xenodochio korrigiert aus zenodochio.
ußlegung durch Joannem Oecolampadium in der kirchen zu Basel gepredigt, vorhin nie in Truck ußgangen". Der Druck trägt merkwürdigerweise auf der Titelseite das Datum 1545, und Gasts Widmungsepistel an den Rat zu Mülhausen ist vom "20. Decemb. 1545"; s. Oekolampad-Bibliographie, Nr. 196. Es muß also von dieser Schrift eine nicht mehr durch ein Exemplar belegte Ausgabe aus dem Jahr 1544 gegeben haben. Oder war damals das Vorwort noch nicht geschrieben bzw. gedruckt, so dass, als es dazu kam, man sich vielleicht entschloss (aus geschäftspolitischen Gründen), das Jahr "1545" statt "1544" zu drucken (der Jahresanfang in Basel fiel nämlich auf den 25. Dezember)? Für letztere Vermutung spricht Gessners Eintrag in seiner bereits im September 1545 erschienenen "Bibliotheca universalis" (s. oben Nr. 2028, Anm. 38): "Ioan. Oecolampadii Germanice expositio in Threnos Hieremiae, ab ore concionantis excepta per loan. Gastium et nunc primum in lucem aedita, Basileae, 1545, apud Rob. Winter in 8. chartis 24"; ein Eintrag, der unmöglich gewesen wäre, wäre Gasts Ausgabe erst im Dezember 1545 erschienen. - Die damaligen Drucker waren geneigt, ihre am Ende eines Jahres angefertigten Drucke auf das kommende Jahr zu datieren; s. Jean-François Gilmont, La fiabilité des notices de catalogue de la foire de Francfort. Les éditions genevoises signalées par les catalogues de Georg Willer, in: Les Instruments de travail à la Renaissance, hg. v. Jean-François Gilmont und Alexandre Vanautgaerden, Turnhout 2010. -Nugae humanisticae 10, S. 146f.
6 Es kam nie dazu. -Wolfgang Capito hatte
bereits 1534, doch auf Latein, die Bemerkungen Oekolampads zu Ezechiel herausgegeben (Oekolampad-Bibliographie, Nr. 173), währenddem Oekolampads gelehrter Latein-Kommentar zu Daniel bereits 1530 erschienen war (Oekolampad-Bibliographie, Nr. 162).
7 Siehe zuletzt oben Nr. 2029 mit Anm. 5.
8 Myconius hatte Oekolampads Werk "Institutio christiana sive catechismus puerorum reipublicae Basiliensis" bearbeitet. Das Werk erschien im November 1544 bei Johannes Oporin und ist mit einem Vorwort Myconius' vom 9. Oktober 1544 versehen; s. VD 16 O 326; Oekolampad-Bibliographie, Nr. 194; ferner Bullingers Brief an Myconius vom 14. März 1545 (Zürich StA, E II 342, 125), sowie die Antwort von Myconius an Bullinger vom 19. März 1545 (Zürich ZB, Ms F 81, 396r.-v. sowie Zürich StA, E lI 336, 212).
9 Möglicherweise durch einen nicht mehr erhaltenen Brief von Konrad Hubert an Gast oder Oporin, mit denen Hubert in einem engen Briefwechsel stand.
10 Pierre Brully aus Mercy-le-Haut (Dép. Meurthe et Moselle), ehemaliger Dominikaner in Metz, der seit September 1541 als Prediger der französischsprachigen Gemeinde Straßburgs wirkte. Im September 1544 wurde er in die südlichen Niederlande nach Tournai/Doornik (Wallonien, Belgien) und Valenciennes/Valencijn (Dép. Nord-Pas-de-Calais, Frankreich) abgeordnet, um den dortigen Brüdern in ihrem Kampf gegen die "Libertiner" zu helfen. Kaum eingetroffen, wurde er kurz nach dem 4. November 1544 in Tournai festgenommen; doch wurde er erst am 19. Februar 1545 den Flammen preisgegeben; s. Jean Crespin, Histoire des martyrs persecutez et mis à mort pour la verité de

adiudicatum h igni. Haec sunt initia dolorum 11 ; hinc apparet, quali animo caesar erga nostras ecclesias sit et quid moliatur animoque volvat. Sed dominus ecclesiae suae non deerit, si veram paenitentiam ageremus.

Vale in i domino.

In die Conrad[i]12 1544. Raptim.

D. Theodorum nomine meo salutabis cum uxore tua 13 et liberis 14 .

Tuus Gastius

ex animo.

[Adresse auf der Rückseite:] Vigilantissimo pastori Tigurinae ecclesiae d. Heinrycho Bullingero, fratri suo in domino charissimo.