Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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[1985]

Bullinger an
Oswald Myconius
Zürich,
14. September 1544

Autograph: Zürich StA, E II 342, 119 (Siegelspur) Ungedruckt

Dankt für die Zusendung des Urteils über den Religionsfrieden, das er in Kürze zurückschicken wird; im Augenblick wird es noch vom Bürgermeister [Diethelm Röist] gelesen. Ein Freund aus Schwaben [Martin Frecht] erfuhr aus Wittenberg, dass [Nikolaus von]Amsdorf etwas gegen den Kölner [Erzbischof Hermann von Wied] schrieb und an Luther schickte; dieser, dadurch angespornt, entschloss sich, über das Abendmahl zu schreiben [,,Kurtz bekentnis"] und diesbezüglich ein eindeutigeres Bekenntnis [von allen] zu fordern; Bullinger tut der Erzbischof leid, da Luther den Kölner Theologen und allen Ungläubigen ein nur zu willkommenes Schauspiel bietet; diese sind dumm, arrogant und Bucer gegenüber undankbar. Gerücht von einem Sieg des Persers [Schah Tahmasp I.] aus dem Hause Sophi über den Türken [Sultan Suleiman I.]; verbürgte Meldung von Vadian, derzufolge neuerdings die Türken in Ungarn bei gänzlich fehlender Wachsamkeit der Unsrigen schlimmste Ausfälle machen; das Übrige wird Alexander [Rischacher] erzählen.

Gratiam et pacem.

Ingentes ago tibi gratias, Myconi dilectissime, pro capitibus de pace religionis 1 . Remittam illa brevi. Consul 2 enim nunc iis utitur, proinde nunc tibi ipsa non potui remittere.

Novarum rerum nihil habeo, nisi quod amicus 3 quidam ex Svevia scribit literas se ex Witemberga accepisse, 4 quae doceant Amsdorffium scripsisse contra Coloniensis 5 ordinationem ac misisse ad sanctissimum antipapam Lutherum, hunc autem excitatum scribere de sacram[ento] et postulare exactiorem confessionem de substantia sacramenti. 6 Hoc est videlicet extruere

1 Siehe oben Nr. 1945 mit Anm. 10; 1959 mit Anm. 10; 1969 mit Anm. 10.
2 Bürgermeister Diethelm Röist; s. Schnyder, Ratslisten 306.
3 Martin Frecht; s. die folgende Anm.
4 Der nicht erhaltene Brief stammte "aus der Wittenberger Universität" und war an Martin Frecht in Ulm gerichtet. Dieser schickte ihn an Ambrosius Blarer nach Konstanz, der ihn am 4. September an Bullinger weiterleitete; s. oben Nr. 1970 mit Anm. 7. Der Inhalt wurde auch Vadian mitgeteilt; s. Vadian BW VI 339-345, Nr. 1359f. Bucer bezieht sich auch auf diesen Brief in einem Schreiben an Melanchthon vom 9. September 1544 (MBW, Regesten IV, Nr. 3682). Der ursprüngliche Brief an Frecht wurde Letzterem höchstwahrscheinlich durch den Mathematiker und
Mediziner Jakob Milich (1501-1559) übermittelt, der am 11. August 1544 im Begriff war, Wittenberg für einen Besuch in seiner Heimat Freiburg i. Br. zu verlassen, und bei dieser Gelegenheit von Melanchthon mit der Übermittlung von Briefen beauftragt wurde (aaO, Nr. 3652f). Dabei mag auch der an Frecht gerichtete Brief gelegen haben, welcher höchstwahrscheinlich von Melanchthon selbst (dem Frecht am 3. August 1544 geschrieben hatte; s. aaO, Nr. 3641) verfasst wurde, zumal die hier vermittelten Nachrichten ganz dem Inhalt weiterer Briefe Melanchthons aus dieser Zeit entsprechen.
5 Erzbischof Hermann von Wied.
6 Zu Amsdorfs Kritik s. oben Nr. 1971, Anm. 19.

ecclesias et infirmos in fide suscipere! Miseret me optimi et piissimi principis senio iam confecti Coloniensis. Alioqui enim Lutherus rem se dignam facit declaratque discipulis suis, qualem adorent; non exhibuissent tam gratum Coloniensibus theologis et impiis omnibus spectaculum. Verum in illis hominibus nulla est prudentia. Fastus enim et arrogantia nil ipsos sapere sinit. Quid, quod Bucero quoque nostro male grati sunt? Sed expectavi huiusmodi ab illis, quibus nihil sapit, nisi quod Saxonicum et lardum 7 est.

De Turca a Persico Sophi 8 fuso eadem hic fama est; 9 sed certi nihil habeo, nisi quod Vadianus scribit 10 praesidia in Pannonia a Turcica noxias maxime excursiones facere, nostrorum interim duces stertere. Reliqua optimus vir d. Alexander dicet. 11

Vale cum tuis omnibus.

Tiguri, 14. septembris 1544.

Tuus H. Bullingerus.

[Adresse auf der Rückseite:] Clarissimo viro d. Osvaldo Myconio, domino et fratri colendissimo suo.