[1947]
Autograph: Zürich StA, E II 362, 55f (Siegelabdruck) Ungedruckt
Das Gerücht, Bern wolle den König von Frankreich [Franz I.] militärisch unterstützen, ist
seines Wissens unbegründet, obwohl Bern wegen der neu eroberten [Waadt] mehr als andere
auf der Hut sein muss und sicher um Hilfe ersucht werden wird, wenn Kaiser [Karl V.][den
Krieg]fortsetzt. In seiner Predigt vom 6. Juli hat Ritter vor jeder Parteinahme gewarnt, doch
darauf hingewiesen, dass der König immerhin als Angegriffener mit Unterstützung der Eidgenossenschaft
vergeblich um Frieden geworben habe; der Kaiser toleriere die Evangelischen
noch weniger als der König und unterstütze Herzog [Karl III. von Savoyen] in dessen Fehde
mit Bern; am folgenden Tag wiederholte er dies und stellte klar, dass er damit keineswegs
einen Krieg befürworte; ungetreue Kollegen wie Beat [Gering] nahmen seine Äußerungen
dennoch zum Anlass, ihn zu verleumden. Bern wird sich nach Ritters Einschätzung nicht auf
diesen Krieg einlassen, der es nichts angeht. Gruß; einem Gerücht, das sich auf Bullinger
bezog, hat hier niemand Glauben geschenkt. Übersendet eine Vorlesungsnachschrift von
[Bernhard]Tillmann, die zeigt, wie bedenklich die Jugend in Bern unterrichtet wird, und bittet
um Stellungnahme. Johannes [Wäber]kämpft beständig, allerdings mehr tapfer als klug; auch
er lässt grüßen.
Gnad und frid von gott etc.
Geliepter herr und bruder, ich han ewr schriben 1 vernomen, wie das ein geschray 2 by uch sy, ein lobliche statt von Bernn sye des willens, dem khunig von Franckrich 3 zu zeziechen etc., darvon ich gantz und gar nit weyß, ouch nit gloub, das ein ersame obrikheitt iro das nie hab lassen in sinn khomen, wie wol ein statt von Bernn in grosser sorg und gfard statt von wegen des new gewunnen land 4 , darum iren von nötten die ougen wither uff thuon dann andere. Das ich aber ye hab verstanden 5 heimlich oder offentlich, das yemant sich wölle in mutwilligen krieg begeben, weder kron von Franckrich noch ander lütt zu schützen, mögent ir frölich glouben, das es nit ist, wie wol niemant khan lougnenn, das, wo der kheyser 6 sin fürnemen sol erstattenn 7 , das ein statt von Bernn a onersucht 8 nit wiert beliben.
Der predig halben wil ich uch die warheit nit verhaltnn b : Der kheiser und der küng send glich gut, fiendt des c heiligen evangelii, 9 fiendt der friheit, wie wol einer mer mag schaden dann der ander, besunders dem tütschland. Nun send wol in Bärnn, die wol möchtnn lyden, das des Frantzosen sach oben stiend, da mit ob ein statt von Bernn dest besser frid, ouch das gantz Tütschland, möchti uberkhumen, nit das si sich darum in unnotwendigen krieg wollen begen, sunder uff gott wellen warten. Dar gegen so findt man, die ouch wol am kheyser, 10 und dat d hat mich wellen bedunckhen, sy wellen den kheyser so vil fürderen, dar durch sy in selber 11 glüent kolen under die füeß trächen 12 . Und han ich 6. iulii gepredigt, erstlich die underthanen vermant, das sy uber das verbott nit wellen sich e ungehorsam erzeigen und us irem vatterland loffen in frembd krieg etc. Der obrikheit han ich gsagt, si haben gut christlich satzungen, by denen sollent sy stieff beliben und sich niemant beladen, sunder ires lands warten 13 , sich uff khein parthy begenn 14 , niemant hinderen, niemant fürdernn; dann wan sy sich doch wölten parthyen, das aber nit recht wäre und sy nit thun sölle, so hetten sy mer glimpf 15 , sich uff dises mal uff des Frantzosen sytten dann uff des keysers 16 , ursach das der Frantzoß uff dises mal nit anficht, sunder wiert angefoechten, und hatt des friden begert; ein gantzi eidgnoschafft hatt darum geworben, 17
aber nit erlangt; so muß er sin vatterland schirmen uber recht bott 18 . Anders levis so sye der keyser 19 , der den evangelischen khein friden welle zu sagen. In sin erbland verbrenne ers 20 wie ouch der künig, aber in den fryen furstenthumen und stetten muß uber das ouch in gfärden ston gegen dem keyser 21 . Das drit sye des new gwunnen land, umb dessen willen sy in offner väch 22 standen gegen dem hertzogen 23 und gegen dem keyser als sim helffer etc. Aber sy sollen sich niemants an nemen und sich unpartysch haltnn und sorg han für die iren. Sollichs han ich uff den andern tag widerum repetiert und mit ustruckten wortnn gsagt, sy sollen mich nit verstan, das ich inen hierinn well ursach geben, ||56 in den krieg zu ziechen, sunder ich well, das sy sich darvor solle huetten und sich kheiner parthy an nemen, sunder irs land wartenn etc. Aber min untrewe brüder, do sy marcktend, das ethwas mißverstand welt erwachsen, wie sy pillich 24 24 soltend wasser han zutragen 25 und das fewr gelöscht, so hand sy den blasßbalg redlich gebrucht, da mit das für f grösser wurd; sy meinten, sy hettenn jetz zitt sich zerechnn 26 besunders , Batt 27 , gott geb im sin lon. Ich mag wol gedencken, das sy es hin und wider schriben; solte ich aber khinden 28 hinder die sach khomen, so solt all welt innen werden 29 , das sy mich hetten schantlich an gelogenn.
Darum ist es von gottes gnaden noch witt darvon, das man sich ein kriegs werde beladen, der uns nitt an gatt 30 , es were dan sach, das es mir verborgen were; ich gloubs aber nit und trewes nit minen herrnn 31 . Darum so blibt man stieff, wie ouch recht, by den satzungen, die man der kriegen halb gemacht.
Grüetzent mir min lieb herrnn und brüeder all. Ewrthalb ist wol also ein gschrey gangenn, aber frum eren gloubig lütt hand nit daruff gsetzt; mir hand deren gschrey mer gehört.
Datum Bärn, 28. julii 1544. Mitto ad te dictata Telamonii 32 , quae praelegit iuventuti nostre, ut videas, quibus neniis concutiatur ecclesia nostra et cum quibus nobis sit dimicandum
assidue, ut iudices et, si fieri potest, iudicium tuum ad nos mittas propediem. 33
Ioannes 34 constanter pugnat, modo prudentiam fortitudini iungat etc., qui te et reliquos fratres plurimum salutat etc. g
Erasmus Ritter, ex animo
tuus.
[Adresse auf S. 58:] An den frumen, wolgelertnn herrnn Meister Heinrich Bullinger, predicanten zu Zurich, sinen lieben herrnn und brudernn etc.