Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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[1917]

[Ambrosius Blarer] an
Bullinger
[Konstanz],
26. Mai 1544

Autograph: Zürich StA, E II 338, 1398f (Siegelspur) Zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 262f, Nr. 1091

Hans Jakob von Landau hat Johann Menlishofer von einem Brief des Kaisers [Karl V.] berichtet, in dem ihn dieser um Klärung über einen angeblichen Anschluss von Konstanz an die Eidgenossenschaft bittet und dabei sein Missfallen gegenüber Konstanz ausdrückt; von Landau hat daraufhin den Kaiser und seinen Kanzler [Johann von]Naves mit Hinweis auf die die Stadt eigentlich bedrückenden Themen ([Thomas Hütlin?] und die Reichenau) beschwichtigt und diese vielmehr von einem Hilfsangebot an Konstanz überzeugen können. Menlishofer wird dem Geheimen Rat von Konstanz unmittelbar davon Nachricht geben. Blarer hat also nicht zu Unrecht befürchtet, dass der Kaiser mit Konstanz handeln werde und dass die Eidgenossen der Stadt ein freundliches Schreiben hätten schicken sollen; im Moment ist allerdings Vorsicht geboten. Bittet um Reflektion, versichert seinen guten Willen und hofft auf erfolgreichen Ausgang. Außer [Diethelm] Röist soll niemand die hier erwähnten Namen erfahren. Erkundigt sich nach dem Lehrer und Prediger Hieronymus Kaufmann; Grüße.

des Märchens, hg. v. Rolf Wilhelm Brednich, Bd. VIII, Berlin-New York 1996, Sp. 1323-1326, mit weiterer Lit.; Amerbach, Korr. V 363, Anm. 1; Franz Mauelshagen, Die "portenta et ostenta mines lieben Herren vnsers säligen ...". Nachlassdokumente Bullingers im 13. Buch der Wickiana, in: Zwa 28, 2001, 73-117, bes. 82-91 und 97f.
4 Konrad Lycosthenes war der Sohn von Pellikans Schwester, also Pellikans Neffe; s. Pellikan, Chronikon 119; 162.

Früntlicher, vylgeliepter herr und bruder im herren.

Auff gesterigen tag hab ich in grossem gehaim erfaren, 1 das unser medicus, doctor Hans Menlishofer, by herr Hans Jacoben von Landouw 2 , landtvogt zu Nellenburg 3 , gewesen ist. Der hat im angezaigt, das die kai. mt. 4 ime vor wenig tagen geschriben habe, 5 wie das ir mt. glouplich und vertrauwlich bericht werde, das die von Costentz ir mt, zu verachtung, ouch wider ir ehr und aid, damitt sy ir mt, und dem reych verwandt seyen, mitt den aidgnossen ain pundtnusß uffgericht haben; 6 derhalben solle er von stund an sich gen Costentz verfügen und inen anzögen, sover 7 dem allso seye, so hab ir mt, gross und schwere ungnad darab empfangen und werde nitt rübig 8 sein, byß sy der gepür nach darum gestrafft werden, mitt mehrerem innhalt etc. Daruß er dann wol verstanden, das die von Costentz by der kai, mt, von iren widerwertigen 9 gar ubel a versagt 10 und ingebildet 11 seyen worden etc. Ab disem schreiben seye er ouch sehr erschrocken, habe besorgt, wa er den bevelch so rauch 12 ussrichten sollte, es möchten die von Costentz dardurch mehr zu unwillen dann willen verursacht werden. Derhalben habe er der kai. mt. und irem cantzler, dem herren von Navis 13 , widerum geschriben, 14 warum er den bevelch nitt usgericht, und sonderlich ouch darum, das er in erfaren kommen, das die von Costentz ychtzit 15 mitt den aidgnossen gehandelt haben; wol seyen sy uff ettlichen tagen by inen gewesen, aber aines usgetrettnen burgers 16 halber; so geduncke inn auch nitt, das diß der weg seye, mitt denen von Costentz zehandlen, sonder das hielte er für gut, diewyl er wisse, das die von Costentz der Ow 17 und anderer sachen halber

a Im Text ubel wiederholt.
1 Zum Nachfolgenden vgl. auch den Bericht in Stadtarchiv Konstanz, B I 43 a (,,Der haimlicher prothocoll", unfoliiert) zum 7. Juli 1544.
2 Hans Jakob von Landau (gest. 1557) verfolgte eine lange Karriere im Dienste des Reiches; u.a. war er 1515 Landvogt in Schwaben, 1517 und 1523 Vogt sowie 1524 und 1548 Landvogt zu Nellenburg und 1552 Obervogt in Tuttlingen. - Lit.: Kindler von Knobloch II 422; Neues württembergisches Dienerbuch, bearb. v. Walther Pfeilsticker, Bd. II, Stuttgart 1963, §2931.
3 Die Nellenburg befindet sich bei Stockach (Kr. Konstanz), ca. 25 Kilometer nordwestlich von Konstanz.
4 Karl V.
5 Nicht ermittelt.
6 Das Gerücht ist falsch.
7 sofern.
8 ruhig.
9 Gegnern.
10 verleumdet.
11 dargestellt.
12 rauh.
13 Reichsvizekanzler Johann von Naves.
14 Nicht ermittelt.
15 nichts (s. SI I 83 unten).
16 Gemeint ist Thomas Hütlin; s. zuletzt oben Nr. 1883, 151-154.
17 Reichenau. - 1540 war die Reichenau zum Leidwesen der Stadt in das Hochstift des Konstanzer Bischofs inkorporiert worden. Hans Jakob von Landau stand in diesem Konflikt auf Seiten der Stadt. -Lit.: Burkhardt/Dobras/Zimmermann 116-119. 128; Hermann Baier, Zur Einführung in die Klostergeschichte II. Von der Reform des Abtes Friedrich von Wartenberg bis zur Säkularisation (1427-1803), in: Die Kultur der Abtei Reichenau. Erinnerungsschrift zur zwölfhundertsten Wiederkehr des Gründungsjahres des Inselklosters

treffelich beschwert seyen, das ir mt. yemandts zu denen von Costentz verordnete b und gnedigklich an sy begeren hette lassen, das sy die kai, mt, aller irer beschwerden berichtent, mitt vertröstung, inen milterung zuverschaffen. Daruff habe ime der cantzler widerum geantwurt, die kai. mayt. hab ir diß mainung gefallen lassen und werde in kurtzen tagen bevelch und beschaid geben. Das möge er, Menlishofer, ettlichen vertrauwten des raths wol anzögen; das hat er im ouch zwaymal bevolchen und im darneben vyl von der Ow gesagt, wie der bischoff 18 dem könig 19 nitt 20 halte und der könig mitt im nitt zefriden, ||1398v. item wie ungütlich und unbillich denen von Costentz bescheche, item das ain mal davon gereddt seye, das man denen von Costentz ain circk 21 uber Rin geben sollte, 22 und and[ers]c mehr hat er anzögt und sich gar hell vernemen lass[en]d , wie genaigt er denen von Costentz e seye und in all we[g]begere, by der kai. mt. ir sachen zum besten helffen ze fu[rderen]f . Menlishover wurt noch hinacht zu aubend 23 , wie ich v[er]nym, diß alles unsern gehaimen räthen 24 anzögen. 25

Auss disem allem hapt ir wol zuverstehn, erst[lich]g das ich euch lengest nitt unrecht geschriben 26 , kai. mt. werde mitt Costentz handlen; item warum ich geraten, das die aidgnossen meinen herren ain früntli[chs]h briefflin by guter zyt solltend geschriben haben; 27 item das mein muntlicher ratschlag 28 nochmals d[er]i best were, das offentlich nichts zu handlen; das we[der]k den aidgnossen noch Costentz zu raten, das sy sich [in]l die ungnad diser zyt begebend und den kaiser v[er]ursachend m , mitt abschlachung der profyandt o[der]n in ander weg etwas tetlichs gegen Costentz furzenem[men]o , sonder das allain daruff ze sechen, das Costentz sich m[itt]p dem ander tayl 29 nitt vertieffe 30 . Es wirt aber schwär sein, grosse ding ausschlach[en]q und dargegen am andern ort nichts hoffen mögen; so wirt es ouch nitt gut sein, das r man inen die [hoffnung] offenlich insteckt 31 und allso der gegentail spüren

b zweites r in verordnete über der Zeile nachgetragen.
c-y Randtext im engen Einband verdeckt.
724-1924, hg. v. Konrad Beyerle, München 1925 (Nachdruck: Aalen 1970), 1. Halbband, bes. S. 23 1-243; s. auch RTA JR XV/4 2040-2042, Nr. 466.
18 Johann von Weeze.
19 Ferdinand I.
20 zu ergänzen: Wort.
21 Gebiet.
22 Siehe dazu Burkhardt/Dobras/Zimmermann 25f.
23 heute Abend.
24 Zu den "Haimlichen vom Rat" s. oben Nr. 1883, Anm. 83.
25 Die Stadt Konstanz war noch monatelang
damit beschäftigt, sich von dem Verdacht eines Anschlusses an die Eidgenossenschaft zu befreien; s. Stadtarchiv Konstanz, Ref. A. Fasc. 23, f. 248-299.
26 Am 16. April 1544.
27 Oben Nr. 1893, 16-20.
28 Das oben Nr. 1906 geplante Treffen zwischen Blarer und Bullinger hatte zu diesem Zeitpunkt offenbar schon stattgefunden; s. dazu Joachim Staedtke, Blarer und Bullinger, in: Joachim Staedtke, Reformation und Zeugnis der Kirche. Gesammelte Studien, hg. v. Dietrich Blaufuß, Zürich 1978. -ZBRG 9, S. 65-76, bes. 71.
29 Den Kaiserlichen.
30 einlasse, binde.
31 ihnen offen Hoffnung macht.

möch[t], was man im 32 abschlüg, das es von der hoff[nung des]s anderen 33 nutzes wegen gescheche; denn darusß W[urde]t gleiche farlichait 34 volgen.

Das hab ich euch guter, vertrauwter mainung nitt verhalten wellen, mitt bitt, ir wellen den sachen, diewyl euch und unß sovyl daran gelegen, mitt vleyß na[ch]dencken u . Ich mains ja vor meinem gott getru[lich]v und gut, wie das end zu erkennen geben wirt, w es ge[rate] gleich, welchen weg es welle. So schreib ich euch die [war]heit x coram domino, wie ich das muntlich vor euch ou[ch]bezügt hab. Gott verleich gnad, was man guts handlen welle, das man es ouch uff den besten w[eg]y handle, damitt es zu fürgang 35 komme. Amen.

||1399 Dem herr Rösten 36 wellt vyl dienst, gutz und grutz von mir sagen. Dem mögend ir ouch disen brieff zögen; anderen aber, sy seyen, wer sy wellen, sollen ir die nammen nitt anzögen uß grossen ursachen, mögen aber den vertrauwten wol die summa on die namen anzögen, damitt die sach meinen halb in gehaim beleybe.

Datum in grosser yl, den 26. mayens zu 1 ur nach mittag 1544.

Est istic, ni fallor, Hieronymus quidam Hofman vel Kofman 37 , qui alicubi apud Helvetios 38 ludimagistrum egit, Graece et Latine doctus, et qui concionando quoque plurimum valeat 39 . De quo rogo te, ut diligenter ad me scribas aetatem, conditiones alias, quot liberis gaudeat, quibus praeterea aliis dotibus domini ornatus sit, praecipue an z in praedicando Christi evangelio periculum fecerit et qua felicitate. Postea intelliges, quur istuc ex te rescire tantopere cupierim. Saluta uxorem 40 cum tota tua domo et domino nos diligenter commenda.

[Adresse auf der Rückseite:] Clarissimo atq[ue] longe charis[simo d. Bul]lingero su[o]. aa

z an über der Zeile nachgetragen.
aa Teilweise auf das nicht mehr vorhandene Verschlussband geschrieben.
32 dem Kaiser.
33 der Eidgenossen.
34 Betrug, Gefahr.
35 Gelingen.
36 Diethelm Röist.
37 Hieronymus Kaufmann; s. auch unten Nr. 1936, 16-22.
38 In Zofingen; s. HBBW VIII 190.
39 Kaufmann war seit 1538 Pfarrer in Buch am Irchel (Kt. Zürich).
40 Anna, geb. Adlischwyler.