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[1859]

Johannes Gast an
Bullinger
[Basel],
7. März 1544

Autograph: Zürich StA, E II 366, 259 (Siegelspur) Ungedruckt

Will ihm die gewünschten Werke Luthers ausleihen. Albert Krantz, dessen ungedruckte Schriften an der letzten [Frankfurter] Messe keinen Käufer fanden, hat fünf oder acht Bücher geschrieben, doch nur die "Saxonia" und die "Germania" oder die "Dania" liegen gedruckt vor; falls weitere erscheinen, wird Gast dies mitteilen. Nachrichten aus einem Brief: Kaiser [Karl V.] soll am Reichstag [zu Speyer]fünf Artikel vorgelegt haben, in denen die Restitution des Tyrannen [Herzog Heinrich] von Braunschweig[-Wolfenbüttel], Hilfe gegen die Türken und die Brandmarkung des französischen Königs [Franz I.]als Reichsfeind gefordert und die Suche nach einem Vergleich zwischen den [Religions-]Parteien in Aussicht gestellt wird; der Kölner [Erzbischof Hermann von Wied] ist bereit, Rechenschaft über seine Religionspolitik abzulegen, und hat einen evangelischen Prediger [Albert Hardenberg]mitgebracht; dies taten auch der sächsische [Kurfürst Johann Friedrich] und Landgraf [Philipp von Hessen] [im letzteren Fall den Dionysius Melander], doch wird sie der Kaiser nicht in einer Kirche predigen lassen; er ist wohl nicht gewillt, ernsthaft über die Religion zu verhandeln; nach einem anderen Gerücht soll der englische [König Heinrich VIII.] ihn mit Truppen gegen Frankreich [unterstützen]. Grüße; die Nachrichten können auch Vadian mitgeteilt werden. Kündigt die Sendung von Predigten Oekolampads über einige Psalmen an.

S. Bullingere optime a ac doctissime.

Libros Lutheri, quos tu volebas, 1 apud nos non extant, sed meos tibi, si opus habes, nacto fideli tabellione mutuo dabo; nam ea omnia habeo.

De chronica Alberti Crantz 2 frustra laboras. Multa illius nondum excusa sunt nec typographi praeteritis nundinis 3 a mercatore quodam emere voluerunt,

die je vier Blätter ergeben. Mit dem Druck wurde in der ersten Woche des Februar begonnen (s. oben Nr. 1842, 83f). Ende Februar war die Schrift fertig gedruckt (s. HBD 32 und unten Nr. 1861). Vielleicht hatte Bullinger damals noch kein Exemplar zur Hand.
a optime undeutlich korrigiert.
1 Bullingers Anfrage ist nicht erhalten; s. jedoch oben Nr. 1848, 34-37.
2 Albert Krantz, 1448-1517, von Hamburg, studierte in Rostock und promovierte 1491 in Mainz zum Dr. decret. und wohl 1492 in Perugia zum Dr. theol. Ab 1493 war er Lector primarius am Hamburger Dom, 1508 wurde er Domdekan. Als Stadtsyndikus und als Beauftragter der Hanse hatte er bereits reiche Erfahrungen im diplomatischen Dienst gesammelt, bevor er

tam sordidi sunt. Quinque aut octo, si bene memini, scripsit. Saxoniam 4 ac Germaniam solummodo habemus aut Daniam; 5 reliqui libri nondum sunt excusi. Fortassis brevi excudentur, et te hac de re certiorem faciam.

De comitiis ad me scriptum: 6 "Fama apud nos est et non ex omni parte (ut puto) vana caesarem 7 iam in iis comitiis 8 proposuisse articulos quinque, 9 quorum primus est b de restituendo a protestantibus Brunsvicensi tyranno 10 , alter de diuturno praesidio contra Turcam 11 praestando a toto imperio, tertius de cognoscendo Gallorum rege 12 pro hoste totius imperii, quartus de exhibendis utrisque partibus capitibus et brevibus scriptis dissensionum, si quo pacto ipse postea posset componere ipsos inter se; quintus non potuit mihi constare. Coloniensis 13 optimis consiliariis 14 instructus paratus est de religione causam dicere, si rogatus fuerit; adduxit etiam secum evangelicum contionatorem 15 quemadmodum et Saxo 16 et lantgravius 17 , quamvis illis caesar publica templa non concedet concionaturis. 18 De religione quidam putant caesarem nihil serii acturum esse, tamen haec proposuisse, ne nostris videatur nihil facere. Item fama est eum Anglo 19 , iam hoste regi Gallo, cum 15'000 peditum selectorum, item equitum 4'000 c 20 Nimirum habituri sumus iis praeludiis procedentibus inquietam aestatem." Haec ad me. Brevi plura.

b Auf est folgt ein nicht klar interpretierbares, schwungvolles Zeichen.
c Zu ergänzen ist wohl ein Verb im Sinn von suppeditari oder suppleri oder instrui.
zwischen 1500 und 1504 seine Geschichte Nord-, Mittel- und Osteuropas in sechs Büchern verfasste. Das erst nach und nach posthum veröffentlichte Werk beruht auf der Gesamtkonzeption einer "Germania magna" und ist durch die Schriften italienischer Humanisten beeinflusst. - Lit.: Ulrich Andermann, Alfred Krantz. Wissenschaft und Historiographie um 1500, Weimar 1999. -Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte 38; Manfred Grobecker, in: NDB XII 673f; Ainnettel Cosanne, in: LMA V 1475.
3 Gemeint ist die Frankfurter Herbstmesse.
4 Albert Krantz, Saxonia, Köln, Johann Soter, 1520 (VD 16 K 2257).
5 Fehlangabe. Die "Dania" erschien erstmals 1545 in deutscher Übersetzung als "Denmärckische chronick" bei Hans Schott in Straßburg (VD 16 K 2235).
6 Der von Gast zitierte Brief scheint nicht erhalten zu sein.
7 Karl V.
8 Gemeint ist der Reichstag zu Speyer.
9 Die nachfolgend mitgeteilten Artikel entsprechen
nicht dem Inhalt der kaiserlichen Proposition vom 20. Februar (RTA JR XV/1 353-362, Nr. 74).
10 Herzog Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel.
11 Sultan Suleiman I.
12 Franz I.
13 Erzbischof und Kurfürst Hermann von Wied.
14 Dietrich von Büchel und Peter Medmann; s. Pollet, Relations I 182.
15 Albert Hardenberg; s. ebd. sowie Janse, Hardenberg 16f.
16 Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen.
17 Philipp von Hessen.
18 Landgraf Philipp war in Begleitung seines Hofpredigers Dionysius Melander nach Speyer gekommen. Der Kaiser versuchte vergeblich, dessen Predigten zu unterbinden; s. PC III 457f; Lenz II 248, Anm. [4]. Über die Anwesenheit eines kursächsischen Predigers ist sonst nichts bekannt.
19 König Heinrich VIII.
20 Vgl. oben Nr. 1845, 38 mit Text in Blarer BW II 236, sowie MBW, Regesten IV, Nr. 3520f. Hintergrund dieses Gerüchts sind die Bemühungen des Kaisers um einen mit den englischen Truppen koordinierten Vorstoß auf Paris; s. Cardauns 324.

Vale et Theodorum 21 , Pellicanum et d. Vadianum nomine meo salutabis, cui etiam ea communicare poteris.

7. martii 1544.

Tuus Gastius ex

animo.

Brevi accipies contiones Oecolampadii in psalmos aliquot. 22

[Adresse auf der Rückseite:] D. Heinrycho Bullingero, ecclesiae Tigurinae pastori vigilantissimo. Zurich.