Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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[1809]

Bullinger an
Johannes Stumpf
Zürich,
[vor November] 1543

Abschrift von Stumpf: Zürich ZB, Ms S 313, 12r.-v. Ungedruckt

Leidet schon über eineinhalb Monate an ständigen Kopfschmerzen, sodass er nicht alles [von Stumpf] das zweifellos seine Anerkennung findet - lesen konnte. Sendet Abschriften aus einem alten Buch des St. Galler Klosters, zusammen mit den Annotationen zu Caesar von [Johannes]Rhellikan, der in Vielem [Heinrich] Glarean und [Aegidius] Tschudi widerspricht; bittet um Rückgabe zusammen mit den Annotationen Glareans. Die durch die schwierigen

a testimonia über einem gestrichenen zweiten veriora nachgetragen.
b Nach fiducia ein unlesbar gemachtes Wort.
c subinde am Rande nachgetragen.
4 Es kam zu diesem Zeitpunkt weder zu einer Einigung noch zu einer Konfrontation zwischen dem Kaiser und Franz I., vielmehr wurden deren Kampagnen durch den
Wintereinbruch weitestgehend aufgehalten; s. Brandi I 432-434.
5 Aus dieser Zeit ist kein Brief an Blarer aus Augsburg erhalten.
6 Diethelm Röist.
7 Jakob Röist.
8 Vgl. Horaz, Carmina, 1, 1, 2.
1 Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Briefes war die im November erfolgte Versetzung

Verhältnisse im Grüninger Amt begründete Bitte Stumpfs um einen erfahrenen und fähigen Prediger für das Kloster Rüti ist wegen des Mangels an geeigneten Pfarrern nicht leicht zu erfüllen; [Johannes]Wolf predigt in Höngg, [Johannes]Haller in Eglisau, und Georg Stäheli wurde nach Stein [am Rhein] entsandt, von wo er allerdings wegen Krankheit zurückkehren musste; es bleibt Erasmus [Schmid] als letzte Hoffnung. Gruß. [Johann Jakob] Ammann hat Stumpfs Bücher bereits gelesen.

H[enricus] Bullingerus Ioanni Stumphio. a

Gratiam et pacem etc.

Perpetuo quodam dolore capitis b ita hucusque sesquimensem et amplius sum divexatus ac etiam num excrucior, 2 ut tua nondum licuerit omnia legere. Nihil tamen dubito, quin omnia sint placitura, quia prima vehementer probantur mihi. Mitto hic quaedam, quae transcripta c sunt in bibliotheca Sangallensis coenobii e libro vetusto. 3 Adieci commentarios Rheilicani d in Caesarem, 4 ut illum legas cum iuditio. Video illum multa Glareani e 5 et Tschudii f6 oppugnare; quam feliciter, non dixero. Ubi autem perlegeris, remitte unacum Glareani annotationibus 7 , ||12v. si sic sit commodum.

Literae tuae 8 satis alioqui turbatum et negotiis oppressum magis turbarunt, non quod aliquid sperarim de coenobio Rüttino, sed quod ex literis intelligo omnia per totum agrum Gröningensem esse corruptissima. Doleo evangelii praedicationem tanta contumelia reiici et nullum se dignum parere fructum. Interea censeo et suadeo incumbere nostro offitio, ne culpa nostra sit. Qua in re nulla apud te exhortatione opus. Ministrum petis grandevum, prudentem, doctum, qui hisce diebus in coenobio concionetur. Atque utinam tanta g nobis copia esset, ut delectum talem facere liceret, qualem tu imaginaris.

a Die Überschrift in roter Tinte.
b In der Vorlage irrtümlich doloris capite.
c Vor transcripta ein gestrichener Wortanfang.
d Am Rande mit roter Tinte Ioan[nes] Rhellicanus.
e Am Rande mit roter Tinte Heinr[icus]Glareanus.
f Am Rande mit roter Tinte Aegidius Tschudius.
g tanta über der Zeile nachgetragen.
Stumpfs nach Stammheim offenbar noch kein Thema (zu Stumpfs Versetzung s. Attilio Bonomo, Johannes Stumpf, der Reformator und Geschichtsschreiber, Diss. phil. I Zürich, Genua 1923, S. 69-73). Das mit dem vorliegenden Brief übersandte Werk Rhellikans hatte Bullinger im März erhalten; vgl. unten Anm. 4.
2 Bereits am 19. Dezember 1542 hatte Bullinger gegenüber Vadian über Kopfschmerzen
geklagt; s. HBBW XII, S. 279.
3 Näheres ist dazu nicht bekannt.
4 Johannes Gast hatte Rhellikans Kommentar am 6. März an Bullinger übersandt; s. oben Nr. 1728, 2f.
5 Heinrich Glarean, In C. Iulii Caesaris [...] commentarios de bello Gallico ac civili annotationes, Lyon (Sebastian Gryphius) 1535. Vgl. unten Anm. 7.
6 Gemeint ist: Aegidius Tschudi, Die uralt varhafftig Alpisch Rhetia, Basel (Johann Bebel) 1538 (VD 16 T 2153) bzw. De prisca ac vera Alpina Rhaetia, Basel (Michael Isengrin) 1538 (VD 16 T 2155).
7 Bullingers Handexemplar von Glareans Annotationen zu Caesar (s. oben Anm. 5) findet sich in Zürich ZB, RR 2175, (HBBibl III 94); es ist dem oben Anm. 4 erwähnten Kommentar Rhellikans (RR 2175 1a ) beigebunden.
8 Nicht erhalten.

Ego doleo vix nostris prospectum esse ecclesiis; tantum abest, ut supersint prudentes, periti et grandevi, quos ablegemus. Quos habuimus, ablegavimus. Nam decumbunt aliquot fratres. Wolphius h9 concionatur in Höngk 10 , Hallerus i11 in Aeglisow 12 ; Georgius Chalybeus k 13 ablegatus erat Steynam 14 additis sibi senatoribus duobus, sed rediit infecta re valetudinanus. 15 Alii ad alias concesserunt ecclesias. Nisi ergo Erasmus l16 veniat, non est, quod quemquam expectetis. Vix illo possumus carere, nec quicquam polliceor. Darumb versehends, wie ir mögend. Wir mögend nit baß, 17 wir wöltend gern. Ich hab in allen mynen predigen eben zu der unrüwigsten, unkomlichen 18 zyt unruw darmit gehept und thun sovil mir müglich; mag nit mee, darumb nembt für gut.

Vale.

Tiguri, anno 1543.

Ammianus 19 iam legit tuos libros.

h Am Rande mit roter Tinte Ioan[nes] Wolphius.
i Am Rande mit roter Tinte Ioan[nes] Hallerus.
k Am Rande mit roter Tinte Georg[ius]Chalybeus.
l Am Rande mit roter Tinte Eras[mus] Fabritius.
9 Johannes Wolf.
10 Höngg (Zürich).
11 Johannes Haller d. J.
12 Eglisau (Kt. Zürich).
13 Georg (Jörg) Stäheli (Chalybaeus), von Galgenen, Kaplan in Altendorf (beide Kt. Schwyz) und danach in Baden (Kt. Aargau), wurde 1520 von Zwingli als Diakon an das Zürcher Großmünster geholt. 1522 übernahm er eine Pfarrstelle in Freienbach (Kt. Schwyz) und 1523 in Weiningen (Kt. Zürich), wo er aufgrund seines reformatorischen Wirkens vom Landvogt hart bedrängt wurde. 1528 wechselte er nach Biel, 1531 nach Zofingen. 1542 kam er als Diakon in der Leutpriesterei an das Großmünster zurück. 1545 wechselte er nach
Rüti, 1559 tauschweise nach Turbenthal. Vor der Synode musste er sich mehrmals wegen verschiedener Vorwürfe verantworten. 1570 trat er von seinem Pfarramt zurück und zog nach Zürich, wo er im Juni 1573 verstarb. Er hinterließ eine Autobiographie (gedruckt in: Miscellanea Tigurina, Bd. 11/6, Zürich 1723, S. 679-696); auch ein Brief an Bullinger ist von ihm erhalten (Zürich StA, E II 441, 144).—Lit.: Theodor Sieber, Georg Stäheli und die Reformation in Weiningen, in: Zwa III/9 (1917), S. 277-284; III/10 (1917), S. 296-305; Z IX 422f, Anm. 2; HBLS VI 493; Pfarrerbuch 540; Gordon, Discipline 267f; Bächtold, Stäheli 120, Anm. 14.
14 Stein am Rhein (Kt. Schaffhausen).
15 In allen drei genannten Fällen handelte es sich offenbar nur um kurzfristige Stellvertretungen, die in den verschiedenen Verzeichnissen der Pfründeninhaber nicht vermerkt wurden.
16 Erasmus Schmid (Fabritius).
17 Wir können nicht besser.
18 unpassenden.
19 Johann Jakob Ammann.