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[1667]

Bullinger an
Ambrosius Blarer
Zürich,
29. September 1542

Autograph a : St. Gallen Kantonsbibliothek (Vadiana), Ms 34 (VBS V), 220 (ohne Siegel) Zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 146f, Nr. 968

Wundert sich, von Blarer in letzter Zeit keinen Brief empfangen zu haben. Er soll daher dem Boten bei der Rückkehr einen Brief mitgeben; dieser ist auf dem Weg nach Memmingen, den Grund dafür kann Blarer dem beigelegten Schreiben [an Balthasar Funk, Nr. 1668] entnehmen, das er an Gervasius [Schuler] übersenden soll, an den auch er ebenso wie an [Balthasar] Funk in dieser Sache schreiben soll; eine Auseinandersetzung zwischen [Peter]Kunz und Erasmus [Ritter]über die Sakramentenlehre wurde zwar von den Bernern beigelegt, aber nun hat der Teufel einen neuen Streit entfacht; der Lästerer [Adam Heinricher] ist ein Hausgenosse von Kunz, so dass einige vermuten, diese Äußerungen seien mit seinem Wissen geschehen; will versuchen, Ritter von Kunz' Unschuld zu überzeugen; legt das Urteil [des Rats] über deren [Abendmahls-]Streit bei, das Blarer zurücksenden soll. Bittet um Nachrichten vom [Reichstag zu]Nürnberg und vom [Städtetag zu] Ulm sowie vom Krieg gegen die Türken, von [Karl V.] und [Franz I.]; keine Neuigkeiten von den eidgenössischen Truppen; auf den [2. Oktober] ist ein Tag zu Baden angesetzt, an dem Zürich die Eidgenossen nochmals [vor dem Reislauf] warnen will; aus Zürich sind bisher weniger Soldaten abgezogen als erwartet, das Volk ist kriegsmüde; Gott möge helfen. Grüße.

Gratiam et vitae innocentiam a domino.

Miror, qui fiat, Ambrosi dulcissime idemque mihi colendissime frater, quod tanto tempore nullas a te recipio literas. 1 Fortassis negotiorum turba interturbaris.

Misi hunc ad te nuncium 2 , qui parare iubeat aliquid litterarum, ut, dum redierit, inveniat scriptas. 3 Abit ille Memmingam; causam intelliges ex affixo apographo 4 , quod ubi legeris, clausum mittes per hunc eundem nuncium Gervasio nostro 5 . Cuperem autem, ut tuas quoque literas adiungeres vel

a Mit Randbemerkungen und Anstreichungen von späterer Hand.
1 Der letzte erhaltene Brief Blarers datiert vom 9. August; s. oben Nr. 1650.
2 Unbekannt.
3 Vgl. Blarers Antwort vom 4. Oktober, unten Nr. 1673.
4 Unten Nr. 1668.
5 Gervasius Schuler.

d. Gervasio vel consuli Funckio 6 inscriptas, quibus animos ipsorum incitares, quo sedulo causam nostram agant. 7 Vide autem, ne quis de hac re quicquam resciat. Hoc certum est calumniam innocuo strui ex malitia et arte sathanica. Fuit quaedam inter Conzenum 8 et Erasmum 9 disceptatio super re sacramentaria; verum senatus prudentia populique Bernatis constantia factum est, ut pulchre compositum sit dissidium et probe conveniat ministris. 10 Excitat ergo sathan novam turbam; nam conviciator ille 11 convictor est Conzeni; unde sunt, qui suspicantur non inscio Conzeno calumniam illam Erasmo a convictore esse intentatam. Ego Erasmum persuadere conor 12 Conzenum insontem esse, ne videlicet animi vix conciliati resiliant. Sententiam super controversia eorum pronunciatam habes affixam his meis literis, sed cura, ut per hunc eundem tabellionem remittas 13 .

Quod si quid certi habes de comitiis Nerobergensibus 14 , Ulmensibus 15 , de exercitu militante in Pannonia contra Turcas 16 aut de rebus caesaris 17 atque Galli 18 , fac, sciam. Nos de militibus Helveticis 19 ne verbum quidem audimus. Uff montag nach Michaelis 20 wirt aber 21 ein tag zu Baden; habend min herren beschriben 22 , abermols mit den eydgnossen zu handlen, das sy abstandint etc. 23 Uns sind von den gnaden gottes in allen 3 zügen 24 minder lüten hingelouffen, dann yemandts glouben mög. Unser volck überal ist des

6 Balthasar Funk.
7 In seiner Antwort, unten Nr. 1673, 28f, berichtet Blarer, an Schuler und Funk geschrieben zu haben; diese Briefe sind jedoch nicht vorhanden.
8 Peter Kunz.
9 Erasmus Ritter.
10 Im Juli war der Konflikt zwischen Ritter und den von Kunz angeführten Vertretern einer mehr bucerisch geprägten Abendmahlslehre erneut in aller Schärfe ausgebrochen. Nach langwierigen Verhandlungen einigten sich die Beteiligten auf Druck des Rates am 15. August auf eine gemeinsame Erklärung (Bern StA, A I 380, 292v.-302v.; vgl. auch die ausführlichen Eintragungen in Ratsmanual, bes. A II 151, 228-223. 236-244. 247-249. 252-254. 257. 271-281); vgl. Hundeshagen 165f; zum weiteren Kontext zuletzt Amy Nelson Burnett, The Myth of the Swiss Lutherans: Martin Bucer and the Eucharistic Controversy in Bern, in: Zwa XXXII, 2005, S. 45-70.
11 Adam Heinricher, vgl. oben Nr. 1665, 4 mit Anm. 2.
12 Ein entsprechendes Schreiben an Erasmus Ritter liegt nicht vor.
13 Die Beilage, eine Abschrift der Übereinkunft vom 15. August 1542, findet sich in Zürich StA, E II 337a, 352r.-353v.
14 Der Reichstag zu Nürnberg vom 1. bis 29. August 1542, vgl. oben Nr. 1619, Anm. 7.
15 Der Städtetag zu Ulm vom 4. September 1542, vgl. PC III 291.
16 Vgl. unten Nr. 1671, 22-25.
17 Karl V.
18 Franz I.
19 Gemeint sind die Söldner in französischen Diensten, vgl. unten Nr. 1675, 7f.
20 Am 2. Oktober.
21 erneut.
22 ausgeschrieben.
23 Bullinger bezieht sich auf die wiederholte Warnung der Zürcher an die Eidgenossen vor dem Reislauf, vgl. zuletzt oben Nr. 1648, 31f mit Anm. 10. Anlass der Tagung war die Bitte der in Nürnberg versammelten Reichsstände um Unterstützung des Türkenfeldzugs, s. EA IV/1d 185 1. 186f zu 1.
24 Gedacht ist vermutlich an den Zug zum französischen König sowie jene gegen Braunschweig und nach Ungarn.

kriegens der eydgnossen vast übel zefriden 25 . Gott kumb uns ze hilff et liberet nos ab omni malo 26 .

Vale cum omnibus tuis. Salutat te officiosissime Bibliander, Megander,

Gvaltherus, Erasmus Fabritius 27 , Pellicanus ac reliqui.

Tiguri, 29. septembris anno 1542.

H. Bullingerus tuus b .

[Adresse auf f. 221a v. c ]: Suo Ambrosio Blaurero.