Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

[1627]

Nikolaus Pfister an
Bullinger
Chur,
30. April [1542]

Autograph: Zürich StA, E II 441, 543-547 (Siegelspur)

Beantwortet im Auftrag von [Johannes] Comander Bullingers Frage nach den Unruhen in Graubünden: In den letzten 30 Jahren wurde mehrmals gegen die korrupten Pensionenempfänger vorgegangen, jedoch -besonders nach dem französischen Bündnis [von 1521/23]-fast ohne Erfolg, da die Profiteure des Solddienstes mächtig sind. Nun haben sich zwei solche Herren aus dem Bergell, Bartholomäus Stampa und Anton von Salis "de Run" [Runconius], Hauptmann im Veltlin, zerstritten, worauf sich auch die Engadiner, der französische Gesandte [Louis Daugerant, Seigneur de Boisrigaut] sowie Gesandte des Gotteshausbundes in den Konflikt einließen; dies führte zu einer Spaltung in der Bevölkerung, wobei die meisten -wohl zu Unrecht - [den habsburgisch gesinnten] Stampa als Unruhestifter betrachten; auch die Eidgenossen sowie die beiden anderen Bünde [der Obere und der Zehngerichtebund]mischten sich ein. Während der Gotteshausbund und Chur eine Tagung vorbereiteten, kam es zu einem Anschlag gegen Stampa und zu weiteren bewaffneten Aufläufen, die aber glimpflich ausgingen. Ein in Savognin eingerichtetes Strafgericht musste auf Druck der Angeschuldigten aufgelöst werden; an der stattdessen einberufenen Tagung der Drei Bünde [am 20. April in Chur]kamen sie mit hohen Geldbußen und Entzug der Amtsfähigkeit auf fünf Jahre davon; der mit einer Zürcherin verheiratete Valentin Vatscherin wurde mit 100 Kronen gebüßt, Anton Travers mit 250, Peter Finer mit 60. Die Prediger sind an diesen Unruhen nicht schuld; ihre Mahnungen blieben ungehört. Die Landleute werden nicht vergessen, wie sich der Bischof [Lucius Iter] sowie seine Getreuen in Chur und die dortigen Franzosenfreunde verhalten haben. Pfister und sein Vikar sind aus der Schule gedrängt worden. Reisende aus Italien konnten die Gerüchte über Kriegsvorbereitungen nicht bestätigen. Nachdem einige Bündner dem französischen König [Franz I.] zugezogen sind, hat die Obrigkeit ein Verbot erlassen. Grüße an Leo [Jud] und [Kaspar]Megander; Bullinger darf ihnen und anderen Kenntnis von diesem Bericht geben und soll ihn aufheben. Bitte um Nachrichten aus Deutschland. Grüße von Comander und Blasius.

[Gedruckt a : Graubünden, Korr. I 42-45, Nr. 33.]

a Nach der Abschrift Johann Jakob Simlers, Zürich ZB, Ms S 51, 92.
1 Das Jahr steht aufgrund der im Brief beschriebenen Ereignisse fest; vgl. Rudolf
Jenny (Hg.), Landesakten der Drei Bünde. Erste Regestenfolge zu den Landesakten 843-1584, Chur 1974. - Staatsarchiv Graubünden, Bd. V/2, Nr. 485.