Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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[37a]

Bullinger an
die Pfarrer in Bremgarten und im aargauischen Freiamt
Bremgarten,
25. Dezember 1530

Gedruckt: Von dem unverschampten fräfel ... der ... widertöuffern ... vier gespräch bücher ... durch Heinrychen Bullinger geschribenn, Zürich 1531, f. A2r.—5v. (Widmungsvorrede)1

Hat sein Buch gegen die Täufer nicht aus Rechthaberei geschrieben - dieses Laster ist ihm verhaßt und hat der Kirche zu allen Zeiten mehr als irgend etwas anderes geschadet -; er schreibt im Dienst der Wahrheit, schließt sich darin seinen Vorgängern an und wünscht, daß sein Buch an der biblischen Wahrheit geprüft wird. Es soll keinesfalls das selbständige Bibel. ersetzen, sondern zu diesem hinführen und helfen, den falschen Geist der Täufer zu durchschauen. Man soll sich nicht von ihren schönen Worten täuschen lassen, und wenn sie sich zusammenrotten, muß die Obrigkeit zum Einschreiten ermahnt werden; die Geschichte zeigt, daß sie keinen bleibenden Erfolg haben werden. Die Pfarrer sollen ihr Amt treu versehen, wie es Paulus in den Briefen an Timotheus und Titus dargelegt hat.

Allen getrüwen und christenlichen pfarherren und predicanten der grichten 2 der Statt Bremgarten unnd der pfarren inn Fryen Ampteren im Ergöw, minen geliepten brüderen, wünsch ich, Heinrych Bullinger, gnad, fryd unnd barmhertzigkeyt vonn Gott, dem vatter, durch unseren herren Jesum Christum.

Nach vilfaltigem und ernstlichem ansträngen habennd ir mich, lieben brüdern in Christo, überwunden, das ich nach der gnad, die mir gott geben hat,

2 Wolfgang Joner.
3 Mäzen (vgl. Peter L. Schmidt, in: KP III 860-862).
4 Werner Steiner.
1 Zu Bullingers erster Druckschrift gegen die Täufer (HBBibl I 28) vgl. Heinold Fast, Heinrich Bullinger und die Täufer. Ein Beitrag zur Historiographie und
Theologie im 16. Jahrhundert, Weierhof (Pfalz) 1959. — Schriftenreihe des Mennonitischen Geschichtsvereins, Nr. 7, S. 22-31.
2 Gemeint sind die städtischen Vogteien; s. Eugen Bürgisser, Geschichte der Stadt Bremgarten im Mittelalter. Beiträge zur Geschichte einer mittelalterlichen Stadt, Aarau 1937, S. 45-63.

üch wider die widertöufferischen säct 3 mit disem buch beholfen und ze willen worden bin. Sehend aber zu, in was gfaar und argwon ich mich mitthinzu gestellt hab, als der ich einfalter 4 nach vil erfarnen und hochbegaapten menneren a schryben gedar 5 . Darumb üch dann gebüren wirt min arbeyt, einfalte und trüw also ze verantwurten, das sy mir nitt in ein vorgricht 6 verkeert und verrächnet werde, sam 7 ich mich understande, dise händel besser und anders ze füren, daß 8 sy gethon, durch die aber gott siner kilchen vil guts bewisen hat. Ein sömlich 9 gmüt ist so gar verr von mir, das ich nützid mee hasß dann eygen-||A2v trächtige 10 unnd eygenselbs wolgfallen 11 . Welches laster von yedem christen grewenlich 12 sol geschohen 13 werden, in sonders aber von denen, die dem volck gottes mitt dem wort deß herren, zucht und unschuld vorgond 14 . Dann b nemmend war, was die kilchen gottes ye unnd ye verworren unnd geschediget habe wirser 15 unnd grusamklicher dann eygenträchtigkeyt unnd eygenselbs wolgefallen. Die verfürt Chore, Dathan und Abyron 16 , die selb pflantzet ouch die mißverständ und spaltungen in der kilchen zu Corintho 17 , alle zwyträcht und tödtliche prästen 18 , die die kilchen gottes ye und ye erlitten hat, sind dahar ursprüngklichen erwachsen, deß man hälle zeychen hat an den houptsäckteren 19 , am Valentino, Martione 20 , Arrio 21 unnd am bapst. Ja warumb widersträbend ouch hütt by tag vil ouch der verwändten 22 gleerten der offenen waarheyt. onet das 23 sy eygenrichtige unnd eygenselbs wolgfallen rytet? Unnd woruß ist unser widertöufferischer handel anders dann uss eygenrichtige, stöltze unnd geystlicher hochfart erwachsen? Darumb dann Paulus nit vergäbens so trüwlichen bittet und ermanet c , sye yenen 24 ein fünckle deß geysts, trüw unnd redliche 25 in unns, so söllind wir doch einmütig sin, einerley verstandts unnd meynung, damit wir nüt thügind uß uppiger 26 eer oder uss ghäder unnd verbunst 27 . Item das sich niemants über das erhebe, das er aber ist d , unnd sich mee understannde ze können, dann er aber kan unnd ||A3r. der glouben leert 28 ; sunder wir söllennd demütig sin und ye einer den andren höher

a in der Vorlage menneneren.
b Randbemerkung: Eigenrichtige [d. h. Rechthaberei] und selbs wolgfallen.
c Randbemerkung: Philip. 2.
d Randbemerkung: Roma. 12.
3 Sekte (evtl.: Sekten).
4 der ich als einfacher (Mann).
5 zu schreiben wage.
6 eine vorgefaßte Meinung.
7 als ob.
8 als.
9 solches.
10 Eigensucht.
11 Selbstgefälligkeit.
12 als etwas Schreckliches.
13 gescheut, gemieden.
14 vorangehen.
15 schlimmer.
16 Vgl. Num 16, 1-50.
17 Vgl. bes. 1Kor 1, 10-13; 3, 1-4; 6, 1-11; 11, 18f.
18 Schäden.
19 den wichtigsten Sektierern.
20 Marcion.
21 Arius.
22 vermeintlichen.
23 wenn nicht.
24 irgendwo.
25 Redlichkeit.
26 übermäßiger.
27 Streitsucht und Mißgunst. — Phil 2, 1-4.
28 Röm 12, 3.

schetzen dann sich selbs 29 , das keiner nun 30 sinen eygnen rhum und nutz suchen welle etc. Welches nun alles uns billich ein getrüwe warnung sin sol, das wir uss unserer fleyschlichen anfächtung uns nützid fürnemmen söl Iennd, sunder underthon dem geyst der warheyt. Dann ye so ist der verstand 31 der propheten den propheten underthon. Und ist ouch gott nit ein gott deß zwytrachts und der uneynigkeit, sunder er ist ein gott deß fridens in allen gemeynden unnd kilchen 32 . Also hab ich yetzt das buch geschriben, niemants vor ze urteylen, niemants zu verachten noch ze lychteren 33 , nützid eygenrichtigs ynzefüren oder neyswas 34 mit sömlichem wolgefallen zeschirmen, das ich nitt welle dem geyst der propheten (so inen bessers eroffnet) underthon sin, sunder was ich schryb, schryb ich zu gutem der warheyt, zu fridenn der kilchen unnd bewarung der einfalten. Darinn ich mich ouch nit schämen, denen ze volgen, die ouch inn disen händlen gearbeytet habend, das ich ouch an etlichen stuckenn dises buchs uff sy gewisenn hab 35 . Dann Paulus spricht e : "Ir söllend den geyst nitt ußlöschen noch die prophecy verachten. Ir söllend alle ding bewären und, was gut unnd grecht ist, behalten" [1Thess 5, 19-21]. Also wil ich yetzt das buch von üch uffgenommen werden, das ir alle ding gegen der warheit halltind, das ist, mitt dem wort gottes bewärind, unnd so A3v. || verr es mit dem selben lutet und uß dem selben befestnet unnd ggründt ist, im glouben gäbind. Dann wär sind wir arme sündigen menschen sust 36 , das man uns gloube, wenn wir deß herren wort nit redend und anzeygend?

Demnach wil ich üch trüwlichen ermanet und gebätten habenn, das ir dise min arbeyt nit also mißbruchind, das ir dester träger oder sumsäliger f werdind in der heyligen gschrifft und vermeinind, man habe üch das notwendig zu disem handel ußgezogen. Also sind ouch vor zyten unsere vorfaren durch die collecturen, commentarien g tractet und summisten 37 ab der , gschrifft abgefürt, das dannethin 38 einer uß dem andren nam und in ein andre form stallt und mitthinzu schreib, was sin anfächtung 39 was. Und hette man aber wol mögen darvor sin 40 , wenn man nit allein allen flyß geleyt hette uff die ußzüg, sunder vil mee uff die geschrifft. Die gschrifft ist glych eynem kostlichen

e Randbemerkung: 1. Tessal. 5.
f in der Vorlage sumsäliliger.
g Randbemerkung: Vile [d. h. Vielzahl]der commentarium.
29 Röm 12, 10.
30 nur.
31 im Sinne von: Intellekt (1Kor 14, 32: die Geister).
32 1Kor 14, 32f.
33 verkleinern.
34 irgend etwas.
— 35 Bullinger argumentiert in seinem Buch vor allem biblisch und verweist nur ganz
vereinzelt auf altkirchliche Autoren (vgl. etwa aaO, f. 53r. -v.).
36 sonst.
37 Verfasser von theologischen "Summen" (systematischen Gesamtdarstellungen), z. B. Albertus Magnus und Thomas von Aquin; vgl. Friedrich Stegmüller, Art. "Summen, theologische", in: RGG 3 VI 525.
38 von da an.
39 im Sinne von: fleischliche, nicht dem Geist der Wahrheit verpflichtete Überlegung.
40 es verhindern können.

unerschöpfften schatz und goldgruben, daruß vil golds zu nutz der menschen getragen wirt, glych wie ouch uß der gschrifft mengerley zu gütem der menschen gemachet und geschriben wirt. Noch dennocht ist die goldgrub unnd der schatz allwägen mee und höher, als uff den man allwäg ein grösser uffsähen hat 41 . Also sol uns ouch das wort gottes sin. Dann Solomon spricht nit vergäbens: "Vil bücher machen hat kein end" [Pred 12, 12]. Das red ich nun alles daruff, lieben brüder, das niemants die arbeyt und hilff, die der kilchen von ||A4r. dieneren deß worts vilfaltig gethon wirt, mißbruche damit, das er vermeyne, yetzdan, so er ein anleytung hat, durch die institution, annotation oder commentarii alles richtig sin unnd der byblien oder flyssigen studierens nit mee not sin, darumb 42 der handel inn kürtze mit disem oder yhenem büchlin verfasset 43 syge. Dann sömliches ward nye desse meynung, der dir das buch zu gutern schreyb, sunder er wolt dich anfürenn an die gschrifft, das du all din flyß darinn gebruchtest. Dann wellicher keyn anleytung zu keinen 44 händlen hatt, der hatt ouch ein unlust ze hanndlen. Darumb wirdt nun der kilchen ein lychterung inn händlen gethon, nitt das du nun am selbigen söllist gnug haben, sunder frutig 45 unnd flyßlich der waarheyt gottes mitt liebe unnd glouben nachgründen. Also söllennd ir nun die hilff, subsidia, tröst 46 und annotationen disers mines unnd alle andere menschliche bücher läsen, den grund uff die warheyt setzen und den verstannd uss der geschrifft bringen unnd nitt dryn tragen. Damit werdend üch der glöubigen gschrifften vil nützen unnd gar nit von der geschrifft abfüren. Dann ye so reycht min fürnemmen in disem buch allein daruff, daß ich üch bloß in eynem fürgon 47 anzeyge, das der widertöufferisch geyst ein valscher geyst syge, unnd damit üch stercke unnd veranlasse, wyter nachin zegründen mitt unnd in der gschrifft, werdend ir den schalck 48 unnd iro bübery 49 , jaa glychßnery 50 , ||A4v. ye länger ye häller mercken, und das sy nützid anders sind dann gschirr deß bösen 51 , dardurch er understadt das euangelion zu undergraben mit der schuflen der demütigen geystligkeit. Collos. 2[18-23].

Dann h es stadt üch zu, das ir in sömlichem anryten 52 deß bösen mannlich und dapffer sygind und andre einfalten ouch sterckind. Darumb sol üch ir gschwätz und thür 53 reden gar nit erzegen 54 . Dann was kan man thürers redenn, dann die schwartzkünstler redend? Item dann der tüffel selbs zum herren sprach: "Ach, was wiltu dich unser annemmen, Jesu Nazarene? Ich

h Randbemerkung: Widertöuffische glyßnery.
41 insofern als man sie immer höher achtet (als das, was daraus gemacht wird).
42 da.
43 umfassend aufgezeichnet.
44 irgendwelchen.
45 frisch, eifrig.
46 Unterstützungen.
47 im Vorbeigehen.
48 die Bosheit.
49 boshaftes Treiben.
50 Heuchelei.
51 Werkzeug des Teufels.
52 Angriff.
53 großartiges.
54 verzagt machen.

weyß wol, wär du bist, frylich der heylig und gesalbet gottes" [Lk 1, 34]. Und über Paulum und Silam: "Dise menschen sind deß höchsten gottes diener und predigend üch den rechten wäg zum heyl"[Apg 16, 17]. Redend nit ouch die verworffnen im evangelio: "Herr, herr, habend wir nit in dinem nammen prophetiert und in dinem nammen tüfel ußgetriben unnd durch dinen nammen grosse ding gethon?" "Unnd denn wird ich inen fry heruß sagen" (spricht Christus): "Ich wil üwer nit" [Mt 7, 22f]. Darumb lassend üch, lieben brüder, ir gschwätz nützid erzegen noch ir gyfftig tröwen 55 schreckenn; dann also trouwt ouch vorhin das Bapstumb. Unnd so sy sich von der kilchen absünderend, so gedenckend an das wort Johannis i : "Sy sind von unns gangen, sy warennd aber nitt der unseren"[1Joh 2, 19]. Machennd sy inen dann parthen und junger 56 , so gedenckend an das wort Pauli k : "Und uß üch selbs werdend menner || A5r. kummen, die werdent verworne ding leeren und junger an sich hencken"[Apg 20, 30]. Rottendt sy sich dann zu uffrür, so ermanend dennoch die obren, das sy das böß, unrüwig abstellind und lieber wöllind ein hampflen 57 böser buben straaffen dann hernach ein gantzen huffen verfürter gar vertylgen. Sust söllend ir nun nitt sinnen noch sorgen, das sy ützid mit irem rotten unnd uffruren mögind fürbringen 58 . Dann läse man alle historien, heylige und unheylige, findt man wol, das glyche uffrür angehept syend, aber nitt, das sy ye habend ützid mögen fürbringen, sunder allwegen mitt grossem ellend nydergeleyt syend. Darum söllend ir sicher und getröst ston, uff fryden und eynigkeyt tringen und mit stanthaffte das ungewytter alles erdulten unnd lassen hinüber gon. Und so üch wölte die arbeyt ze schwär sin oder beduncken, lieber so ermässend, was Moses, der trüw diener gottes, erlitten hab mitt uffruren, abfaal, unordnung etc., was ouch Samuel unnd Hieremias, ja ouch Christus und Paulus besonders von glychßneren unnd sömlichen glyßgugen 59 erlitten habind. Und sind unerschrocken und stanthafft; gott wirdt gnad thun unnd üwer trüw beholffen sin. Dann ye so muß aller falsch gwüßlich brächenn.

Wyter ist nit nodt von üwerem ampt, wäsen und läben, ouch leeren ze schryben, sidmal unnd 60 Paulus dry epistlen an Timotheon und Titum ||A5v. geschryben hatt. Flyssend üch der warheyt, unschuld unnd trüw. Tringend daruff, das das volck gott in Christo trüwlichen erkenne, in inn vertruwe, inn anbette, anrüffe unnd mit frommkeyt vereere. Das yeder sin nächsten liebe, niemandts den anderen verforteyle 61 noch schedige, sunder mit zucht unnd eer yederman by dem anderen in fryden rüwe. Hiemit sind gott befolhen unnd gebetten, das ir trüwe vätter üwers volcks syend unnd deß grossen gottes yngedenck syend, der üwer schäfflinen blut von üweren henden erforderen

i Randbemerkung: 1. Joan. 2.
k Randbemerkung: Acto. 20.
55 Drohen.
56 Parteigänger und Jünger.
57 eine Handvoll.
58 daß sie dadurch, daß sie sich zusammenrotten und Aufruhr erregen, etwas erreichen könnten.
59 Heuchlern.
60 insbesondere da.
61 übervorteile.

wirdt, wachend ir nitt wol 62 . Darumb lassend üch üwer ampt angelegen sin.

Datum ze Bremgarten, uff den geburt tag unsers erlösers Jesu Christi im Jar 1530.