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Basler Nachrichten

Stadt-Theater in Basel.

Tanzabend von Clotilde von Derp und

Alexander Sacharoff.

Mittwoch, 31. Oktober 1917.

Eine interessante Erscheinung unserer Zeit ist die Wiederbelebung des Tanzes. Sie hängt wohl zusammen mit dem Bestreben, das sich überall zeigt, zu den Elementen zurückzukehren; in der Baukunst, in der Malerei. selbst in der Musik versucht man sich in der primitivsten Ausdrucksweise. Der Tanz ist die Kunst des Naturmenschen; am allermeisten wohl verfiel er im Lauf der Entwicklung der Konvention. Die Reaktion dagegen ist heilsam, die Reform lebhaft zu begrüßen. Der Körper redet eine Sprache. ausdrucksvoller vielleicht als die gesprochene selbst, und wenn die Tänzer sie wieder lernen. werden sie uns Schönes zu sagen haben. Treffend meint Herder in seinem Aufsatz über den Tanz (in den "Früchten aus den sogenannten goldenen Zeiten des 18. Jahrhunderts ). den wir allen Freunden und Gegnern der Tanzkunst zu lesen empfehlen, die ausdrucksvollste Allegorie, die wir kennen. sei der Mensch; Kräfte, Neigungen, Gedanken, Leidenschaften deute sein Aeußeres nicht nur an, sondern stelle sie dar und begeistert ruft er aus: "Sahet ihr je die menschliche Natur lebendiger als im seelenvollen Tanze?

Dieses Ausrufs konnte man sich namentlich erinnern, wenn Clotilde von Derp und Alexander Sacharoff zusammen tanzten, besonders in den Clo, in Walzern Wo, wie hier, der Wille von zweien vollendet zu einer Grazie sich eint, ist der Reiz unvergleichlich. Technisch sind beide Meister ihrer Kunst und ihr katzengewandter Körper geschaffen. zu gefallen. Die Anmut der Bewegung verstehen sie zu erhöhen durch die Wahl der Gewandung, die in Farbe und Stoff von reichster Mannigfaltigkeit, in der Form den charakteristischen Gebärden jedes Tanzes sich anpaßt. Eine reiche und wahrhaft künstlerische Phantasie wird hier entfaltet; einmal sind es schwere dunkle Sammetstoffe. ein anderesmal leicht flatternde Tülle, der Körper ist mit Blumen übersät oder er steckt im schlichten kurzen Bauernröckchen, der Ton ist auf das feinste abgestimmt, sei es in buntem Kolorit oder in schlichtem Schwarz und Weiß. Sacharoff soll selbst als bildender Künstler arbeiten und die Kostüme selbst entwerfen

Wie reich die Sprache des Körpers ist, wie stark sie nach Zeiten und Völkern ändern kann (was übrigens jedermann durch die Mannigfaltigkeit der Nationaltänze bekannt ist), zeigt Sacharoff in seinen historischen Charaktertänzen. Gestalten aus altitalienischen Gemälden glaubte man lebendig geworden in der Renaissance-Vision und im Reigen der Seligen; die Gebärden der Adoration im letzteren namentlich, etwa an Fra Angelico erinnernd. fesselten bis zur Rührung. In phantastischem Kostüm grotesk, aber voll der echten Pikanterie, war das Tanzbild aus der Zeit Ludwigs XIV. Ich wage weder es zu bestreiten noch es zu glauben daß die delphische Tänzerin von Clotilde van Derp griechisch war; aber in ihrer Nachahmung einer Amphora wirkte sie charakteristisch und eigen. Am reizendsten erschien mir ihr Maientanz die schlichten Sprungbewegungen der Kinder sind und bleiben das liebenswürdigste.

Der Tanzabend bot vor allem eine Augenweide; rhythmisch kann man noch mehr aus dem Tanz herausholen, wie wir erst kürzlich haben erfahren können. In den Charaktertänzen bietet namentlich Herr Sacharoff Anfänge der Renaissance, einer Kunst, die im alten Frankreich zu Zeiten Lullys und Rameaus blühte und für die noch ein Gluck sein Ballett "Don Juan schrieb, die auch am Ende des 18. Jahrhunderts in dem größten Tanzkünstler aller Zeiten, Noverre, eine glänzende Erneuerung erfuhr. Wenn diese Stufe der einstigen klassischen Kunst. namentlich in ihrem Reichtum noch nicht wieder erreicht ist, so darf man doch mit Interesse die Versuche zur Gewinnung eines neuen künstlerischen Tanzes verfolgen. Y. N.