Name: Heinrich I.
| Graf von Ascharien und Fürst von Anhalt, war der
älteste Sohn des Herzogs Bernhard von Sachsen, Grafen von Aschersleben, aus
dessen Ehe mit Judith von Polen, ein Enkel Albrechts des Bären, des ersten
Markgrafen von Brandenburg. |
Bei dem Tode seines Vaters (1212) erhielt H.
von dem Ländercomplexe, den jener unter seiner Herrschaft vereinigt hatte, die
anhaltischen Stammbesitzungen am Unterharz, an der Saale, Mulde und Elbe.
während seinem jüngeren Bruder Albrecht Wittenberg und diejenigen Theile
des alten Herzogthums Sachsen (Lauenburg) zufielen, in denen Bernhard seine
herzogliche Gewalt zur Anerkennung zu bringen vermocht hatte. Wie dieser somit
der Stammvater der askanischen Herzöge von Sachsen (Wittenberg und
Lauenburg) wurde, so beginnt mit H. die Geschichte Anhalts als eines selbstständigen,
für sich bestehenden Fürstenthums. Von seinen Regierungshandlungen
ist wenig bekannt. Die noch vorhandenen Urkunden, die von ihm ausgestellt
sind, zeigen ihn nach der Sitte der Zeit als einen gegen Kirchen und Klöster
freigebigen Herrn. Trotz dieser Gesinnung gerieth er zusammen mit seinem
Bruder Albrecht von Sachsen mit dem Abte Gernot von Nienburg in Mißhelligkeiten,
deren weiterer Verlauf ihm den Ruf eines grausamen und herzlosen
Menschen eingetragen hat. Die Abtei Nienburg, früher reichsunmittelbar und
im Wendenlande reich begütert, war im J. 1166 von dem Kaiser Friedrich I.
gegen verschiedene andere Güter an das Erzstift Magdeburg ausgetauscht worden.
Die Schutzvogtei über dieselbe sollte nach der Bestätigungsbulle des Papstes
Johann XIII. vom J. 971 der Familie der Stifter zustehn, die Mönche aber
den Schutzvogt unter den Mitgliedern der letzteren frei wählen. Die Erben der
östlichen Markgrafen, die das Kloster gegründet hatten, Waren die Grafen von
Ballenstedt, die Vorfahren der Askanier. Und so ging die Vogtei nach Albrechts
des Bären Tode auf dessen jüngsten Sohn Bernhard über. Als dieser jedoch
aus dem Leben schied, versuchte das Kloster oder vielmehr dessen Abt Gernot
Bernhards Söhnen die Schutzvogtei zu entziehen. Dem widersetzten sich die
beiden Brüder mit aller Entschiedenheit und namentlich H. ließ sich durch die
Umtriebe des Abtes nicht abhalten, seine Rechte als Schutzvogt auszuüben. Das
war die Quelle einer sich mit der Zeit immer mehr steigernden Feindschaft
zwischen dem Fürsten und dem Abte. Papst Honorius III. beauftragte den
früheren Bischof Konrad von Halberstadt, den Abt von Celle und den Magister
Konrad von Marburg, den Zwist zu schlichten. Aber inzwischen überfielen
Dienstleute des Fürsten, der Vogt Bertram, der Ritter Friedrich von Hersleben
und andere Angehörige des Magdeburger und Halberstädter Sprengels, im J.
1219 den wegen seines Lebenswandels übel berüchtigten Abt Gernot, blendeten
ihn und versuchten ihm die Zunge auszureißen, was indeß nicht gelang. In
Folge dieser Gewaltthat wurden nicht nur die Thäter, sondern auch Fürst H.,
den man für den Anstifter den Frevels hielt, excommunicirt. Der letztere leistete
im J. 1221 persönlich in Rom Genugthuung und erlangte dadurch für sich
Lösung vom Kirchenbanne, nachdem der Streit mit dem Kloster zu Gunsten der
Mönche beigelegt worden war. Aber bald brachen die Zwistigkeiten von neuem
aus und dauerten , wie es scheint, bis 1239, in welchem Jahre sie durch einen
Vergleich endgültig geschlichtet wurden, wonach Fürst H. dem Kloster in dem
von diesem abhängigen Hagenrode Markt, Münze, Zoll und Untergericht abtrat,
die von ihm aber in Nienburg selbst und in den übrigen Besitzungen des Klosters
auszuübenden vogteilichen Gerechtsame geregelt wurden. — Während der Minderjährigkeit
der jungen Markgrafen Johann J. und Otto III. von Brandenburg
führte Fürst H. in Gemeinschaft mit deren Mutter die vormundschaftliche Regierung
der Mark. In den Reichshändeln seiner Zeit stand er anfangs auf der
Seite Philipps von Schwaben, nach dessen Ermordung aber schloß er sich an
Otto IV. an, an welchem er auch festhielt, als Innocenz III. den jungen
Friedrich von Staufen ihm als Gegenkönig entgegenstellte. Bei der entschiedenen
Parteinahme des Erzbischofs Albrecht von Magdeburg für Friedrich hatte das
anhaltische Land während des Bürgerkrieges zwischen den beiden Königen viel
zu leiden und im September 1215 verwüstete Friedrich selbst mit einem zahlreichen
Heere, mit welchem er Quedlinburg vergeblich belagerte, die benachbarten
Besitzungen des Fürsten. Erst nach Otto's Tode (1218) erkannte H. den Staufer
als rechtmäßigen Beherrscher von Deutschland an. Von nun an finden wir ihn
öfter an dem Hoflager des Kaisers oder an demjenigen seines Sohnes Heinrich,
so auf den Reichstagen zu Erfurt (1219), zu Frankfurt (1220), zu Nordhausen
(1223) , bei welcher Gelegenheit er in Gemeinschaft mit dem Grafen Hoyer von
Valkenstein die Absetzung der sittenlosen Aebtissin Sophia von Quedlinburg durchsetzte,
dann wieder 1234 in Frankfurt und Altenburg. Auch auf dem großen
Reichstage, welchen Friedrich im J. 1235 nach seiner Rückkehr aus Italien in Mainz
hielt, war er zugegen. Dann begleitete er ihn 1238 über die Alpen nach Italien,
wo er an der Belagerung von Brescia theilnahm. ES scheint, daß er sich in
demselben Jahre (1245), da sich sein gleichnamiger ältester Sohn mit Mathilde
von Braunschweig vermählte, von der Regierung zurückzog: 1244 kommt er
zum letzten Male als regierender Herr urkundlich vor. Gestorben ist er zwischen
dem 8. Mai 1251 und dem 17. Mai 1252. Aus seiner Ehe mit Irmingard, der
Tochter des Landgrafen Hermann l. v. Thüringen, sind, soviel wir wissen, zehn
Kinder hervorgegangen. Von den sieben Söhnen traten vier in den geistlichen Stand ;
die übrigen drei, Heinrich II., Bernhard und Siegfried, theilten das Erbe des
Vaters und gründeten die Aschersleber, Bernburger und Köthener oder ältere
Zerbster Linie. — Gewöhnlich hält man diesen H. für den Herzog von Anhalt,
der unter den fürstlichen Minnesängern des Mittelalters genannt wird und von
dem sich noch zwei reizende Liebeslieder erhalten haben. Doch sprechen manche
Momente dafür, daß darunter Heinrichs Vater, der Herzog Bernhard von Sachsen,
zu verstehen ist.
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