Name: Harpprecht: Vorname: Johann Heinrich Freih. v. H.,
Die Wittwe wählte mit ihren acht minderjährigen Kindern Stuttgart zum Aufenthalt. Dort besuchte H. das gut geleitete Gymnasium und bezog 1719 die Tübinger Hochschule, wo ihn sein Vetter Dr. Georg Friedrich H. (s. diesen) in das Rechtsstudium einführte. Am 24. August 1724 trat er in die Reihe der Hofgerichtsadvocaten, verweilte während der Jahre 1727-33 als hohenzollern-hechingisch-sigmaring'scher Hofrath namentlich in "freien Pürschsachen der Heching'schen Unterthanen" sehr häufig in Wetzlar und gewann hiebei genaue Kenntniß des Verfahrens bei dem höchsten Reichsgerichte. Seit Anfang 1727 vermählt, finden wir ihn im Frühjahr 1733 als würtembergisch-neustädtischen Kanzlei -(Justiz) -Director in Neustadt, im folgenden Jahre als Mitglied des Regierungscollegiums in Stuttgart, in welchen Stellungen er als Vertrauensmann des Herzogs Carl Rudolph manch wichtiges Staatsgeschäft besorgen mußte. 1739 wurde er Directorialgesandter am schwäbischen Kreistage zu Ulm, 1740 von Würtemberg und den evangelischen Reichsstädten des schwäbischen Kreises als Assessor zum R. K. Gericht Präsentirt. Nach langwierigem Streite über die Präsentationsbefugniß, der zwischen Würtemberg und Badendurlach in breiten Wechselschriften geführt wurde, erhielt H. am 5. Jan. 1745 die kammergerichtliche Vocation, woraus am 5. April die feierliche Eidesleistung stattfand. Als Collegialmitglied lieferte er nicht bloß gediegene Relationen , — deren Minimalzahl die Geschäftsordnung (das R. G. O. Concept) auf jährlich vier festgesetzt hatte, sondern auch schriftstellerische Arbeiten . welche für das Verständniß des Reichsjustizwesens und des kammergerichtlichen Staatsrechtes als nahezu unentbehrlich bezeichnet werden können. Namentlich gilt dieß von seinem "Staatsarchive des kaiserl. und hl. römischen Reiches Kammergerichts oder Sammlung von gedruckten und ungedruckten actis publicis, Archivalurkunden, kaiserl. Rescripten etc. zu einer historischen Einleitung und Erläuterung der Geschichten, Verfassung etc. des kaiserl. und R .K .Ger. zusammengetragen" . Die ersten vier Theile des Werkes , wozu .o. mit unverdrossenem Eifer das Material aus verschiedenen Archiven sammelte, erschienen 1757 —60 anonym zu Ulm, der 5. und 6. Theil 1767 u. 69 zu Frankfurt unter dem Titel "Geschichte des kaiserl. und R .K Gerichtes unter der Regierung Karl des Fünften etc." Das Staatsarchiv beginnt mit einem geschichtlichen Rückblick auf das 1235 errichtete kaiserliche Hofgericht und berichtet sodann in chronologischer Folge über die in den Zeitraum von 1444 —1558 fallenden Gesetze und Erlasse des Reichskammer-Gerichts, über deren Entstehung und über die wichtigeren Vorkommnisse bei diesem Gerichtshofe. Da somit den abgedruckten Urkunden und Actenstücken ein geschichtlich abgefaßter Vorbericht nebst pragmatischer Erläuterung vorangestellt ist, gewinnt die Arbeit einen exegetischen Charakter. Gesteigerte Thätigkeit erwuchs H. durch die 1762 übernommene Führung des kammergerichtlichen "Pfennigmeisteramtes"
das er unter äußerst ungünstigen Verhältnissen antrat. Die Mittel flossen unzureichend;
die Auszahlung der Gehalte bot Schwierigkeiten. In den Listen war
manch' zahlungssäumiger Reichsstand verzeichnet; die kurböhmischen, die burgundischen,
auch die kurbairischen Rückstände waren hoch angeschwollen. Ein neuer
Assessor konnte erst dann ein Gehalt beziehen, wenn der Besoldungsrückstand
gleich dem der älteren die höhe von 6000 si. erreicht hatte, und blieb daher
meist gegen zwei Jahre ohne jeden Bezug. Harpprecht's eifriger Bemühung gelang
es , wegen jener Ausstände Vergleiche zu erzielen, und eine geregelte Zahlung
der Besoldungen anzubahnen. Der von ihm über "Das Unterhaltungswert
des kaiserl. und R. K. Gerichtes" (1765) erstattete Bericht liefert interessante
Einblicke in das Reichsgerichtswesen und die politischen Zustände jener Tage.
Bei der von 1768 bis zum März 1776 vorgenommenen außerordentlichen Visitation
des R .K .G., welche Kaiser Joseph II. angeregt hatte, leistete H. vermöge
langjähriger Erfahrungen wesentliche Dienste. Als damals auch die Revision
des sogenannten K. G O. Conceptes von 1613 beschlossen wurde, erging an
H. als einen der gründlichsten Kenner der K. G. O. am 8. Januar 1768 die
Aufforderung an der Ergänzung und Verbesserung des ersten Theiles dieses
Conceptes — welcher "Von den Personen des K.-Gerichtes" handelt — mitzuarbeiten.
Sein dem "Visitations-Confeß" am 28. August 1769 übergebenes
Referat bildet eine Hauptquelle für die Kenntniß der innern Verfassung und damaligen
Praxis gedachten Reichsgerichtes und wurde im Wesentlichen im ersten
Bande der von J. Chr. v. Selchow 1782 zu Göttingen herausgegebenen Concepte
der R .K .G .O. abgedruckt. Am 7. Januar 1764 (nicht 1745) war er auf
Anregung des Kammerrichters Grafen Spaur in den Reichsfreiherrnstand erhoben
worden, der sich jedoch nicht forterbte, weil sein einziger Sohn in früher Jugend
starb. Er selbst erreichte ein Alter von 82 Jahren. Nach kurzer Krankheit
endete er am 25. October 1783 sein thätiges Leben und liegt gleich seinem
Vater zu Wetzlar begraben. H. war von mittlerer Größe, untersetzt und hatte
ein lebhaftes, leicht erregbares Temperament, dessen er in den Sitzungen nicht
immer Meister zu werden vermochte. Dagegen erwarben ihm seine unerschütterliche
Rechtlichkeit, sein Diensteifer, sein Wohlwollen aufrichtige Freunde und Verehrer,
und hat er durch das von ihm testamentarisch gegründete Familienstipendium
einen edlen Beweis liebevoller Fürsorge gegeben. Sein von Nilson in
Augsburg 1774 gestochenes Brustbild soll der Aehnlichkeit entbehren.Ein Verzeichniß sämmtlicher Arbeiten Harpprecht's bei Fahnenberg, Litter.
des kaiserl. und R .K Gerichts, Wetzlar 1792, S. 141. 304. 31:8. — Dann
bei Reuß, Beitr. zur neuesten Geschichte der reichsgerichtl. Verf. und Praxis,
Bd. III, ulm 1790, S. 7-62, woselbst auch eine auf Grund eigener Notizen
Harpprecht's zusammengestellte Lebensbeschreibung. — Moser, Neueste Gesch.
der Stts.-R.-Lehre, S. 101. — Pütter, Litter. des d. Stts.-R. II. 151. 488.
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