Name: Ginzel: Vorname: Jakob G.,
— G. zählt in jene Reihe von Künstlern, die Anfang dieses Jahrhunderts in auffälliger Anzahl den nördlichen, zwischen Wald und Bergen gelegenen Gauen Deutschböhmens entwuchsen und sonderlicher Findigkeit und Ausdauer , alle gestellten Hindernisse überwindend , ihr Ziel zu erreichen wußten. Gleich der Mehrzahl von diesen nach Phantasie und Gestaltungsart Romantiker, finden wir ihn periodisch gleichwol unter den Realisten und zwar als ganz vorzüglichen Bildnißmaler. Als Tischlerssohn von vornherein für das Gewerbe des Vaters bestimmt, trotz entschiedener Gegenneigung auch bis zum "Gesellenfreispruche" dabei gehalten; bis dahin blos heimlich in der Bodenkammer während der Feiertagsstunden mit Malen und Zeichnen beschäftigt, ergab sich erst nach dem Befreiungskriege — 1813 — zur Zeit als Wege und Stege im Lande weder mehr die freundlichen, noch feindlichen Truppen besetzt hielten, die erwünschte Freizügigkeit für den mittlerweile zur üblichen Wanderschaft fertig gestellten Handwerksburschen. Wohin es diesen dann gezogen, besagt kurzweg die Mask der Prager Maler-Akademie, in welcher G. zum Schuljahr 1815 als Akademiker eingetragen ist. Eine hierzu gehörige Randbemerkung von der Hand Director Bergler's lautet: "Reiste später nach seiner Vaterstadt, verehelichte sich und lebt noch stets für das Kunstfach" . — Dem in der Familie aufbewahrten Abgangszeugnisse bleibt zu entnehmen, daß G. seine akademischen Studien 1818 abschloß. Die ersten Ausführungen nach der Wiederheimkehr erweisen im allgemeinen nur den Berglerschüler mit Anhaftung aller Eigenheiten des Lehrmeisters in Form und Farbe. Allmählich erst unter Anregung einer Fülle von Aufträgen entwickelte sich G. zu originellem und bedeutendem Schaffen. Zuvörderst dürfte das Porträtiren, für das er jetzt vorwiegend in Anspruch genommen wurde , die geeignete Nachschule gewesen sein , um der akademischen Schablone ledig werden und entgegen dem eklektischen Ausklauben aus gemalten Vorbildern durch den directen Verkehr mit der Natur zu freiem künstlerischen Gestalten gelangen zu können. Bildniß um Bildniß zeigt sich denn auch gleichlaufend mit der zunehmenden Handfertigkeit, jene Ausfassungssicherheit, welche seinen Gemälden den Werth getreuer Spiegelungen gibt von Leuten, wie sie damals leibten und lebten. Die Provinzstadt bot freilich nicht den gleich günstigen Boden für rasches zu Namen kommen , wie schon gewöhnlich die Hauptstädte; wenn G. dennoch unter stillem Weiterempfehlen bis 400 Porträts auszuführen Gelegenheit erhielt, und eine gute Zahl davon heute noch unter die Familienpretiosen eingerechnet blieb , dann unterliegt es kaum einem Zweifel, er habe seiner Zeit genug gethan. Daß übrigens die Anerkennung in dieser Richtung sich nicht allein auf den engen Kreis von Reichenberg beschränkte, dafür spricht schon das in einem Schreiben des dem gräfl. Clam-Gallas'schen Hause attachirten Malers Jos. Quaißer gelegene Zeugniß, welcher unter dem 18. Januar 1822 der Ankunft einiger Porträts von G. auf der Prager Ausstellung gedenkt und aussagt, Director Bergler habe Angesichts derselben geäußert: "sie wären nicht nur brav. sondern sehr gut zu nennen ; es wundere ihn, wie G. in seiner ländlichen Abgeschlossenheit sich also vervollkommnen konnte, um nun als fertiger Porträtmaler dastehen und allenthalben als solcher Auftreten zu können" . Doch im Zusammenhang mit den Wohlstandsstörungen, von welchen die Bürgerschaft der historisch berühmten Tuchmacherstadt anläßlich der Umwandlung des Handbetriebene auf den der Maschine ums Ende der 30er Jahre betroffen wurde, mochte dann auch in der bisherigen Thätigkeit Ginzel's eine Stauung eingetreten sein. In Folge davon dem herkömmlichen Loose des Landmalers verfallen, hieß es jetzt zugreifen, ob es ein Aushängeschild, eine Scheibe fürs Königsschießen, Dorfkirchen- oder Kreuzwegbilder zu malen galt. Glücklicherweise renovirte sich aber gerade im Gedränge mit diesem ungewöhnlichen Allerlei der ursprüngliche Romantiker. Die nächste Periode zeigt ihn vorwiegend als solchen und zwar in einem stetig frischquellenden Reichthum an Talent. Anzumerken gilt es hier noch, daß Jos. Führich in seiner Jugendzeit, ungefähr um 1815, auf Grund des in den katholischen Kreisen seiner Heimatgegend beliebten Brauches, zu Weihnachten in der Familienstube die traditionelle "Krippe" auszustellen , ein Kunstgenre anbahnte, das im Weiterlaufe der Jahre eine ganz merkwürdige Pflege und Ausbreitung gewann. Er hatte eben die Formel gefunden, durch welche das herzige Weihnachtsidyll sowol nach seinem dogmatischen Kerne, wie nach seiner volksthümlichen Umhüllung zur Anschauung kam und zwar mittels einer Art Plastischen Panoramas. — Substituirend für plastische Gestalten, malte Führich die zu verwendenden Figuren in eigenartiger Weise mit sogenannter Deckfarbe (en gouache) auf Doppel- oder Kartenpapier; je nach den äußeren Umrissen ausgeschnitten, rückwärts mit einem Stielholze versehen, eigneten sie sich dann zu jeder beliebigen Aufstellung in Gruppen von anscheinend plastischem Gepräge. Zu allmählicher Erweiterung der anfänglich auf eine Hauptgruppe beschränkten Darstellung — der Stallhöhle mit dem in der Krippe liegenden Jesukinde, mit und Joseph zu Seiten und anbetenden Hirten außenher — wuchs nach und nach um diesen Kern eine Peripherie von Berg und Thal mit Bethlehem und weidenden Heerden, mit dem obschwebenden, das gloria in excelsis auf einem Spruchbande tragenden Engel, ferner noch die Gruppe der hl. 3 Könige hinzu. Als Kunstleistung vorerst nur die Primitive Aeußerung eines talentvollen Autodidacten ging von diesen Führich-Krippen doch bald ein gleichwie heimliches Aufgebot aus an alle keimenden Talente in der Gegend. Und in der That Wurde die Herstellung von Weihnachtskrippen den meisten davon zur ersten künstlerischen Versuchsstation. Anders bei G , der kunstfertiger Hand und von einer bestimmten Idee geleitet, dann in die Mitarbeit eintrat und nicht rastete, bis er die gegebene Formel zur Bedeutung eines eigentlichen Kunstwerkes erhoben hatte. Nach jahrelanger Arbeit am Ziele dieses Bestrebens, brachte er also sein, in der eben angedeuteten Weise ausgeführtes, umfangreiches, ethnographisch und biblisch correct gestaltetes "Bethlehem" — 1889 — in Reichenberg, 1840 in Prag, zur öffentlichen Ausstellung und ehrenvollsten Beurtheilung. Wol in Folge des damit zugleich gewonnenen erhöhten Selbstvertrauens, änderte G. von da ab seinen Lebensplan. Gleichen Grades angeregt von wohlwollenden Aeußerungen
einiger Cavaliere, wie vom wiedergewonnenen Verkehr mit Kunstgenossen,
übersiedelte er in die Landeshauptstadt. Den für alle Fälle sichernden Existenzboden
sollte eine , dem vorhandenen Bedürfniß entsprechende "Allgemeine Lehranstalt
für Zeichnen und Malen" geben und mit dieser nebenbei noch für seine
beiden Söhne eine Etappe geschaffen werden. Doch schon im ersten Jahre in
Trauer versetzt über den Verlust des einen , hatte er bald darauf noch dem
zweiten das Grab zu bestellen. Erschüttert in seiner besten Hoffnung, gramgebeugt,
kehrte G. nun wieder zurück in die Vaterstadt. Bis 1853 in vollständiger
Abgeschlossenheit, entzog ihn dieser auf kurz nur noch ein Mal sein
Ideal — die Krippe, an deren Vervollkommnung er stille weitergearbeitet, sie
mit trefflichen Gruppen von Hirten, weidendem Vieh, nebst prachtvollen Palmen
vermehrt hatte. Uni Weihnachten 1853 signalisiren für weithin überraschend
die Wiener Journale die Anwesenheit Ginzel's in der Residenz, wo im Monta
nuovo Hause das "Diorama von Bethlehem" zur Schau gestellt war. Von
einem zahlreichen Publicum aus den verschiedenen und auch höchsten Kreisen besucht
und gewürdigt; von der Journalistik einhellig als eine originelle Kunsterscheinung
hervorgehoben, liegt das Bedeutendste, was zu Gunsten des Werkes
erfolgen konnte , in der Thatsache, daß Meister Führich selber dafür die Feder
ergriff. Die bezügliche Publication ist zu finden im "Oesterreichischen Volks
freund" Nr. 102 vom 21. Decbr. 1853. Nach der einleitenden höchst sinnigen
Commentirung von Idee und Anlaß der Darstellung Ginzel's nach kirchlicher,
wie culturgeschichtliche Richtung, ist mit Beziehung auf das Formelle dann
aber gesagt: "An der nördlichen Grenze Böhmens, in einer Gegend , wo der
Brauch der Weihnachtskrippe mehr als in anderen Gegenden sich erhalten, unternahm
es der Maler Herr Jak. G. aus Reichenberg, durch Aufstellung einer mit
großer Mühe und Liebe ausgeführten Krippe unter dem Namen: "Diorama von
Bethlehem" , alles Fremde, Unzukömmliche vermeidend, diesen Gegenstand seiner
ursprünglichen Würde , Schönheit und rührenden Kindlichkeit wieder zuzuführen
. . . . In seiner Gemüthsrichtung diesem Gegenstande mit besonderer
Liebe zugewandt, . hat er, auf die katholische Residenz rechnend, eine Krippe im
eigentlichen und besseren Sinne in unserer Mitte aufgestellt, und mir ist es eine
wahre Freude, unsere katholischen Brüder und Schwestern darauf aufmerksam zu
machen, umsomehr, als ich aus eigener Erfahrung weiß, was dieser über allen
Ausdruck liebliche Brauch mir als Kind war und — ich scheue mich keineswegs
es zu sagen — unter grauen Haaren noch ist" . . . . In seiner Bescheidenheit
zufrieden, vor der Neige seines Künstlerwallens noch in der Residenz eine solche
Würdigung gesunden zu haben, kehrte G. nun gerne wieder heim, um anspruchslos
wie sonst sich mit der Alltagsmache des Landmalers zurechtzufinden. Die
Tuchmacher-Stadt, von Periode zu Periode knapper geworden im Wohlstande der
Masse, damit im allgemeinen kunstunfreundlicher, behielt nur etwa noch in den
alten, kernhaften Familien ihre Kunstmäcene, die in erster Reihe dann wenigstens
ihre Familienstube für Weihnachten mit einer von G. gemalten Krippe versahen.
Die fernere Inanspruchnahme als Porträtmaler blieb der bereits in Concurrenz
getretenen Photographie gegenüber. eine vereinzelte. Befähigt unter günstigeren
Verhältnissen, sich den in erster Reihe stehenden Kunstgenossen seiner Zeit bein
zu können, bleibt G. mindestens die Anerkennung, im beengten Rahmen
seiner Stadt und seiner Zeitverhältnisse einer der würdevollsten Kunstrepräsentanten
der Neuzeit gewesen zu sein, dessen Leistungen auf Dauer seinem Namen
eine Ehrenstelle sichern.
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