Name: Gerschom b. Jehuda,
| Begründer des Talmudstudiums in Deutschlands
, geb. in Metz um 960 , gest. in Mainz 1040. Wie er selbst erzählt,
hatte er seine Kenntnisse zumeist seinem Lehrer Sir Leontin (Jehuda b. Meir
Ha-Cohen) zu verdanken , |
der seiner Zeit eine der angesehensten Autoritäten der
Judenheit war. Nachdem er sich mit einer Wittwe , Namens Bona , vermählt
hatte, machte er sich in Mainz ansässig, wo er ein talmudischen Lehrhaus eröffnete,
das von zahlreichen Jüngern aus den verschiedensten Gegenden besucht
wurde. Bald hatte er einen klangvollen Namen sich erworben. Wie einst bei
den babylonischen Schulhäuptern, wurden jetzt, nachdem die Akademien in Sora
und Pumbedita erloschen waren, bei G. gutachtliche Bescheide in religionsgesetzlichen
Fragen eingeholt. Durch das Ansehen, das er sich erworben , war er in
den Stand gesetzt, Anordnungen zu treffen, die für die Dauer als maßgebend
erachtet wurden. Er bestimmte, daß eine Ehescheidung nur mit Einwilligung
der Gattin vollzogen werden könne und verbot die Polygamie. Letzteres Verbot
wurde, trotzdem es in der Ueberlieferung nicht begründet war , so hoch gehalten,
daß ein Uebertreter desselben in der öffentlichen Meinung als ein frecher Mensch
galt, den man verstoßen und aus der Gemeinde ausschließen müsse. Nicht
minder erfolgreich war seine litterarische Thätigkeit. Er erhob zuerst seine
Stimme gegen die Mißhandlung des Talmudtextes durch unberufene Correctoren
und stellte selbst einen Mustercodex der Mischna her, wie er auch der biblischen
Massora ernste Aufmerksamkeit zuwandte. Durch die kurzen und sachgemäßen
Erklärungen, die er zu einzelnen Tractaten des Talmuds schrieb, gab er die
Anregung zu weiteren Arbeiten auf diesem Gebiete. Nicht minder als durch
seine Gelehrsamkeit zeichnete sich G. durch die edle Versöhnlichkeit seiner Gesinnung
aus. Als im J. 1012 , in welchem Kaiser Heinrich II. die Ausweisung
der Juden aus Mainz decretirte , ein Sohn Gerschom's die Taufe annahm und
nachher als Christ verstarb , beobachtete G. die durch das jüdische Gesetz vorgeschriebenen
Trauergebräuche. Seine Duldsamkeit erstreckte sich auch auf alle
diejenigen , die , um sich den Verfolgungen zu entziehen, die Taufe genommen
und nachher in den Schooß des Judenthums zurückgekehrt waren. indem er streng
untersagte, ihnen aus ihrem einstigen Abfalle einen Vorwurf zu machen und
desgleichen denen unter ihnen, welchen einst in der Synagoge die Function des
Priestersegens zukam , dieselbe wieder übertragen ließ. Dem Schmerze über die
Leiden , die damals über die Juden ergangen waren , gab er in seinen in den
Gottesdienst der Synagoge übergegangenen Bußgedichten empfindungsvollen
Ausdruck. Die Nachwelt ehrte sein Andenken , indem sie ihm das Prädicat
die Leuchte der Diaspora" verlieh, das seinem Namen gewöhnlich hinzugefügt
wird.Carmoly, Biographie des Israélites de France 13 —21 ; David Cassel
in Ersch und Gruber's Encyklopädie s. y. Gerschom b. Jehuda; Grätz, Geschichte
der Juden, Bd. 5. S. 405 —407 ; Zunz, Litteraturgesch. d. synag.
Poesie S. 238, 239.
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