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Name: Chiari:
Vorname: Johann Ch.,
eine tüchtige, der jüngeren Wiener geburtshülfichen Schule angehörige Kraft, geb. 15. Juni 1817 zu Salzburg, † am 11. Decbr. 1854 zu Wien an der Cholera.

Nachdem Ch., der Sohn eines Postbeamten. das Gymnasium in Trient von 1827 —33 besucht hatte, wo er sich das Italienische als zweite Muttersprache aneignete, mußte er sich, da er seinen Vater früh verloren hatte, in Wien, wohin er sich mit seiner Mutter begeben, die Mittel zum Studium der Medicin durch Ertheilung von Unterricht in den alten Sprachen verschaffen; unter vielen Entbehrungen gelangte er im December 1841 zur Promotion, wurde im Juli 1842 Assistent an der ersten Gebärklinik unter Klein , und erwarb sich nach Ablauf seiner zweijährigen Dienstzeit und nach weiterer Ausbildung im allgemeinen Krankenhause im März 1847 das Diplom als Operateur. Von nun an wendete er sich ausschließlich der Gynäkologie zu , wozu ihm die ihm übertragene Stelle als Primararzt an der Gebärabtheilung für Zahlende, und an der Station für Frauenkrankheiten reichliche Gelegenheit bot; die Gediegenheit seiner Leistungen auf diesem Gebiete zeigte sich deutlich an dem zahlreichen Besuche, dessen sich seine Vorträge von Seite in- und ausländischer Aerzte zu erfreuen hatten; die Folge seines sich mehrenden Rufes war die im Jahre 1853 eintretende Ernennung zum ordentlichen Professor der Geburtshülfe in Prag; seine Wirksamkeit dort vertauschte er jedoch schon im Herbste 1854 mit derjenigen an der kaiserl. königl. medicinisch chirurgischen Josephs Akademie in Wien, um bald nachher von dem unheimlichen Gaste der Cholera dahingerafft zu werden. Die wissenschaftlichen Leistungen Chiari's sind zum Theil in verschiedenen medicinischen Zeitschriften niedergelegt, hauptsächlich aber in einem Werke enthalten, welches er in Gemeinschaft mit den Professoren Braun und Späth unter dem Titel: "Klinik der Geburtshülfe und Gynäkologie" herausgegeben hat. Mit dieser Arbeit, welche erst nach seinem Tode, 1855 erschien, trat die jüngere Wiener geburtshülfliche Schule zum ersten Male selbständig hervor, und erntete durch die zweckmäßige Art, mit der das colossale Material in einer Reihe von Untersuchungen und Beobachtungen verarbeitet erschien, großen Beifall. Ch. war in hervorragender Weise an diesen betheiligt, der Artikel über Uteruskrankheiten sogar ausschließlich von ihm verfaßt; überall leuchtet durch, daß man es mit einem treuen Schüler des großen Boer zu thun hat, welcher letztere der mißhandelten Natur dadurch wieder zu ihrem Rechte verhalf, daß er den Grundsatz ausstellte: die Geburt des Weibes dürfe in keiner Weise durch voreiliges Einschreiten der Kunst in ihrem regelmäßigen Verlaufe gestört werdenb diesem Principe blieb Ch. treu: obwol er sich durch große Gewandtheit und Sicherheit im Operiren auszeichnete, ließ er sich nie zu einem unmotivirten Eingriffe hinreißen, sondern handelte in ruhiger Ueberlegung nach wohlerwogenen Indicationen.

Prof. Dr. F. C. Schneider, Gedächtnißrede auf Johann Chian, gehalten an der kaiserl. königl. medicinisch-chirurgischen Josephs-Akademie am 1. Jan. 1855.

Hecker.