Name: Tüsch; Vorname: Hans Erhard T.
Wie der Druckort, zeugt auch der Inhalt der kleinen Reimchronik dafür, daß der Poet in Straßburg zu Hause war: die Heimathsstadt, 'des Rheines höchste Kron" , ist die erste, die er in der Reihe der gen Neuß ziehenden Städte nennt; er verweilt gerne bei den Wunderthaten des berühmten Straßburger Geschützes, des Straußes; Maria ruft er an, weil ihr Bild in der Straßburger Streitfahne schwebt. Bei fast all den Ereignissen, von denen er berichtet, waren auch Straßburger Truppen betheiligt: wol möglich, daß T. etwa als Büchsenmeister *) Zeuge vieler der erzählten Zusammenstöße war; jedenfalls interessiren ihn die Belagerungen mehr als die Schlachten. Auch zu Markgraf Christoph von Niederbaden scheint er Beziehungen gehabt zu haben. Er rechnet sich selbst zu den 'Armen Seine Absicht ist, Herzog Karl's von Burgund Uebermuth und Ende darzustellen: mit der Jugend seines Helden beginnt er, mit seinem Tode schließt er. An Lucifer erinnert ihn Karl's Hochmuth; den stolzen Vergleich mit Alexander benutzt T. wieder und wieder, um den Herzog dadurch herunterzudrücken. Angebliche und Wirkliche Greuel werden ihm massenhaft nachgesagt; für das Heroische des verhaßten und gefürchteten Mannes hat der subalterne Gegner gar keinen Sinn. Ihm ist er
das Haupt der Welschen, über die der Deutsche in parteüschem Nationaldünkel
sich erhebt. Seine Parteilichkeit kennt keine Grenzen: was ihm nicht paßt,
z. B. die anfänglichen Mißerfolge der Bundesgenossen vor Blamont, das verschweigt
er; die Zahlenverhältnisse entstellt er tendenziös. Wol möglich, daß
er da vielfach unter der Herrschaft der Legende stand, nicht selbst fälschte. Er
steht die Ereignisse durchaus von niedrigstem Standpunkt an: in ihren Zusammenhang
hat er keinen Einblick. Die Höhepunkte, die Thaten von Neuß, Hericourt,
Blamont, Granson, Murten und Nancy stellt er ohne rechten Uebergang nebeneinander:
daneben wird nur die vielbeschriebene Ermordung Hagenbach's und
die Huldigung der Lothringer vor Karl dem Kühnen zu Nancy, diese wieder
tendenziös gefärbt, ohne starkes Interesse kurz berührt und die Eroberung von
allerlei kleinen und großen Schlössern mit dem Behagen des Betheiligten aufgezählt.
Solche Beschränkung auf die Hauptscenen des Trauerspiels würde Lob verdienen,
wenn das Ganze ein Streben nach künstlerischer Einheit verriethe. Davon aber ist
keine Rede. T. ist ein elender, ungeschickter Darsteller, der den Stoff in Einzelheiten
verzettelt. Wie kläglich schildert er bei aller Ausführlichkeit die berühmte
Belagerung von Neuß! Bei dem Entsatzheer des Kaisers und seiner Ausrüstung
verweilt er in breiten Aufzählungen und Details; von den Schwankungen der
Belagerung selbst weiß er so wenig zu sagen, daß er mit den ihrer letzten
Periode angehörigen Minenkämpfen um das Lombardsloch beginnt, daß er ferner
nur das Bild der abgeschlossenen Wallzerstörung, nicht ihren Fortgang zeichnet.
Das kann sich daher erklären, daß T. erst mit Kaiser Friedrich's Scharen nach
Neuß gekommen sein wird, also nur das Ende vom Liede selbst miterlebte.
Aber auch die äußerst charakteristischen Schlachtenbilder von Granson und Murten
verwischt der Stümper vollkommen. Seine 638 aus gekreuzten Reimpaaren bestehenden
Strophen, die eine gewisse Neigung zur Silbenzählung zeigen und
durch die rohsten Strophenenjambements entstellt sind, quälen sich mühsam vorwärts:
selbst die Parteiwärme wird lau vor den sprachlichen Schwierigkeiten.
Die einzigen, sehr bescheidenen Reize, die man der Darstellung nachsagen kann,
bestehn in einem gewissen Natursinn, der etwa den nahenden Frühling ärmlich
preist oder den Witterungswechsel in der Schlacht zu einem Effectchen zu verwerthen
sucht, und vor allem in den zahlreichen volksthümlichen Bildern und
Redensarten, die durch das Ganze zerstreut sind und die öden Aufzählungen
ein wenig beleben. So ist Sigmund von Oestreich zu Roß 'schnell als im Luft
der Falk ' ; die Kaiserlichen vor Neuß wollen nicht unthätig warten Wie 'ein
lahm Begin '; Hagenbach 'mischt die Karte ', achtet die Freiheit 'wie ein hafen
Scherbe ', 'von seinen eilf Augen er nit kam, bis er den Pfeffer macht zu stark';
eine Geschichte ist wahr 'und nit als ob dies blerrt ein Kalb '; die Angreifer
von Murten bleiben im Graben stecken 'als wär er eitel Vogelleim ' und so
weiter (T. würde 'um Kurtzrung ' sagen: 'etzettra ' ; so im Reim: 'ba'). Ein
untergeordneter Bursche also, dessen Gesinnung und Talent vielleicht für ein
derbes Siegeslied unmittelbar nach der Schlacht ausgereicht hätte, der aber an
der größern Aufgabe kläglich scheitert.Alsatia, hsg. v. Stöber, 1875 —6, S. 340 —451 (Colmar 1876).
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