Name: Tschudi: Vorname: Joh. Heinrich T.,
für den geistlichen Stand gewann. Während 2 ' /2 Jahren studirte er in Zürich und Basel. Nach Basel hatte ihn sein Vater nur ungern ziehen lassen, da er von dem dortigen studentischen Treiben gar bösen Bericht erhalten; der junge T. rief es deshalb vor den Thoren Basels sich und seinem mitreisenden Studienfreunde D. Weiß zu: "Wolle Gott, daß wir nicht schlimmer heraus als jetzt hineingehen" . Er benützte denn auch seine Zeit redlich zur Erweiterung seines theologischen und allgemeinen Wissens, so daß er, trotz schwerer Krankheit, die ihn während längerer Zeit arbeitsunfähig machte, sein Examen (in Basel) mit bestem Erfolg bestand. Mit 22 Jahren wurde er Diacon seiner Heimathgemeinde Schwanden; es erwuchsen ihm aber aus dieser Stellung nicht bloß Freuden, sondern auch ein ziemliches Maaß von Verdruß, vor allem durch Schuld des damaligen hauptpfarrers J. Balth. Pfändler, neben dem es seine beiden Vorgänger nur zwei und drei Jahre ausgehalten. T. seinerseits harrte in seiner dienenden, oft unangenehmen Stellung 27 Jahre aus, bis endlich 1719 Pfändler nach einem Proceß mit seiner Gemeinde seine Pfarrstelle gegen eine Pension vertauschte und T. sein Nachfolger wurde.T. wird uns beschrieben als ein bescheidener und was seine von Wahrheitsmuth zeugenden Schriften kaum verrathen — etwas furchtsamer Mann, der als Kanzelredner sich auszeichnete. In Gesellschaften sprach er wenig; um so mehr schrieb er zur Belehrung seiner Landsleute. Sein Hauptwerk, das bleibenden Werth hat, ist seine 1714 erschienene "Glarnerchronik" , welche nach einer geographischen Beschreibung des Kantons in behaglicher Breite die Landesgeschichte bis zum Jahr 1713 erzählt (am Schluß in einem besonderen Abschnitt den soeben zur Freude des evangelischen Pfarrers für die reformirten Stände siegreich beendeten Toggenburgerkrieg ). "Bisher hatte sich niemand befunden, der nach dem Exempel etwan anderer Geschichtsschreiber bei andern löblichen Cantonen und Orten der Eidgenossenschaft ein Spezialhistorie unsers Vaterlandes zu entwerfen die Mühe genommen" ; um so mehr fühlte sich T. bewogen, zunächst für sich und seine Freunde die Geschichte seines Heimathkantons zu schreiben und dann "nach Aufmunterung zahlreicher Freunde" auch dem Druck zu übergeben: hatte er doch jederzeit die Historie nicht nur als eine anmutige und lustige Wüssenschaft" betrachtet, sondern auch als eine Lehrmeisterin, die uns klug macht, es aber auch seltsam befunden, wenn man über die Geschichte fremder Städte und Länder, nicht aber auch über diejenige der nächsten Heimath Bescheid wüßte. Für die alte Glarnergeschichte war ihm natürlich Aegidius T., dessen Gelehrtenruhm noch kein Wölklein beschattete, unbedingt massgebend; für die spätere Geschichte hat er seinen Stoff mit redlichem Eifer aus den verschiedensten Quellen zusammengetragen; Neid und confessionelle Bedenken scheinen ihm allerdings auch manche Quellen verschlossen zu haben. Der Rath von Glarus sprach ihm öffentlich den Dank für seine fleißige und verdienstvolle Arbeit aus; auch soll jedes Mitglied des Rathes, um den übrigen ein gutes Beispiel zu geben, ein Exemplar gekauft haben. Tschudi's "Glarnerchronik" befindet sich heute noch in manchem Glarnerhause als ein gern gelesenes Buch (es umfaßt 850 seiten).Wenn T. durch seine Chronik sich den wärmsten Dank seiner näheren Landsleute erworben, so hat er es verstanden, durch seine anderen volksthümlichen Schriften auch außer den Marken des Landes Glarus einen ausgedehnten und dankbaren Leserkreis sich zu sammeln. Schon 1704 war, in Basel gedruckt, ein erstes Büchlein von ihm erschienen: "Gemeine Vor Urtheil oder irrige Meinungen und falsche Wähne, womit ungelehrte Christen sich selbst zu betriegen Pflegen" . 1707 folgte "Kurtzer Begriff der Kirchenhistorie alten und neuen Testaments" , 1709 der "Sündennarr" und 1710 das "Gesunde und lange Leben, oder schrifft und vernunfftmäßige Oiäta" . Von Jugend auf, wie er selbst erzählt, schwächlich, weswegen man ihm "zuweilen einen frühen Tod prognostizirt" , wurde er dadurch veranlaßt, "sich zuweilen auf die Arznei Wüssenschaft zu appliziren" , und auf das, was nützlich oder schädlich wäre, Acht zu haben. Durch sein "Gesundes und langes Leben" wollte er den Ertrag seiner Beobachtungen und Erfahrungen auch Anderen mittheilen und gibt er manche treffliche Winke, scheut sich auch nicht, langgehegten Vorurtheilen entgegenzutreten
und, wenn es ihm erforderlich erscheint, selbst dem vielberühmten Galenus zu
widersprechen. So bekämpft er mit den Waffen der Wissenschaft und des Spottes
das damals — und auch noch 100 Jahre später — so schwunghaft betriebene,
auch von manchen Medici "sowohl Gesunden als Kranken" als Universalmittel
empfohlene Aderlassen. Von 1714 an gab er die "Monatlichen 'Gespräche"
heraus, die, gedruckt bei J. Jakob Lindinner in Zürich, "den Lehr und Wißbegierigen
zu erbauender Lust über allerhand geist und weltliche Dinge (in Gesprächen
der Freunde Timotheus, Bibliander und Philaret, etwa auch eines Alexander
und Hektor) Bericht erstatteten und die für die Schweiz das erste Unternehmen
dieser Art bildeten, während sieben Jahren die erste und einzige Zeitschrift der
Schweiz waren. Sie machten Tschudi's Namen weit herum bekannt und beliebt,
überlebten auch die 1721 in Zürich erschienenen "Discourse der Mahlern" und
das 1722 ins Leben gerufene "Bernische Freytags-Blättlein ; sie erschienen
1714 —26 (in zwölf Bänden). Durch einen Artikel über Bruder Klaus (im
Juliheft 1723) hat er vor allem bei den Leuten von Unterwalden gewaltigen Staub
aufgeworden; er hatte zwar dem frommen, friedliebenden Charakter des Niklaus von
Flüe alle Hochachtung bezeugt, dagegen einige Zweifel gegen dessen 20jähriges
Fasten ausgesprochen. Deshalb ließen die Unterwaldner die Schrift öffentlich
verbrennen und setzten einen Preis von 100 Thalern auf des Verfassers Kopf.
Manche Freunde Tschudi's fühlten sich dadurch beleidigt und wollten deshalb
die Angelegenheit vor die Tagsatzung bringen. T. wehrte ihnen ab und
rächte sich seinerseits an den übereifrigen Landsleuten des frommen Einsiedlers,
indem er ihnen in einer Abhandlung des folgenden Jahrganges (" Ueber Schriften,
die man mit Unrecht verbrennt") die Thorheit ihres Thuns vor Augen stellte.Außer den schon aufgeführten Schriften Tschudi's nennen wir noch "Irenicum
Helveticum oder wohlmeinliche Friedens -Erinnerung an sämtliche Herren
Eidgenossen" (1712) und " Summa der Christlichen, Evangelischen Lehr und
Religion (1714). Aus allen seinen Schriften tritt und eine ernste, fromme
Gefinnung, ein offener, der Belehrung stets zugänglicher Geist und rege Vaterlandsliebe
entgegen. Er starb , 59 Jahre alt, am 19. Mai 1729, " treu dem
Glauben, den er gepredigt und in seinen Schriften gelehrt" .Blumer, Gemälde des Kt. Glarus, S. 326. —J. J. Bähler, Festgabe
für die vaterländische Jugend, IV. u. V. Jahrgang. — M. Schuler, Geschichte
des Landes Glarus, S. 275 ff. — Strickler, Hilty's politisches Jahrbuch.
VI, S. 81ff.
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