Name: Siegesmund: Vorname: Justine S.,
Dadurch wurde sie veranlaßt, sich selbst dem Hebammenberufe zu widmen. um ihren Mitmenschen ähnliche Qualen, wie sie sie überstanden, zu ersparen. Wenn von irgend einer Frau gesagt werden kann, daß sie ihres Glückes eigner Schmied gewesen, so ficher von der Siegemundin, welche sich einen eigenen Unterricht verschaffte, durch Bücher und Abbildungen, und von ihrem 25. Jahre an zwölf Jahre hindurch armen Bäuerinnen beistand, bis ihr Ruf immer weiter drang, und sie erst als Hebamme nach Liegnitz und dann durch den Kurfürsten Friedrich Wilhelm als Hof-Wehe-Mutter nach Berlin berufen wurde. Von hier führte ihre Praxis sie bis nach Friesland und Holland. Ihre Erfahrungen legte sie in dem der medicinischen Facultät zu Frankfurt a. O. zur Censur unterbreiteten Werke "Die Kur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter" u. s. w. Cölln a. d. Spree nieder und erhielt von dieser ihre Approbation am 28. März 1689. Dieses Werk hat mehrere Auflagen 1692, 1723 , 1756 — die letzteren unter dem Titel: Die Königl. Preußische und Kurbrandenburgische Hofwehemutter — erlebt und wurde schon 1691 von Cornelis Solingen in das Holländische übersetzt. Es enthält nur Originalabbildungen, welche in mancher Beziehung besser sind, als die der damaligen
Hebammenlehrbücher von Rößlin und Rueff. Sie schildert den Verlauf
der Geburten trefflich, weiß auch, daß Gesichts und Beckenendlagen ohne Kunsthülfe
gut enden können; sie giebt genaue Schilderung der Untersuchungen,
beschreibt die Wendung auf die Füße sehr gut; sie erfand ein Stäbchen zum
Einführen von Wendungsschlingen; kannte auch bereits das Einleiten des vom
Beckeneingang abgewichenen Kopfes durch innere Handgriffe und empfahl bei dem
vorliegenden Mutterkuchen eine Behandlung, welche noch heutigen Tages oft
mit Glück ausgeführt wird. In einem Streit mit dem Professor A. Petermann
in Leipzig, welcher ihre Encheiresen absurde nannte, trat die Frankfurter Facultät
auf ihre Seite. Zwar waren ähnliche Hebammenlehrbücher, wie das ihre, in
Form von Fragen und Antworten zwischen zwei Hebammen geschrieben, schon
früher erschienen, so von der Margarethe du Tertre 1677 , aber sie waren weit
unter dem Werke der Siegemundin stehend, obwohl die du Tertre als Lehrerin
im Hotel Dieu jedenfalls bei weitem mehr Gelegenheit hatte, Erfahrungen zu
sammeln, als die nur Privatim Prakticirende S.Siebold, Versuch einer Geschichte der Geburtshülfe II, 201 —205. —
F. B. Osiander, Lehrbuch der Entbindungskunst. I. Theil: Geschichte. Göttingen
1799. S. 178.
|