Name: Schweinichen: Vorname: Hans v. S.,
S. genoß den ersten Unterricht in der Schule des Dorfschreibers des Stammgutes Mertschütz (Kreis Liegnitz) , kam 1562 als Studiengenosse des jungen Herzogs Friedrich IV. nach Liegnitz, diente gleichzeitig dem auf dem Liegnitzer Schlosse in Haft gehaltenen alten Herzog Friedrich III. als Page, besuchte 1566 auf ein Jahr die Goldberger Schule und begleitete alsdann während mehrerer Jahre seinen Vater auf den Dienst und Hofreisen, um darauf selbst in die Dienste Herzog Heinrich XI. von Liegnitz, zunächst als Kammerjunker, zu treten. S. wurde nun ein unzertrennlicher Begleiter und treu ergebener Diener dieses verschwenderischen, unruhigen und abenteuerlichen Herzogs auf dessen vielfachen Irrfahrten ins Reich, nach Polen, Böhmen und durch die schlesischen Lande und übernahm das bei der wüsten Wirthschaft und großen Schuldenlast seines Herrn höchst schwierige und undankbare Amt eines fürstlichen Marschalls und Hofmeisters, welches ihn mit der Leitung des Hofhaltes, zugleich aber auch mit den unablässigen Sorgen und Mühen um Aufbringung der hierzu erforderlichen Geldmittel betraute. S. verstand dies nun in ausgezeichneter Weise und erwarb sich hierdurch in seinen Kreisen bald weithin Ruhm, welchen er noch durch seine geschickten Arrangements der bei der fürstlichen Familie vorfallenden feierlichen Ereignisse jeglicher Art mehrte. Obgleich Herzog Heinrich die treue Ergebenheit Schweinichen's vielfach mit Undank lohnte und ihn in seine Schuldenlast sogar durch unlautere Mittel hineinverstrickte, so hielt S., trotzdem ihm lockendere Stellungen wiederholentlich angeboten wurden, dennoch unentwegt bei seinem Herrn bis zu dessen auf kaiserl. Befehl am 12. Aug. 1581 zu Prag erfolgten Gefangennahme aus. Die nächsten Jahre verbrachte S. als Landwirth auf gepachteten Gütern, da er das Stammgut Mertschütz wegen der darauf haftenden Schulden nicht hatte halten können, in ziemlich trübseligem Zustande, obgleich er kein untüchtiger Landwirth gewesen sein kann, wie er doch jedes Jahr sorgsam die Getreidepreise verzeichnete; aber der ihn fortwährend heimsuchende Besuch von Seiten seiner Freunde und Verwandten und die damit verbundenen Gastereien zehrten die Erträgnisse bald wieder auf. Deshalb nahm er nicht ungern nach Herzog Heinrich's Tode 1588 das Anerbieten des jüngeren Bruders, Herzog Friedrich IV., in seine Dienste zu treten an. Dieser war ihm zwar früher wegen seiner Treue und Anhänglichkeit an den älteren Bruder sehr abgeneigt gewesen, hatte aber mittlerweile Schweinichen's Rechtschaffenheit, Hingebung an das fürstliche Haus und Befähigung zum Leiter des herzoglichen Hofhaltes kennen und würdigen gelernt. Trotz vieler Anfeindungen und Verdächtigungen bewahrte S. sich des Herzogs Vertrauen bis zu dessen 1596 erfolgtem Tode und war n 'ben seinen Obliegenheiten als Hofmeister auch in der Eigenschaft als fürstlicher Rath in den mannigfaltigsten Regierungsangelegenheiten vielfach thätig. Diese Stellung als Liegnitz'scher Rath behielt er auch unter seinem neuen Herrn Herzog Joachim Friedrich von Brieg, bei dem er in großer Gunst stand, und war ein eifriges und angesehenes Mitglied der Regierung, während er seines Amtes als Marschall und Hofmeister dadurch überhoben war, daß Joachim Friedrich seine Residenz in Brieg beibehielt. Auch diesen sah er 1602 in das Grab sinken, und unter der nun eingesetzten vormundschaftlichen Regierung hat S. bis zu seinem am 23. Aug. 1616 erfolgten, eigenen Tode seines Amtes gewaltet. S. ist zweimal verheirathet gewesen, das erste Mal von 1581 —1601 mit Margaretha von Schellendorf, zum zweiten Mal bald nach dem Ableben der ersten Gattin mit Anna
Maria von Kreiselwitz, welche ihn überlebte und, da S. keine eheliche Nachkommenschaft
hinterließ, sein Haupterbe wurde. Sein Lebenlang hat S., obwohl er
ein guter Rechner und ziemlich sorgsamer Haushalter war, infolge der von
ihm übernommenen Verbindlichkeiten und der immer von neuem vermöge seiner
Gutherzigkeit für andere geleisteten Bürgschaften mit Schulden zu kämpfen gehabt,
aber schließlich war es ihm, wie seine Vermächtnisse beweisen, doch gelungen,
sich zu einem gewissen Wohlstand emporzuarbeiten, und zwar nach seinem eigenen
Bekenntniß im Testament, durch Handel mit Gütern und durch fürstliche Gnadenerweisungen,
vornehmlich von Herzog Joachim Friedrich .- — Schon in jungen
Jahren hatte sich S. vorgenommen, wie er selbst schreibt, seine Lebensschicksale
und was ihm sonst Merkwürdiges begegne, aufzuzeichnen. Dieser Plan wird
sicherlich in ihm entstanden sein, als er in fürstliche Dienste trat. Wohl von
1568 an datiren seine zuerst jährlichen und dann täglichen Aufzeichnungen unter
Zurückgreifung auf seine früheren Erlebnisse; dieselben brechen mit dem Ende des
Jahres 1602 ab, sind aber höchst wahrscheinlich von S. weiter bis kurz vor seinem
Tode geführt worden. S. selbst hat die uns erhaltenen Aufzeichnungen in 3
Bücher eingetheilt. Welche Gesichtspunkte ihn bei dieser Abgrenzung geleitet, zeigt
der Anfang des zweiten und des dritten Buches. Es geht ferner daraus hervor,
daß S. seine Eintragungen fast gleichzeitig oder doch vor Jahresfrist gemacht
hat. Durch diese Unmittelbarkeit der Anschauung wirken sie dann aber auch
anziehend und gewähren nach anderer Richtung vielfachen Reiz, den ein späteres
vollständiges oder auch nur Partienweises Ueberarbeiten verlöscht hätte. Frische
der Anschauung, eine heitere, zum massiven Genuß zwar neigende, aber doch nicht
leichtfertige Lebensfreude, verbunden mit urwüchsigem Humor und einem offenen
klaren Blick zeichnen die größere Hälfte seiner Autobiographie aus, allmählich
tritt dann allerdings ein Ermatten unverkennbar hervor, seine gerade für uns
wichtigen Glossen werden immer seltener, und schließlich wird sein Tagebuch eine
trockene und dürftige Anführung seiner täglichen Beschäftigung, nur daß die
Trünke und Rausche noch immer gewissenhaft notirt werden. S. war ein strenggläubiger,
aber nicht unduldsamer Lutheraner, dessen immerhin mangelhafte Bildung
durch einen offenen Kopf und gute Charakteranlagen ersetzt wurde; war sein
Gesichtskreis auch nur ein begrenzter, sodaß er vieles nicht gesehen hat, dessen
Darlegung uns heute gerade interessiren würde , wie man bei ihm auch über
Fragen aus der hohen Politik keine Auskunft suchen darf, so hat er doch manche
gute Beobachtung auf seinen vielen Reisen gemacht und seine Angaben werfen
recht interessante Schlaglichter auf die religiösen, sittlichen, politischen und
socialen Zustände seiner Zeit. Schließlich noch ist sein Tagebuch eine wahre
Fundgrube für den Genealogen. Herausgegeben wurde Schweinichen's Autobiographie
zuerst von Büsching unter dem Titel: Lieben, Lust und Leben der Deutschen
des sechzehnten Jahrhunderts ., 3 Bde. , Breslau 1821/23 in unvollständiger
und mangelhafter Weise; dann von Oesterley: Denkwürdigkeiten des Hans von
S. in 1 Bd., Breslau 1878 , in zwar verbesserter, aber noch nicht genügender
Form; die Einleitung daselbst gibt u. A. auch eine Zusammenstellung der noch erhaltenen
Handschriften. Eine populär gehaltene Ueberarbeitung bis zur Gefangennehmung
Herzog Heinrich's XI. reichend gab Ernst von Wolzogen, Leipzig 1885,
heraus. Außer dieser Autobiographie hat S. augenscheinlich unter Zugrundelegung
derselben ein Leben Herzog Heinrich's, zum guten Theil eine Ehrenrettung, verfaßt,
herausgegeben von G. A. Stenzel in Script. rer. Silesiacarum, Bd. IV; endlich hat er
noch, da es ihm als fürstlichem Marschall von Wichtigkeit sein mußte und ihm
auch an sich viel Interesse bot, die "Prozesse" der Freuden- und Trauerfeste,
die er erlebt oder selbst geleitet hat, zusammengestellt und abschreiben lassen.
Diese Arbeit harrt noch der Veröffentlichung.
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