Name: Rugge: Vorname: Heinrich v. R.,
Wir besitzen von ihm einen religiösen Leich, der zum Kreuzzug auffordert und offenbar entstanden ist, bald nachdem die Nachricht vom Tode Friedrich Barbarossa's in
Deutschland bekannt geworden war, d. h. frühestens November 1190. Dieser
Leich ist durchweg rein gereimt. Man darf daher diejenigen Lieder Rugge's,
welche noch unreine Reime enthalten, für älter erklären. — R. stand in hohem
Ansehn bei seinen jüngeren Kunstgenossen: ihn preisen Heinrich vom Türlein,
der Marner, Reinmar von Brennenberg; unter den berühmtesten Leichdichtern
führt ihn an der von Gliers. — Die Ueberlieferung hat Lieder Rugge's mit
denen Reinmar's des Alten vermischt, und trotz vielfacher Bemühungen ist eine
völlig sichere Vertheilung des beiderseitigen Eigenthums bisher nicht geglückt.
Wird dadurch die Charakteristik des Dichters erschwert, so läßt sich doch als
Grundzug seiner poetischen Art eine Neigung auf das Schlichte und Klare, aufs
Volksthümliche, auf Lehrhaftigkeit erkennen. Seine Syntax zeigt die einfachste
Bewegung: Parataxe, Mangel an copulativen und adversativen Partikeln, knappe
Schlußsätze, Asyndeten geben seinem Stil fast etwas Abgerissenes. Er liebt
sinnliche und drastische Wendungen, die streng höfische Dichter vermeiden, Hyperbeln,
Sentenzen zum Theil biblischen Ursprungs, Vergleiche und Bilder,
sprichwörtlichen und formelhaften Ausdruck. Allitteration. Sein Leich, der durch
die Gedanken der Kreuzpredigt beeinflußt ist, ohne daß bisher directe Muster
nachgewiesen wären, zeichnet sich durch Gedrungenheit und Wucht aus, aber er
wendet sich mehr an die Vernunft als an das Gefühl, er sucht mehr zu überzeugen,
als zu entflammen. R. versetzt hier lebhaft in die Lage des Redners,
des Predigers und sucht die Hörer durch nachdrückliche Anreden heranzuziehen.
Seine Minnelyrik bewahrt noch vielfach die alte volksmäßige Tradition: einige
seiner Gedichte sind einstrophig; er gebraucht den typischen Natureingang. Er
hat ein Frauenlied im alten Stil und mehrere Dialoge gedichtet. In den
meisten seiner Lieder kommt eine heitere Stimmung, eine frische Lebensfreude,
eine helle Auffassung der Dinge zu Worte. Von allen Dichtern hat Heinrich
von Veldeke am meisten auf ihn gewirkt: ihm ist er verwandt durch eine ähnliche
Mischung von Natürlichkeit und Nüchternheit; mit ihm theilt er den Anschluß
an die volksthümliche Tradition, die Verwendung des Natureingangs
und typischer Formeln; gleich ihm geht er aber dabei doch die Bahn der höfischen
Minnepoesie. Wie Veldeke hat er spruchartige Strophen lehrhaften Inhalts
gedichtet, wie Veldeke liebt er Wortspiele, Annominatio, Responsion, inneren
Reim.v. d. Hagen, Minnesinger I, 220 ff.; III, 468a ff., 611 f.; IV, 158 f. —
Des Minnesangs Frühling (hrsg. von Lachmann und Haupt) Nr. XIII. —
Bartsch, Deutsche Liederdichter, Nr. X. — E. Schmidt, Reinmar von Hagenau
und Heinrich von Rugge, Straßburg 1874. — Paul, Beiträge II, 487 ff
Wilmanns, Anzeiger für deutsches Alterthum und deutsche Litteratur I, 149 ff.
Burdach, Reinmar der Alte und Walther von der Vogelweide. Leipzig
1880, S. 43, 56, 78, 81, 84, 93, 190 ff., 198, 224 — R. Becker, Der
altheimische Minnesang. Halle 1883, S 13 ff. (vgl. Burdach, Anzeiger
X, 19 ff.). — Wolfram, Zeitschrift für deutsches Alterthum 80, 89 ff. —
Grimme, Germania 32, 368.
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