Name: Rost,
| Minnesänger. Die Pariser Liederhandschrift, welche seine Gedichte
überliefert, nennt ihn Rost Kirchherr zu Samen und in der Vorschrift Her
Heinrich der Rost mit dem von anderer Hand geschriebenen und daher weniger
authentischen Zusatz: schriber. |
Da seine Dichtungen den Stempel der Spätzeit
des Minnesangs tragen, darf man ihn für den Sarner Kirchherrn und Züricher
Chorherrn halten, der seit 1316 mehrfach urkundlich nachweisbar ist und am
21. December 1330 starb. Offenbar gehörte er dem Zürcher Geschlechte der
Edlen von Rost an. — Seine Lieder haben einen ausgeprägt höfischen
Charakter. Die besten Muster der Blüthezeit des Minnesangs haben ihn gebildet.
Er bewegt sich aber nur auf einem sehr engen Gebiet von Gedanken
und poetischen Formen. Et pflegt ausschließlich das minnigliche Gesellschaftslied
der adligen Kreise, wie es von Reinmar und Walther ausgebildet ist, und
bleibt gleich der Mehrzahl der schweizerischen Minnesänger von Einflüssen der
spielmännischen Lyrik wie der höfischen Dorfpoesie gänzlich frei. Von seinen
neun Liedern beginnt er fünf mit dem typischen Natureingang, in der hergebrachten
Art die eigene Empfindung mit der Jahreszeit und den Stimmungen
der Gesellschaft bald in Parallelismus setzend, bald contrastirend. Er versichert
wiederholt seine Teeue und Beständigkeit, er lobt in wenig charakteristischen
Worten die Schönheit der Geliebten, er wendet sich an sie mit der Bitte um
Erhörung oder redet ihren rothen Mund an, der ihm, dem weder Vogelsang
noch Blumenglanz noch der Thau auf den Auen helfen kann, durch einen Kuß
Heilung bringen solle. Auch die Minne ruft er zu Hülfe. Nur eins dieser
Lieder mit Natureingang richtet sich direct an die Hörer, zur Frühlingslustigkeit
auffordernd und nähert sich dadurch dem Tanzlied der alten typischen Form.
Die übrigen vier Lieder, welche sich allein mit der Innenwelt beschäftigen,
halten sich in der Bahn Reinmar's: eins zumal ergeht sich ganz wie dieser in
einem Spiel von Gedanken und Empfindungen, die auf und ab schwebend sich
durchkreuzen. Das originellste Lied ist eine Allegorie: er hat sein Herz und
Gemüth und seine Sinne bei der Dame als Pfand versetzt; er vermag sie nicht
auszulösen; die Frau Minne soll Frist erwirken, daß die Pfänder nicht verfallen.
Sonst findet man wenig eigenartige Züge; gelegentlich erfreut er durch
eine individuelle Wendung: so sagt er einmal, sein Herz hüpfe vor Freude, als
habe wie ein Knabe ein Nest voll Vöglein gefunden, und ein andermal gedenkt
er in einer Frühlingsschilderung der sonst selten von den Minnesängern
erwähnten "freien Lerche in den Lüften hoch , wie übrigens auch sein Landsmann
und Zeitgenosse der von Buwenburg, der die vrigemuote lerche beklagt.
Man muß an unserm Dichter rühmen, daß er sich zu einer Zeit, wo die Stillosigkeit
und Geschmackwidrigkeit in die Lyrik eindrang, einen reinen Stil, einen
nicht charakteristischen aber dafür auch von Gespreiztheit freien Wortschatz bewahrt
hat. — In formaler Beziehung fällt besonders auf, daß alle seine Lieder
dreistrophig sind. Diese Eigenthümlichkeit theilt er mit seinen Landsleuten
Meister Heinrich Teschler, dem von Buwenburg, Albrecht Marschall von Raprechtswile.
Auch die Neigung, einen oder mehrere Reime durch Stollen und Abgesang
durchzuführen, ist ihm mit den ersten beiden gemeinsam. Gleich vielen seiner
Landsleute liebt er den Refrain und daktylischen Rhythmus.v. d. Hagen, Minnesinger II, 131 ff; III, 678 ff.; IV, 443 ff. —
Bartsch, Die Schweizer Minnesänger, Frauenfeld 1886, S. CCX ff., 392 ff.,
470 f. (mit falschem Todesjahr). — Grimme, Germania 33, 446 f,
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