Name: Rath: Vorname: Karlmann R.,
| geb. zu Bamberg, legte im Kloster der Benedictiner
bei St. Michael daselbst die Profeß ab, Dr. theol., 1773 Professor der Kirchengeschichte
und des Kirchenrechts an der dortigen Universität. Nähere Lebensnachrichten
waren nicht zu ermitteln. "Brevis discussio quaestionis, an princeps
possit sine praevia pontificis consensu generalem amortizationis valide statuere
legem?" o. O. 1759 (verneint sie). |
— "Relatio brevis critico-historica de ortu et
progressu juris canonici tum veteris tum recentis CUIt! annotationibus in articulis
Pacis Westphal. forum canonicum attingentibus." Bamb. 1766. 4.Weidlich, Biogr. Nachrichten, III, 248. Ratherius. Obgleich er gewöhnlich nach dem von ihm mehrmals eingenommenen
Bischofssitze R. von Verona genannt wird, war er ein Deutscher.
Er wird im Jahre 890 oder bald darauf in oder bei der Stadt Lüttich geboren
sein und gehörte einem edlen Geschlechte an. Als Kind schon wurde er dem
Kloster Lobach an der Sambre im Hennegau übergeben. Da fand und benutzte
er die Gelegenheit, sich anzueignen, was noch von Gelehrsamkeit aus der karolingischen
Zeit übrig geblieben war. Darin erwarb er sich bald einen guten
Ruf; er fühlte sich aber überhaupt zu Glanz und Ehren berufen und ließ sich
im Jahre 926 verleiten, auf Abenteuer auszugehn. Hilduin, ein unglücklicher
Prätendent des Lütticher Bisthums, der sich eine Zeitlang wenigstens in Lobach
als Abt zu erhalten gesucht hatte, nahm ihn mit sich nach Italien. König
Hugo, ein Vetter Hilduin's, machte diesen zum Bischof von Verona und später
zum Erzbischof von Mailand. R. hatte das Versprechen erhalten, er sollte dem
Hilduin im Bisthum von Verona nachfolgen; es ist ihm aber schwer geworden,
sich diese Nachfolge gegen den Willen des Königs zu ertrotzen. Er wurde 931
wirklich Bischof von Verona. Da verfeindete er sich aber alsbald seine Umgebung,
besonders die gesammte Geistlichkeit, und seine Theilnahme an einem
Treubrüche gegen den König machte ihn seines Bischofstuhles wieder verlustig.
Er wurde nach Pavia gebracht und dort in einem Thurme in strenger Haft
gehalten. Tief gedemüthigt verließ er nach einigen Jahren sein Gefängniß,
um nach Como überzusiedeln, wo er vom Bischofe überwacht wurde. Von da
ist er im Jahre 939 nach Südfrankreich entwichen. Voraus hatte er eine in
der Gefangenschaft verfaßte Schrift geschickt. Sie ist in sechs Bücher getheilt
und führt den Namen Praeloquia. Sie bespricht mit gelehrter Benutzung kirchlicher
Schriftsteller die Christenpflichten eines jeden Standes, aber erzählt auch
von dem traurigen Geschick ihres Verfassers und von der Bosheit seiner Feinde.
R. hatte gehofft, sich dadurch die Zuneigung und die Hochachtung mancher einflußreicher
Männer in Frankreich und in Lothringen zu erwerben; aber er hatte
sich darin getäuscht. Er kam in eine sehr elende Lage und mußte dankbar dafür
sein, daß ihn ein reicher Mann in der Provence zum Lehrer seines Sohnes
bestellte. Für ihn schrieb er das verloren gegangene Buch, welches er Sparadorsum
betitelte und welches grammatische Regeln enthalten zu haben scheint.
Derselbe Wohlthäter verschaffte ihm auch eine kirchliche Pfründe; aber er sehnte
sich wieder nach seiner Heimath, wo er sich gewiß auf ein höheres Ansehen, als
er früher gehabt hatte, Rechnung machte. Er kündigte sich den Mönchen seines
Stammklosters durch eine ihnen gewidmete Heiligenlegende "Vita Sancti TJrsmari"
an und erklärte, bei ihnen sein Leben in Ascese beschließen zu wollen.
Etwa im Jahre 944 war er wirklich wieder daheim. Da behagte es ihm aber
gar nicht und, als man ihm Kunde davon brachte, daß König Hugo ihn jetzt
gern bei sich haben möchte, um ihm Gutes widerfahren zu lassen, reiste er alsbald
wieder nach Italien. König Berengar war es nun, der ihn erst gefangen
nahm, dann aber wieder frei ließ und ihn an Stelle des verdächtig gewordenen
Besitzers des Bischofsstuhles von Verona zum Bischofe dieser Stadt machte. Es
war im Jahre 946, daß R. zum zweiten Male auf diesen Platz gelangte. Er
konnte ihn diesmal nicht volle zwei Jahre behaupten. Verachtet und verhöhnt,
sehnte er sich selbst wieder hinweg. König Lothar befahl, daß er sein Bisthum
zum zweiten Male demselben dort einheimischen Nachfolger überlassen sollte, und
R. verschwand im Jahre 948 eilends aus Italien, wohin er freilich sehr bald
darauf mit Liutulf, dem Sohne Otto's des Großen, zurückkehrte, um sich durch
ihn an seinen Feinden zu rächen. Aber Liutulf's Zug schlug fehl, und der ihm
bald nachfolgende König Otto ließ sich nicht bewegen, die Veroneser durch die
Wiedereinsetzung Rather's gegen sich aufzubringen. Tief gedemüthigt durch diese
factische Gutheißung seiner früheren zweimaligen Absetzung kehrte er im J. 951
nach Deutschland zurück. Er schrieb zwar heftige Protestationen an den Papst,
an alle Gläubigen und an seine Mitbischöfe, aber unterdrückte sie wieder und
zog in der Absicht, da bis zum Tode auszuharren, wieder in Lobach als Mönch
ein. Um ihn als politisches Werkzeug zu gebrauchen, rief ihn schon im Jahre 952
König Otto an seinen Hof unter die gelehrten Kleriker, welche um seinen Bruder
Bruno versammelt Waren, und schon 953 wurde Bruno Erzbischof von Köln
und R. Bischof von Lüttich. Er sollte die Stürme beschwichtigen helfen, Welche
damals Lothringen verwüsteten, aber er war dazu durchaus ungeschickt. Er gerieth
bei Freunden und Feinden in Verachtung. Beide ihm befreundete Erzbischöfe
von Köln und von Trier gaben ihn auf. Ostern 955 nahm ein Anderer
seinen Bischofstuhl ein. R. gerieth in die heftigste Aufregung und verfaßte
wieder leidenschaftliche Protestationen, von welchen neuerdings Dümmler ein
Stück aus einem Berliner Codex veröffentlicht hat (Neues Archiv IV, 177).
Erzbischof Wilhelm von Mainz bewog ihn endlich, sich zu beruhigen und sich
mit der Stelle des Abts von Alna, einem kleinen von Lobach abhängigen
Klosters, zu begnügen. In der Meinung. nun auf alle Macht und Ehre in
der Welt auf immer verzichtet zu haben, gab er sich geistlichen Studien hin.
Er beschäftigte sich mit dem Buche des Paschasius Radbertus de corpore et
sanguine Domini und machte die Lehre von der Wandlung der Abendmahlselemente
von neuem zum Streitgegenstand. Dahin gehört seine epistola ad
Patricum und seine confessio, in welcher es ihm natürlich wieder hauptsächlich
um seine eigene Selbstdarstellung zu thun ist. Nur zu bald dachte er wieder
an Glanz und Herrschaft. Er wollte wieder in Lüttich eingesetzt oder doch zum
Abte von Lobach erhoben werden. Er wurde aber bei der neuen Besetzung dieser
Aemter unbeachtet gelassen und durfte dafür dem König Otto im Jahre 961
nach Italien folgen, wo er zum dritten Male auf den Bischofstuhl von Verona
erhoben worden ist. Da blieb er bis 968. Bis dahin hatte er außerordentlich
viel Feindschaft, Haß, Verfolgung und Verachtung zu erfahren. Zur Herstellung
seines Ansehens, aber auch zur Verbesserung der Lage der niederen Kleriker und
zur Reformation kirchlicher Verderbniß schrieb R. damals die größere Zahl seiner
Schriften, deren Manuscripte noch in Verona zu finden sind, nämlich Qualitatis
conjectura, Synodica, Itinerarium, Discordia, De contemtu canonum, Judicatum
und andere. In Folge eines besonderen Gerichtes, welches der Kaiser durch
einen Stellvertreter in Verona hatte halten lassen, mußte R. zum dritten und
letzten Male weichen. Er hatte sich reichlich beschenken lassen, und man nahm
den nun wohl 78jährigen Greis in der Heimath freundlich auf; man überließ
ihm auch von neuem das Kloster Ätna; aber das Alles genügte ihm nicht, er
verschaffte sich um Geld andere Abteien und bemächtigte sich des Klosters Lobach
mit Gewalt. Von da wieder vertrieben, begab er sich zum Grafen von Namur,
bei welchem er am 25. April 974 starb. Man hätte unsern R. niemals in
den Catalogus testium veritatis aufnehmen sollen. Sein kirchlicher Eifer hat
wenig zu bedeuten gehabt und ist durch die auffallenden Mängel seines eigenen
Wesens ganz werthlos geworden. Aber wegen seines mehrfachen, freilich sehr
unwichtigen Auftretens in der Geschichte Deutschlands und Italiens im zehnten
Jahrhundert und wegen seiner Beiträge zur Litteratur dieser Zeit wird man sich
wieder und wieder mit ihm beschäftigen müssen. Das haben die Historiker und
Dogmenhistoriker auch immer gethan, die wir hier nicht nennen wollen. Seine
Werke sind von den Brüdern Peirus und Hieronymus Ballerini (Verona 1765,
1 Band in Folio) in ganz vorzüglicher Weise herausgegeben worden. Ein Abdruck
davon steht in Migne's Cursus Patrologiae T. CXXXVI. Ueber ihn schrieb
der Unterzeichnete: R. von Verona und das zehnte Jahrhundert (2 Theile.
Jena 1854) und den betreffenden Artikel in Herzog's protestantischer Realencyklopädie.
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