Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[787]

Peter Rümeli an
Bullinger
Frauenfeld,
7. April [1536]

Autograph: Zürich StA, E II 441, 51 (Siegelspur) Ungedruckt

Die Ankündigung seiner Absicht, das Pfarramt [in Frauenfeld] wie mit Bullinger besprochen niederzulegen, da sich [die Reformierten] zu wenig für ihre Belange einsetzen, hat großes Bedauern ausgelöst, und er wurde mit vielen Versprechungen zum Bleiben gedrängt. Weil sie nun dem Vorhaben der Katholiken, weitere Altäre zu errichten, entschlossen entgegentraten und auch in der Schulmeistersache an die Tagsatzung gelangen wollen, ist er bereit zu bleiben, bittet aber um das Einverständnis der Zürcher. Grüße. Bullinger kann das Antwortschreiben Andreas Müller mitgeben.

Gnad von gott und unserem herren Iesu Christo.

Besonder lieber herr und bruder in Christo Iesu, als ich in kurtzverschinen 2 tagen, miner gwisne 3 und kilchen halb a beschwärt 4 , by üch radt gesucht und funden hab 5 , namlich, wo ich nit mochte grösseren flyß, gneigteren willen gegen den armen, irer b juget und dieneren des worts spüren 6 , so möchte mit guter consciens hinwäg ziehen, sy es mit einem anderen lassen versuchen oder gantz hungerig nach gottes wort lassen werden; doch vor Ioannis 7 solte ich nit wegzühen. Sollichs han ich inen einfältig furgehalten und min meinung gegen inen anzeigt; darab sy ein turen 8 gehebt hand und vylycht vermeint, ich wölle das crütz schühen 9 oder um anderer ursachen willen, jetz nit not zemelden, von inen stellen 10 , und mich also flysig zum anderen mal durch frum biderb lüt bätten, ich solle nit von inen wychen; sige irenthalb etwas bißharr versumpt oder hinlässig gehandlet die armen und jugent betreffende, sy wellents mit flisigem umbsähen furohin erstatten und alle ding, besonder das die eer gottes und gmeinen nutz der iren antreff, by zyten lut des landfriden 11

a halb über der Zeile nachgetragen.
b irer über der Zeile nachgetragen.
1 Der Brief gehört ins zweite der beiden Frauenfelder Jahre Rümelis (vgl. HBBW III, S. 135, Anm. 1), ins Jahr 1536, da Ostern offensichtlich noch bevorsteht (vgl. Z. 22f. 41); im Jahr 1535 fiel Ostern auf den 28. März.
2 vor wenigen (SI VIII 828).
3 meines Gewissens.
4 belastet.
5 Rümeli bezieht sich wohl auf ein persönliches Gespräch mit Bullinger in Zürich.
6 Zu den Streitigkeiten der Katholiken und
Reformierten um die Pfründen in Frauenfeld, besonders um die Schulmeisterstelle, vgl. Knittel, Kirche 98-103, sowie oben Nr. 717, 5-17, und 723, 13-22.
7 24. Juni.
8 Bedauern (SI XIII 1303).
9 die Mühe, Not scheuen (SI III 939f).
10 von ihnen wegziehen wollen (Grimm X/II 2 2254).
11 Gemeint ist der Friedensvertrag von 1531, der im 2. Artikel die konfessionellen Verhältnisse in den gemeinsamen Herrschaften regelte; vgl. EA lV/1b 1568f (Vertrag zwischen den V Orten und Zürich vom 20. November).


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handlen und fursehen c ; doch so wettend sy gern etwan 12 iren armen, der unverständigen juget, iren dieneren des gottlichen worts hilflich sin, wo sy es vermöchtind. Sy mögends aber nienahin bringen fur sich selbs 13 , diewyl unsere herren, Zurich und Bern, deren sy sich solten trösten 14 , inen in irem christlichen furnämen nit hilflich sigind. Sy wellind aber als arm lüt mit der hilf gottes by der warheit bston 15 und trulich handlen.

Es hat aber unser widerpart 16 meer d altär, deren sy nit dürffent 17 , jetz uff osteren 18 in der pfarkilchen wellen ufrichten, stein und sand schon in die kilchen gfürt; das hand sy inen gwert und ufrecht 19 verbotten. Wend ouch des schulmagisters halb fur unsere herren gen Baden keren 20 , guter hoffnung, inen werde der nit abgesprochen lut des landsfridens. Söllichs ir christlich furnemen und handlen hat mich bewegt, das ich inen ir frundtlich begären jetzmal nit han kunnen abschlahen, doch mit dem vorbehalt, wen ir, als die glerten, sampt minen g[nedigen] h[erren] mir söllichs kunnen mit guter gwysne radten und heissen. Dan wie ich mich selbs nit han in das ampt intrungen, also wyl ich ouch nit on gheissen gottes oder siner diener darvon abston, und also uch, minen herren, ghorsam sin. Hieruf ist min flysig bitt, ir wellind mir by disem botten 21 wider schriben und üweren radt und meinung anzeigen, darmit ich also on ärgernuß des euangelii und miner kilchen möge handlen. Bit uch, ir e wellend uns uch gegen unseren g. h. lassen empfolchen sin, damit wir mögen in aller teilung der kilchengüteren bliben lut des landsfridens, uß dem den armen hilflich sin und die schul mit einem fromen gsellen versehen möchtind.

Darmit sind got bevolchen. Grüssen mir Meister Leuwen 22 , minen truwen preceptorem Theodorum 23 et Pellicanum und andere predicanten und herren.

Min stieffsun Andreas Müller 24 wirt uf osteren zu mir komen, by dem mögen ir, so es uch glegen ist, uwer antwurt zuschicken.

Datum Frowenfeld, 7. apprillis.

Petrus Rymelin, alzit e[wer]w[illiger].

[Adresse auf der Rückseite:] Dem fromen, wolgelerten Meister Heinrichen Bullinger, truwen diener des götlichen wort zu Zurich, sinem lieben und getruwen herren.

c handlen und fursehen über der Zeile nachgetragen.
d vor meer gestrichenes wellen.
e vor ir gestrichenes alle.
12 bei Gelegenheit (SI I 594).
13 sie können aber allein nichts erreichen.
14 auf die sie sich sollten verlassen können (SI XIV 1401f).
15 bleiben, beharren (SI XI 703f).
16 die Katholiken in Frauenfeld.
17 bedürfen (SI XIII 1514f).
18 16. April 1536.
19 mit Recht, rechtskräftig (SI VI 220f).
20 Der Streit um den Schulmeister (vgl. Anm. 6) wurde schließlich an der Badener Tagsatzung vom 26. Juni 1536 entschieden: Es sollten zwei Schulmeister, ein reformierter und ein katholischer, angestellt werden; ihre Besoldung hatte durch Teilung der dafür bestimmten Kaplaneieinkünfte und durch Beitrage der Kirchgemeinden zu erfolgen (vgl. EA IV/1c 716 11).
21 Unbekannt.
22 Leo Jud.
23 Theodor Bibliander.
24 Weiter nicht bekannt.